3 Jahre nach den Paris-Attacken: Die Entmystifizierung des Selbstmord-Attentäters

Die Geschichte hat gezeigt, dass die grosse Waffe des islamistischen Terrors ein Zeichen strategischer Verzweiflung und herannahender Niederlage ist .

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Foto Maya-Anaïs Yataghène, CC BY 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=45006615
Foto Maya-Anaïs Yataghène, CC BY 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=45006615
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Sie massakrieren, schockieren und werfen ihre Zielobjekte aus der Balance – in der Hoffnung, sie davon zu überzeugen, dass diese der Niederlage gegenüberstehen.

 

Selbstmordattentäter wie jene, die im November vor drei Jahren in Paris wüteten, wurden nicht erst von den Islamisten erfunden, die sie jetzt einsetzen, und frühere Fälle haben gezeigt, dass sie letzten Endes immer verlieren.

Die simultan erfolgten Bombenattentate und bewaffneten Anschläge in einem Stadium, einem Theater und drei Restaurants wurden von drei Selbstmordattentätern verübt, die sich während eines Fussballspiels zwischen Deutschland und Frankreich vor dem Stade de France in die Luft sprengten. Ein vierter Attentäter jagte sich in die Luft, nachdem er eine Bestellung im Café Comptoir Voltaire aufgegeben hatte, und zwei weitere lösten im Theatre Bataclan die Sprengladungen an ihren Bombenwesten aus, als französische Spezialeinheiten auftauchten.

Nachdem 130 Menschen getötet und weitere 413 verletzt worden waren – der tödlichste Angriff auf die französische Zivilbevölkerung seit dem Zweiten Weltkrieg – machten die Mörder des 13. November klar, dass der Islamismus Krieg gegen den Rest der Menschheit führt und Europa im Fadenkreuz seiner Bestrebungen steht.

Der Einsatz von Selbstmordattentätern soll den Eindruck vermitteln, dass ihre Sache von höchster ideologischer Überzeugung getragen ist und es sich dabei um eine bahnbrechende strategische Waffe handelt.

Erstmals wurde diese Strategie während des Zweiten Weltkriegs von den Japanern im Pazifik angewendet und dann im letzten Jahrzehnt von den Palästinensern gegen Israel – mit Resultaten, aus denen die Europäer von heute ihre Lehren ziehen sollten.

DIE Kamikaze -Piloten und -Matrosen, die ihre Flugzeuge und Motorboote in die Kriegsschiffe und Flugzeugträger der Alliierten rammten, verbreiteten zunächst Angst und auch Verzweiflung bei den Amerikanern. Mit letztlich 250 getroffenen Schiffen war der taktische Erfolg der Selbstmordattentate tatsächlich eindrucksvoll.

In einigen wichtigen Punkten unterschieden sich die japanischen Selbstmordattentäter jedoch von ihren islamistischen Nachfolgern.

Aus geografischer Sicht waren die Kamikaze Teil einer Bestrebung, lediglich einen Teil der Welt zu erobern, während die Islamisten hoffen, jeden einzelnen Quadratmeter der Erde zu erobern. Aus ideologischer Sicht wollten die Japaner zwar andere Nationen erobern, hatten jedoch nicht die Absicht, sie zu verändern. Die Islamisten dagegen wollen, dass die ganze Welt ihren Glauben annimmt.

Schaut man noch tiefer, so wird klar, dass die Japaner, nachdem sie rund 250 Jahre isoliert vom Rest der Welt gewesen waren, Anschluss an die westliche Welt finden und an der industriellen Revolution teilhaben wollten.

Der Islam hingegen sehnt sich zurück in die Zeit des Mittelalters, als die islamische Zivilisation an der Spitze der entwickelten Welt stand. Dies ist der Grund, warum die Islamisten im Gegensatz zu den Japanern, die von den westlichen Errungenschaften fasziniert waren und diese nachahmen wollten, von eben diesen Errungenschaften enttäuscht sind und in ihnen eine historische Verirrung sehen, die irgendwie kompensiert werden muss.

Dies ist auch der Grund, warum islamistische Selbstmordattentate – ganz wie das eifersüchtige Kind im Kindergarten, das den mühsam errichteten Legoturm eines anderen Kindes zerstört – die Schöpfungen der westlichen Zivilisation, wie Wolkenkratzer, Stadien, Parlamente, Flughäfen und Bahnhöfe, zum Ziel haben.

Ungeachtet dieser Unterschiede, was ihr strategisches Ziel und ihre Resultate anbetrifft, zielen die islamistischen Selbstmordattentate dennoch in die gleiche Richtung wie die der Kamikazes.

