Palästinenser, ihr müsst nicht als Flüchtlinge leben

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Foto UNRWA Werbung auf Twitter
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Lesezeit: 4 Minuten

In der amerikanischen Politik sind dramatische Verschiebungen selten. Ein unverkennbares Beispiel ist jedoch die Entscheidung der Trump-Administration, die Zahlungen an das Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästinaflüchtlinge im Nahen Osten (United Nations Relief and Works Agency, UNRWA), der wichtigsten Organisation der UN für Hilfsleistungen an Palästinenser, einzustellen. Ein fast 70 Jahre alter gordischer Knoten wurde zerschlagen, doch was folgt als nächstes?

 

Von Dr. Alex Joffe und Dr. Asaf Romirowsky

Seit der Gründung des UNRWA im Jahr 1949 hat jede US-Administration die zentrale Rolle ignoriert, die die Organisation für die Verlängerung des arabisch-israelischen Konflikts spielte. Wie wir in unserem Buch Religion, Politics and the Origins of Palestine Refugee Relief von 2013 dargelegt haben, waren die USA seit den frühen 1950er Jahren bestrebt, die palästinensische Gesellschaft mit Hilfsleistungen zu stabilisieren und stellten mehr als ein Viertel der Mittel des UNRWA bereit. Erreicht wurde damit aber eine Verfestigung der palästinensischen Abhängigkeit von fremder Hilfe. Wie die jetzige Administration erkannt hat, verlangen palästinensische Eliten weiterhin Hilfe, auch wenn sie auf jede erdenkliche Weise gegen die USA wettern.

Die Entscheidung zur Streichung der Mittel für das UNRWA entspricht der umfassenderen Sichtweise der Trump-Administration auf die Aussenpolitik. Wie in der Handelspolitik, bei den Vereinten Nationen und dem Nordatlantikpakt besteht Präsident Trump darauf, dass ausländische Hilfe den USA mehr Vorteile einbringen muss als lediglich die Aufrechterhaltung der Stabilität. Das gilt für das UNRWA weder früher noch heute. Es verzögert die Entwicklung palästinensischer zivilgesellschaftlicher Institutionen und bestärkt einige der kontraproduktiven Klagen der Palästinenser.

Das sogenannte Rückkehrrecht für palästinensische Flüchtlinge, das UNRWA durch seine Bildungseinrichtungen und politischen Organe verbreitet, verstärkt ein Gefühl der Entrechtung unter Palästinensern auf der ganzen Welt. Die Definition von „Flüchtlingen“ des UNRWA, die Millionen einschliesst, die nie auch nur einen Fuss in das Palästina der britischen Mandatszeit gesetzt haben, läuft internationalem Recht und internationalen Gepflogenheiten zuwider. Und langfristig könnte die Übernahme von Aufgaben durch das Hilfswerk, die eigentlich Sache des palästinensischen Volkes wären, die Entstehung einer Zweistaatenlösung in der Pattsituation mit Israel verlangsamen.

Die Palästinensische Autonomiebehörde muss Schock und Wut überwinden und die Realität anerkennen. Berichte, sie setze darauf, dass die Demokraten im November die Kontrolle über den Kongress erlangen, zeigen, dass sie auf die Vergangenheit setzt. Selbst wenn die Demokraten gewinnen, werden sie kaum genug Unterstützung dafür finden, die Finanzierung gegen das Veto des Präsidenten aufrechtzuerhalten.

Einige im Sicherheitsapparat der Vereinigten Staaten und Israels waren wegen der Einstellung der Zahlungen für das UNRWA ebenfalls beunruhigt, ihre Bedenken sind jedoch unangebracht. Sie fürchten, Israel werde die Verantwortung für Bildung und Gesundheitsfürsorge übernehmen müssen, die gegenwärtig das UNRWA für die Palästinenser leistet. Damit unterschätzen sie den Wert von Präsident Trumps Engagement, man müsse Entwicklungsländer schwimmen oder untergehen lassen und sie müssten mehr Verantwortung für ihr eigenes Sozialwesen übernehmen.

Unterdessen wird die EU wahrscheinlich versuchen, die verlorenen Mittel zu ersetzen. Aber die Finanzprobleme und die Migrationskrise in den europäischen Ländern werden es schwierig machen, die Gelder einzutreiben. Was die NATO, den Iran und andere Fragen angeht, werden die Europäer letztlich Amerika folgen.

Hilfe umlenken

Damit die Wirksamkeit dieses neuen Ansatzes gewährleistet ist, müssen die USA die Hilfe an spezifische palästinensische Einrichtungen – Schulen, Krankenhäuser und andere soziale Grundpfeiler – umlenken, mit oder ohne Unterstützung der Palästinensischen Autonomiebehörde. Der totale Zusammenbruch der Infrastruktur würde weder Palästinensern noch jenen, die an Frieden interessiert sind, nützen.

Der nächste Schritt für die Trump-Administration wird sein, den Amerikanern die Vorteile nahezubringen, die sich aus einer Umgehung des UNRWA ergeben. Die Regierung erkennt, auf welche Weise die Klagen der Palästinenser das Entstehen von Frieden im Nahen Osten aufgehalten haben, und sie weiss, dass die amerikanischen Steuerzahler bereit sind, Länder und Anliegen zu unterstützen, die das Ziel einer Welt im Frieden fördern. Sie werden keine Abhängigkeit und keine antiamerikanischen Anfeindungen unterstützen, zwei Dinge, die das UNRWA seit seiner Gründung gefördert hat.

Diese neue Ausrichtung erfolgt in Zeiten des Übergangs in der palästinensischen Politik. Angesichts von Berichten über den schlechten Gesundheitszustand des Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde, Mahmud Abbas, werden bald neue Führer in Erscheinung treten, um die Ausrichtung der palästinensischen Gesellschaft zu bestimmen. Insbesondere wird ihnen die wichtige Aufgabe zufallen, eine Übernahme der Kontrolle der Hamas über das Westjordanland zu verhindern. Tritt kein gemässigter, demokratisch gewählter Führer zutage, sollten die USA verschiedenen palästinensischen Städten und Regionen direkte Hilfe zukommen lassen, bis wieder eine zukunftsfähige Politik – frei von der Hamas und von Extremismus – möglich ist.

Die Verpflichtungen haben sich verschoben, und frühere Vereinbarungen wurden beiseite gewischt. Die Israelis müssen mit Fantasie und Grossmut reagieren und die Palästinenser mit der Anerkennung der Tatsache, dass wir uns nicht im Jahr 1948, 1967 oder 1993 befinden. Die Entscheidung zum UNRWA ist eine neue Chance. Die Palästinenser sollten sie ergreifen.

Alex Joffe ist Archäologe und Historiker. Er ist ein Senior Non-Resident Fellow am BESA Center und Shillman-Ingerman Fellow am Middle East Forum. Asaf Romirowsky ist Geschäftsführer von Scholars for Peace in the Middle East. Sie sind Co-Autoren von Religion, Politics and the Origins of Palestine Refugee Relief (2013). Auf Englisch erschienen bei Begin-Sadat Center for Strategic Studies (BESA). Übersetzung Audiatur-Online.