Kann Facebook aus Feinden Freunde machen?

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Foto Screenshot Facebook / IsraelArabic
Foto Screenshot Facebook / IsraelArabic
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Seit Jahrzehnten hält eine überwiegende Mehrheit der Bürger arabischer Staaten an ihrem Hass Israels fest. Im digitalen Zeitalter will der jüdische Staat das nun mit neuen Mitteln ändern – und hat dabei überraschend viel Erfolg.

 

Es liest sich wie Nachrichten aus einer utopischen Parallelwelt. Patienten aus der gesamten arabischen Welt erhalten kostenlos medizinische Beratung von israelischen Fachärzten. Tausende Araber fordern die Eröffnung israelischer Botschaften in Saudi Arabien, Irak oder Marokko. „Tel Aviv und Dubai sind die schönsten Städte der Welt, mit Parties, Diskos, Konzerten, sauberen Strassen und schönen Stränden. Wie gern würde ich Euch besuchen!“, schreibt ein Ibrahim al Harbi aus Saudi Arabien. Jussef Summer aus Agadir in Marokko preist Israel als „Land der Gerechtigkeit und Freiheit“, Salah Mahdi aus Basra im Irak bezeichnet es als „erfolgreichen, besseren und wunderbaren Staat“. Doch es ist keine Traumwelt, sondern Realität. Hunderttausende Bürger arabischer Staaten besuchen täglich die Webseiten des israelischen Aussenministeriums und machen sie somit zum erfolgreichsten offiziellen Internetauftritt des Judenstaats. Der will mit seiner „digitaler Diplomatie“ den anti-israelischen Konsens in der arabischen Welt aufbrechen – und hat dabei beachtliche Erfolge.

Dabei ist Israels Ausgangssituation denkbar schlecht. Nur zwei von insgesamt 22 arabischen Staaten haben einen Friedensvertrag mit Israel. Viele befinden sich noch im Kriegszustand mit dem jüdischen Staat, oder erkennen sein Existenzrecht nicht an. Das schlägt sich in der öffentlichen Meinung nieder. In der angeblich „grössten Meinungsumfrage in der arabischen Welt aller Zeiten“ quantifizierte das „Arabische Zentrum für Forschung und Politikstudien“ in Katar im Juli den Israel-Hass. Demnach betrachten 91 Prozent der 18.830 Befragten aus 11 arabischen Staaten den Judenstaat als „Bedrohung“. 87 Prozent sind gegen die Aufnahme diplomatischer Beziehungen, auch nach dem Abschluss eines Friedensabkommens mit den Palästinensern. Dennoch: Keine der rund 800 Webseiten und Twitter-Accounts, die Israels Aussenministerium in 50 Sprachen betreibt, erfreut einer so grossen Popularität wie die auf Arabisch. Allein die arabische Facebookseite des Aussenministeriums hat 1,6 Millionen Follower. Ihre Posts wurden dieses Jahr bereits 275 Millionen Mal angeklickt. Hinzu kommen arabische Kanäle auf Twitter, Youtube und Instagram, mit hunderttausenden Followern. Damit hat Israel angeblich eines der „vier am besten vernetzten Aussenministerien der Welt“. Warum ist diese Anhängerschaft ausgerechnet in der doch offenbar feindseligen arabischen Welt so gross?

„Menschen in der arabischen Welt sind von Israel fasziniert“, sagt Jonathan Gonen. Der 32 Jahre alte Ex-Journalist leitet seit drei Jahren ein Team von Mitarbeitern, die die arabischen Kanäle der Abteilung für digitale Diplomatie im Aussenministerium betreiben. Bei vielen spielt sicher die Jahrzehnte alte Rolle Israels als Sinnbild des „Bösen“ eine Rolle. Doch die meisten Surfer seien 25-34 Jahre alte Männer, die von anderen Fragen getrieben würden, glaubt Gonen: „Sie wollen verstehen wie es Israel gelungen ist, eine demokratische, wohlhabende, militärisch starke und wissenschaftlich führende Nation zu werden.“ Viele von ihnen stünden der Propaganda kritisch gegenüber. „Etwa ein Drittel reagiert positiv, manchmal gar begeistert, auf unsere Posts“, so Gonen. „Auffallend ist, dass dabei die Zurückhaltung nachlässt. Früher nahm kaum jemand mit uns Kontakt auf. Jetzt gibt man sich zu erkennen, mit Vor- und Nachnamen, und steht offen zu Israel.“