Die Japaner griffen zu den Selbstmordattentätern, nachdem ihre militärische Unterlegenheit offensichtlich geworden und ihre Kapitulation nur noch eine Frage der Zeit war. Es war die Waffe eines Verlierers, selbst für eine Gesellschaft, die zur damaligen Zeit von der Tradition des Harakiri inspiriert war. Das ist der Grund, warum es den Kamikazes nicht gelang, die drohende Niederlage Japans abzuwenden. Selbst nicht, als im Frühjahr 1945 während des Angriffs auf Okinawa in einer einzigen Schlacht 355 Selbstmordattentate ausgeführt wurden.

Letztlich war dies die Zahl der Japaner, die bereit waren, auf derart sinnlose Weise zu sterben. Gleichzeitig verstärkten die Kamikazes damit nur das Engagement der Alliierten für ihre Sache sowie ihre Entschlossenheit, sie zu verteidigen. Den Japanern gelang es lediglich, 4.615 Selbstmordattentäter aus seiner 120 Millionen Staatsbürger zählenden Bevölkerung zu rekrutieren. Gleichzeitig gelangten ihre anvisierten Ziele zu der Überzeugung, dass die Geringschätzung der Leben ihres eigenen Volkes die absolute Niederlage Japans forderte.

EBENSO verhielt es sich mit den Selbstmordattentätern, welche die Palästinenser im vergangenen Jahrzehnt auf Israel losliessen. Die Selbstmordattentate waren die Waffe eines verlorenen Kampfes. Ihr blosser Einsatz war ein Beweis dafür, dass die Palästinenser vor der endgültigen Niederlage stehen.

Der Einsatz der Selbstmordattentäter erwischte Israel zunächst unvorbereitet und belief sich letztlich auf 150 Anschläge in den Jahren 1993–2006 auf Busse, Cafés, Restaurants, Einkaufszentren, Supermärkte und Tanzclubs, bei denen mehr als 700 Menschen im gesamten jüdischen Staatsgebiet getötet wurden.

Dennoch hatten die Palästinenser, ähnlich wie die Japaner, zunehmend Schwierigkeiten, Selbstmordattentäter zu rekrutieren, insbesondere nachdem Israel die palästinensische Öffentlichkeit davon unterrichtet hatte, dass die Anführer, die ihre Kinder dazu anstacheln, lebende Bomben zu werden, nie ihre eigenen Kinder auf diese Art in den Tod schickten.

Gleichzeitig war die israelische Öffentlichkeit zum Kämpfen motiviert, und die Armee und die Geheimdienste bereiteten Pläne für eine grosse Offensive vor.

Als Israels Gegenangriffe mit der Operation Schutzschild im Frühjahr 2002 begannen, verliessen Reservesoldaten ihre Jobs und Familien und bettelten darum, mitkämpfen zu dürfen. Sie stellten sich unerbittlich dem Kampf, da die Selbstmordattentate die Israelis davon überzeugt hatten, dass sie für die Verteidigung ihrer Familien und Heime kämpften.

In der Folge eroberten die IDF die Flüchtlingsstädte, welche die Keimzellen der Selbstmordattentäter waren, während der Geheimdienst die Selbstmordattentäter im Voraus ausfindig machte und die Luftwaffe sie aus der Luft eliminierte.

Es dauerte sechs Jahre, aber nach dem Höhepunkt mit 47 Selbstmordattentaten und 225 israelischen Opfern im Jahr 2002, nahm die Zahl der Anschläge jedes Jahr weiter ab, bis die Hamas, welche die meisten der Selbstmordattentäter rekrutiert und losgeschickt hatte, Schwierigkeiten hatte, neue Attentäter aus ihren Reihen zu rekrutieren.

Die Situation in Europa ist natürlich anders, aber das von Israel erlernte Prinzip trifft auch hier zu – Selbstmordattentate sind eine Waffe der Verzweiflung, die Angst und Schrecken verbreitet, aber tatsächlich dem Scheitern gegenüber stand, sobald ihre (israelischen) Zielobjekte drei Phasen durch gelaufen hatten: Zuerst verloren sie ihre Angst; dann drangen sie in den Lebensraum der Selbstmordattentäter ein; und dann griffen sie an.

Über Amotz Asa-El

Amotz Asa-El ist leitender Berichterstatter und ehemaliger Chefredakteur der Jerusalem Post, Berichterstatter Mittlerer Osten für Dow Jones Marketwatch, politischer Kommentator bei Israel's TV-Sender Channel 1 und leitender Redakteur des Nachrichtenmagazins Jerusalem Report.

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