Hebron trauert um einen Palästinenser, der von einer Rakete aus dem Gazastreifen getötet wurde

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Familienmitglieder tragen Mahmoud Abu Asabeh am 14. November 2018 zu einer Grabstätte in Halhoul. Foto Adam Rasgon/ Times of Israel
Familienmitglieder tragen Mahmoud Abu Asabeh am 14. November 2018 zu einer Grabstätte in Halhoul. Foto Adam Rasgon/ Times of Israel
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Mahmoud Abu Asabeh, ein Arbeiter, der einen Grossteil seiner Zeit in Israel verbrachte, war das einzige Todesopfer des 2-tägigen Raketenbeschusses aus dem Gazastreifen; er wurde ohne grosses Aufheben und in Abwesenheit der PA beigesetzt

 

von Adam Rasgon

In einer kleinen Klinik nordwestlich von Hebron nahmen Dutzende Familienangehörige der Familie Abu Asabeh am vergangenen Mittwoch die sterblichen Überreste ihres Angehörigen, Mahmoud Abu Asabeh, entgegen, der Anfang der Woche von einer aus dem Gazastreifen abgefeuerten Rakete in Israel getötet wurde.

Nihal Abu Asabeh brach in Tränen aus und stürzte zu Boden, als sie den Leichnam ihres 48-jährigen Sohnes zu Gesicht bekam. Ihre Familienangehörigen hoben sie auf und halfen ihr, auf einem nahen Stuhl Platz zu nehmen.

„Mahmoud … Mahmoud“, schrie sie, als medizinische Mitarbeiter seinen Leichnam in die in der Stadt Halhoul im Westjordanland gelegene Klinik trugen, um ihn zu waschen und in ein weisses Tuch zu hüllen.

Später brachten Familienangehörige und Einheimische den Leichnam in die Nabi Younis Moschee in Halhoul, wo sie die traditionellen Gebete sprachen und Abu Asabeh anschliessend auf einem angrenzenden Friedhof an der Seite seines Grossvaters bestattet wurde.

Die Beerdigung fand nahezu ohne Gesänge und Parteiflaggen statt, wie es für gewöhnlich bei Beerdigungen für Palästinenser der Fall ist, die im Zusammenhang mit dem israelisch-palästinensischen Konflikt getötet wurden. Es wurden allerdings für den Nahen Osten typische traditionelle Schals auf den sterblichen Überresten Mahmouds niedergelegt.

An der Trauerfeier nahm jedoch kein offizieller Fatah- oder PA-Vertreter teil. Im Gegensatz dazu hatten einen Monat zuvor zahlreiche hochrangige Fatah und PA-Vertreter an der Beisetzung eines Palästinensers teilgenommen, der angeblich von Siedlern im nördlichen Westjordanland getötet worden war. Nur wenige Journalisten berichteten über das aktuelle Ereignis.

Mahmoud Abu Asabh, ein Palästinenser aus Halhoul, arbeitete mit Arbeitserlaubnis in Israel, wo er einen Grossteil seiner Zeit verbrachte.

Am späten Montagabend wurde Mahmoud getötet und eine palästinensische Frau wurde schwer verletzt, als das Wohnhaus, in dem sich beide befanden, von einer von Terroristen aus dem Gazastreifen abgefeuerten Rakete unmittelbar getroffen wurde. Der Angriff erfolgte während einer 24-stündigen Welle intensiver Gewalt, bei der mehr als 400 Raketen vom Gazastreifen aus auf Israel abgefeuert wurden.

Nach Auskunft der IDF führte die israelische Armee in der gesamten Küstenenklave Luftangriffe auf Infrastrukturen von Hamas und Islamischem Dschihad aus.

In einem heftig kritisierten Fauxpas übersahen die israelischen Rettungskräfte die Wohnung, in der sich Mahmoud und die Frau befanden. Rettungskräfte durchkämmten die Gebäude nach Opfern und evakuierten mehrere Verletzte, verliessen das Areal jedoch, ohne Abu Asabeh und die Frau entdeckt zu haben. Erst mehr als einer Stunde nach dem Angriff wurden die beiden von dem Anwohner Shlomi Lankri entdeckt.

Abu Asabeh wurde tot im Inneren der Wohnung aufgefunden. Die nicht identifizierte Frau wurde lebend gefunden und in die Barzilai-Klinik in Ashkelon transportiert. Nach Auskunft einer Klinik-Sprecherin ist ihr Zustand seit Dienstagnachmittag stabil.

Mahmoud war das einzige zivile Opfer in Israel, das bei dem heftigen Aufflackern der grenzüberschreitenden Gewalt von Sonntag bis Dienstag zu Tode kam.

Mahmoud Abu Asabeh, 48, aus der Stadt Halhul nördlich von Hebron, wurde am späten Montag, den 12. November 2018 getötet, als eine von Terroristen aus Gaza abgefeuerte Rakete sein Zuhause in der südisraelischen Küstenstadt Ashkelon traf. Foto Twitter Screenshot

Nach einer missglückten israelischen Operation im Gazastreifen wurden am Sonntag ein israelischer Offizier und sieben palästinensische Kämpfer getötet und Hunderte Raketen und Flugkörper von Terrororganisationen aus der Küstenenklave auf Israel abgefeuert. Die IDF reagierten, indem sie Infrastrukturen von Hamas und Islamischem Dschihad im Gazastreifen ins Visier nahmen.

