„Wir hätten nie gedacht, dass die Ägypter Frieden schliessen würden“, sagte Aussenminister Moshe Dayan auf die Frage, warum Israel mit dem Bau einer 250.000-Einwohner-Stadt in der Sinai-Wüste begonnen hatte.
Diese Aussage fiel im September 1978 während der 13-tägigen Friedensgespräche in Camp David, die zehn Monate nach der historischen Reise des ägyptischen Präsidenten Anwar Sadat nach Jerusalem stattfanden. Vierzig Jahre später erscheint der ägyptisch-israelische Frieden als Lichtstrahl in einem ansonsten unruhigen Nahen Osten.
Der Mechanismus des Abkommens war simpel, in politischer, diplomatischer und wirtschaftlicher Hinsicht jedoch war er fragil, kostenintensiv und risikobehaftet.
Die zugrundeliegende Gleichung war, dass Ägypten Israel anerkennen und Israel sich im Gegenzug aus dem Sinai zurückziehen würde, den es 1967 zurückerobert hatte, als sich dort eine riesige ägyptische Armee versammelt hatte, um den jüdischen Staat zu überrennen.
Das Abkommen rief in beiden Ländern Unruhe hervor.
IN ÄGYPTEN trat Aussenminister Ismail Fahmi von seinem Amt zurück, weil er gegen Sadats Reise nach Israel war, und Verteidigungsminister Mohamed Gamasy wurde abgesetzt, weil er das Abkommen von Camp David ablehnte. Zusätzlich zu diesem Widerstand aus dem eigenen Lager war da die islamistische Opposition ausserhalb der etablierten Elite, die später auch die Ermordung Sadats herbeiführen würde.
Ausserhalb von Ägypten wurde Sadat von der gesamten arabischen Welt – an ihrer Spitze die Arabische Liga, die Ägypten ausschloss und ihre Zentrale von Kairo nach Tunis verlegte – als Verräter verurteilt.
Unterdessen wurde in Israel das allererste Friedensabkommen des Landes von wichtigen Mitgliedern aus Premierminister Menachem Begins Likud-Partei abgelehnt, darunter der Knesset-Sprecher und zukünftige Premierminister Yitzhak Shamir, der sich bei der Abstimmung zur Ratifizierung des Abkommens enthalten hatte, und der künftige Verteidigungsminister Moshe Arens, der dagegen gestimmt hatte.
In diplomatischer Hinsicht stellte Sadats Forderung, wonach die ägyptisch-israelische Friedensvereinbarung eine israelische Verpflichtung gegenüber den Palästinensern beinhalten sollte, das Abkommen vor eine Herausforderung.
Israel seinerseits verlangte, dass der Sinai, auf dem Israel und Ägypten vier Kriege ausgetragen hatten, entmilitarisiert werden sollte, sprich, dass ein dortiger Einsatz der ägyptischen Armee ohne Israels Zustimmung untersagt sein würde.
In logistischer Hinsicht erforderte das Abkommen den Abzug der umfangreichen israelischen Militärkräfte sowie 18 ziviler Städte.
In finanzieller Hinsicht machte sich Israel auf die Suche nach Ersatz für die vier Militärflughäfen, die es auf der Sinai-Halbinsel errichtet hatte und für das dort geförderte Öl.
Das Abkommen liess keines dieser Themen unberücksichtigt.
Israel erkannte die nationale Einheit der Palästinenser an und zog sein Militär und die zivile Bevölkerung von der Sinai-Halbinsel ab; Ägypten entmilitarisierte den Sinai und sagte zu, das Öl von dort für die Dauer von weiteren 15 Jahren an Israel zu verkaufen. Die USA bauten neue Flughäfen in der israelischen Negev-Wüste und errichteten strategische Frühwarnstationen im Westen der Sinai-Halbinsel und 1980 wurden Botschaften in Kairo und Tel Aviv eröffnet.
Kurz gesagt, das Camp-David-Abkommen war ein Meisterstück von diplomatischer Ausgewogenheit, von Weitsicht und Verzicht. Was noch besser war, das Abkommen funktionierte tatsächlich und tut es immer noch, bis zum heutigen Tag.
DIE FRÜCHTE dieses Abkommens sind unmöglich zu übersehen.