Diese Faszination beruht bei Gonen auf Gegenseitigkeit: Er habe Araber „nie als Feinde betrachtet“. Doch als Jugendlicher kannte er sie wie die meisten Israelis nur aus den Nachrichten, wo sie hauptsächlich erwähnt werden, wenn es um Israels Sicherheitsprobleme geht. Als er seinen Wehrdienst beim Militärgeheimdienst antrat, perfekt Arabisch lernte und als Übersetzer fungierte, bekam dieses Bild von der arabischen Welt plötzlich mehr Tiefe: „Ich lernte die Menschen hinter der Sprachbarriere kennen: Ihre Gesellschaft, Kultur, und das faszinierte mich“, sagt Gonen. Sein Posten im Aussenministerium böte ihm nun die Gelegenheit „direkt mit dieser Kultur auf Augenhöhe Kontakt aufzunehmen.“

Dabei will er vor allem Stereotype ändern. Zu diesem Zweck finden sich auf seinen Webseiten neben den offiziellen Verlautbarungen viele „seichte“ Nachrichten, die den Alltag in Israel widerspiegeln: Videos über Tel Avivs Nachtleben oder Israelis Gastronomie, die Rechte nicht-jüdischer Minderheiten im Land oder die Geschichte eines muslimischen Arabers, der sich freiwillig zum Wehrdienst meldete. „Die grössten Erfolge haben wir mit Videos, in denen wir Leute von der Strasse zu Wort kommen lassen“, sagt Gonen. Wie ein kurzer Clip in dem Israelis gefragt wurden, welches arabische Land sie am liebsten besuchen würden. Es wurde innerhalb kurzer Zeit von vier Millionen Menschen angeklickt. Das bislang erfolgreichste Video war ein Clip in dem Israelis Muslime zum Ramadan beglückwünschten: „Er wurde von mindestens sechs Millionen Menschen gesehen, selbst arabische Medien berichteten darüber“, sagt Gonen.

Diese Entwicklungen bleiben Extremisten nicht verborgen. In vielen Ländern erliessen muslimische Geistliche Fatwas, islamische Rechtsgutachten, gegen Israels Webseiten. Die Hamas verbot den Bewohnern des Gazastreifens, sie aufzurufen – mit der Begründung, der Mossad rekrutiere so Agenten. So bleibt der Konflikt stets präsent. Rund die Hälfte der Surfer hasst Israel, droht mit Rache oder Genozid. Gonen lässt die meisten Posts stehen, aus zwei Gründen: „Wir sind eine Demokratie und müssen so etwas aushalten. Wir löschen Kommentare nur, wenn sie konkret zu Gewalt aufrufen“, sagt er. Ausserdem sind ihm auch diese Posts letztlich nützlich: „Schliesslich sehen dann alle Kontakte des Users, was er gerade verfluchte, und werden so auf uns aufmerksam.“

Gonen erkennt deutliche Unterschiede zwischen arabischen Ländern. Ägypten, Jordanien und die Palästinensergebiete haben zwar Friedensverträge mit Israel, fallen aber durch negative Kommentare auf. Menschen aus dem Irak oder Marokko reagierten indes freundlich: „Vielleicht, weil dort einst viele Juden lebten und sie sie mit einer heilen Vergangenheit assoziieren“, meint Gonen. Die Reaktionen aus dem Irak warne so positiv, dass das Aussenministerium vor fünf Monaten eine irakische Facebookseite einrichtete. Sie hat inzwischen 70.000 Follower. Gonen will mit seinen Aktivitäten diplomatischen Beziehungen den Weg ebnen. Vergangene Woche zeigte sich, dass dieser Wunsch nicht ganz utopisch ist: Nach 20 Jahren war Premierminister Benjamin Netanjahu erstmals wieder in Oman zu Gast, in den Vereinigten Arabischen Emiraten traten israelische Judoka zu einem Wettbewerb an und wurden herzlich empfangen. Strategische Interessen sind für diesen Wandel ausschlaggebend. Digitale Diplomatie dürfte dennoch zugleich eine immer grössere Rolle spielen

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Über Gil Yaron

Dr. Gil Yaron ist Buchautor, Dozent und Nahostkorrespondent der Tageszeitung und des Fernsehsenders WELT, sowie der RUFA, der Radioabteilung der dpa. Er schreibt ebenso für die Straits Times in Singapur, und arbeitet als freier Analyst in zahlreichen Fernsehsendern.

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