Durch eine Ironie des Schicksals war die einzige bei dem terroristischen Sperrfeuer getötete Person selbst Palästinenser – ein Palästinenser, der, Berichten zufolge, den gewalttätigen Konflikt verabscheute.

Nach Auskunft seines Onkels Imad Abu Asabeh arbeitete Abu Asabeh seit rund 15 Jahren in Israel.

„Sonntags begab er sich nach Israel, um zu arbeiten und freitags kehrte er nach Hause nach Halhoul zurück“, sagte Imad, der Besitzer einer Autovermietung, am Dienstag in einem Telefongespräch. „Das war seine wöchentliche Routine.“

Abu Asabehs Sohn Bahir berichtete gegenüber der Nachrichten-Website Ynet, sein Vater habe viele jüdische Freunde gehabt und sei angesichts des neuerlichen Gewaltausbruchs sehr besorgt gewesen. Bashir gab ausserdem an, sein Vater habe vorgehabt, am Dienstag wieder nach Halhoul zurückzukehren.

Abu Asabehs letzter Facebook-Post war ein Video, auf dem zu sehen war, wie eine Rakete nach seinen Angaben über Ashdod abgefangen wurde.

„Jetzt Ashdod. Möge uns Gott gnädig sein“, lautete sein Kommentar.

Imad sagte ausserdem, seine Familie sei gegen die Raketenangriffe auf Israel sowie die israelischen Angriffe auf den Gazastreifen gewesen.

„Was mit Mahmoud geschehen ist, war Gottes Vorsehung“, stelle er am Dienstag fest. „Aber wir sind gegen die Raketenangriffe und Attacken auf den Gazastreifen. Wir wollen, dass das Ganze aufhört. Wir wollen keine weiteren Opfer.“

Laut Imad hinterlässt Mahmoud eine Ehefrau, zwei Töchter, die an lokalen Universitäten studieren, und drei Söhne, von denen einer, von der Palästinensischen Autonomiebehörde finanziert, an einer Militärakademie in Russland studiert, und ein weiterer erst fünf Jahre alt ist.

„Mahmoud war wie ein Bruder für mich“, so sein 43-jähriger Cousin Ashraf al-Masri. „Er war einer jener Menschen, die jedes Familienfest und jede Hochzeit mit Freude und Unterhaltung bereichern.“

Ashraf erinnerte sich ausserdem an Mahmoud als einen grosszügigen Menschen, der stets auch seine Familienangehörigen und Freunde unterstützte.

„Als er vor einigen Wochen erfuhr, dass einer unserer Cousins eine Lebertransplantation benötigt, liess er alle erforderlichen Untersuchungen vornehmen, um zu sehen, ob er einen Teil seiner Leber spenden könnte“, berichtete er. „Er liess all diese Test machen, ohne uns vorher davon zu erzählen“.

Die Jewish Agency plane, Mahmouds Familie aus ihrem Fonds für Terrorismus-Opfer zu unterstützen, dies bestätigte ein Sprecher des Vorsitzenden der Agentur, Issac Herzog, in einem Telefongespräch.

Die New York Times hatte zuerst berichtet, dass die Jewish Agency vorhabe, die Familie Abu Asabeh finanziell zu unterstützen. Sie wären die ersten Nicht-Israelis, die „in den vergangenen Jahren“ Geld aus der Stiftung der Agentur erhalten würden, so der Sprecher.

Auf die Frage, ob sie die finanzielle Unterstützung annehmen würden, antworteten Imad, Mahmouds Vater Abdelhamid und andere Familienangehörige, das würden sie. Sie merkten jedoch an, dass die Jewish Agency sie bislang noch nicht kontaktiert habe.

Intisar al-Wazir, die Sprecherin einer Organisation der Palästinensischen Befreiungsorganisation, welche Zahlungen an die Familien palästinensischer „Märtyrer“ leistet, reagierte nicht sofort, als sie gefragt wurde, ob die Familie Abu Asabeh zum Erhalt von Unterstützungsgeldern aus der PLO-Institution berechtigt sei.

Imad, Ashraf und weitere Familienangehörige gaben ausserdem an, sie hätten die Frau, die sich zu dem Zeitpunkt, als die Rakete in das Haus einschlug, mit Mahmoud in der Wohnung aufhielt, nicht gekannt. Die New York Times berichtete, es habe sich bei ihr um Mahmouds zweite Ehefrau gehandelt, die er vor zirka einem halben Jahr geheiratet hatte.

Nach Abu Asabehs Bestattung am Mittwoch versammelten sich Familienangehörige in einem Saal, um miteinander eine Mahlzeit aus gelbem Reis und Rindfleisch zu teilen.

Vor den Türen des Saals beklagte Ashraf Mahmouds Abwesenheit.

„Er war für mich und die anderen hier ein wichtiger Mensch“, erklärte er. „Ich weiss nicht, was wir ohne ihn tun werden.“

Adam Rasgon ist Reporter für palästinensische Angelegenheiten bei der Times of Israel. Auf Englisch zuerst erschienen bei The Times of Israel. Übersetzung Audiatur-Online.