Israelische Schiffe befahren den Suezkanal und Geheimdienstoffiziere beider Seiten betreiben regelmässigen Informationsaustausch. So traf sich beispielsweise diesen August Abbas Kamel, der Leiter des Allgemeinen Nachrichtendienstes Ägyptens (General Intelligence Service) mit Premierminister Benjamin Netanyahu und führenden Beamten der israelischen Geheimdienste, um eine Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas auszuarbeiten.
Die Beziehungen zwischen Netanyahu und Präsident Abdel Fatah al-Sisi werden als herzlich betrachtet.
Der ägyptisch-israelische Frieden hat grossen Herausforderungen standgehalten, darunter der israelische Einmarsch in den Libanon 1982 und die Präsidentschaft des islamistischen Politikers Mohamed Mursi von 2012–2013. Gelegentlich rief Ägypten seinen Botschafter zurück, um damit gegen die israelischen Massnahmen im Libanon, dem Gazastreifen oder dem Westjordanland zu protestieren. Die Botschafter kehrten jedoch letzten Endes immer wieder zurück und die diplomatischen Beziehungen wurden nie vollständig abgebrochen.
Tatsächlich haben sich die israelisch-ägyptischen Beziehungen in einem ansonsten von zahllosen Konflikten gezeichneten Nahen Osten zu einem wahren Musterbild des Pragmatismus und der Stabilität entwickelt.
Dennoch können diese Beziehungen nicht als pure Idylle bezeichnet werden.
AM ENTTÄUSCHENDSTEN IST, dass sich die ägyptischen Medien und die kulturelle Elite des Landes nach wie vor überwiegend feindlich gegenüber Israel verhalten und oft auch antisemitisch.
Was die Wirtschaft angeht, so hat Ägypten die ursprünglichen Hoffnungen Israels auf intensive Handelsbeziehungen enttäuscht.
Als äusserst denkwürdig wären da die Ausweisung der israelischen Geschäftsfrau Dvora Ganani, die ein Kosmetika-Importgeschäft in Kairo gegründet hatte, im Jahr 1997 zu nennen sowie die Festnahme und 8-jährige Haft des Textilunternehmers Azzam Azzam wegen angeblicher Spionage im Jahr 1996.
Ausserdem widersetzte sich Ägypten wirkungsvoll der Vision für einen neuen Nahen Osten, welche die ökonomische Integration der Region befürwortete und die israelische Diplomatie während der Zeit der Premierminister Yitzhak Rabin, Shimon Peres und Ehud Barak lenkte.
Dennoch entwickelten sich die israelisch-ägyptischen Geschäfte, als sie staatlich gefördert wurden.
2004 unterzeichnete Ägypten eine Vereinbarung mit Israel und den USA, welche ägyptische Exporte von US-Zöllen befreite, wenn das ägyptische Produkt einen festgelegten Anteil von in Israel gefertigten Teilen enthielt.
Im folgenden Jahr wurde ein Abkommen für ägyptische Gaslieferungen an den jüdischen Staat unterzeichnet.
In der Folge wuchs der Handel zwischen den beiden Staaten von weniger als 50 Mio. US-Dollar im Jahr 2003 auf über 500 Mio. US-Dollar in 2011, als die israelischen Gasimporte aus Ägypten die Marke von 355 Mio. US-Dollar erreichten.
Der Sturz von Husni Mubarak im Jahr 2011 und die folgenden Unruhen beendeten den ägyptischen Gasstrom nicht nur nach Israel, sondern auch nach Jordanien, da Terroristen wiederholt die über die Sinai-Halbinsel verlaufende ägyptische Pipeline sabotierten.
Israel fand jedoch später Gas im Mittelmeer und letzten Winter unterzeichnete das israelische Unternehmen Delek einen 15 Mrd. US-Dollar schweren 10-Jahres-Vertrag mit der ägyptischen Firma Dolphinus über die Lieferung von israelischem Gas an Ägypten.
Ja, ein umfassender Frieden im Stil des „Ewigen Friedens“ zwischen der Schweiz und Frankreich muss sich an der Südgrenze Israels erst noch entwickeln. Dennoch ist der israelisch-ägyptische Frieden auch 40 Jahre nach seiner Geburtsstunde immer noch solide, kampferprobt, wärmend und ganz gewiss unbeschwerter als die blutbefleckten Jahrzehnte, die ihm vorausgingen.
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