Israelische Startups: In Zukunft Augentropfen statt Brille

3
Symbolbild. Foto Shutterstock.com
Symbolbild. Foto Shutterstock.com
Lesezeit: 4 Minuten

Zwei israelische Startup-Firmen beschreiben, wie ihre Produkte – beide befinden sich derzeit im Stadium klinischer Erprobung – die Art und Weise, mit der wir unsere Seeschwäche korrigieren, radikal verändern könnten.

 

von Abigail Klein Leichman

Was wäre Ihnen lieber, um besser zu sehen: eine Brille oder Kontaktlinsen, eine Laseroperation … oder einfach ein paar Augentropfen? Da neue wissenschaftliche Fortschritte die Korrektur des Sehvermögens durch Augentropfen möglich machen, wählen Menschen immer öfter die dritte Option.

Es ist ein grosses Geschäft: Vor einigen Jahren erwarb der Pharma-Riese Novartis eine Firma, die dabei ist, eine lokale Behandlung für altersbedingte Weitsichtigkeit (Presbyopie) zu entwickeln; zur selben Zeit experimentieren andere mit Augentropfen zur Behandlung des grauen Stars (Katarakt).

In Israel sind korrigierende Augentropfen zweier Startup-Unternehmen im klinischen Testverfahren.

ORASIS: Tschüss Lesebrille  

Die in Herzliya ansässige Firma Orasis Pharmaceuticals nahm vor Kurzem 13 Millionen US-Dollar auf, um die Entwicklung ihrer pharmazeutischen Augentropfen voranzutreiben; sie sollen die Nahsicht verbessern, sodass Betroffene künftig keine Lesebrille mehr benötigen.

CEO Elad Kedar sagt, Weitsichtigkeit betreffe die Mehrheit der über 45-Jährigen. Damit ergibt sich für Orasis ein potenzieller Markt von nahezu 2 Milliarden Menschen weltweit – allein 120 Millionen in den USA.

„Unsere natürlichen Augenlinsen altern, wie alle Organe, und verlieren mit der Zeit ihre Elastizität, um sich auf Objekte im Nahbereich zu fokussieren“, sagt Kedar. „Diese Abnahme der Elastizität führt schliesslich dazu, dass wir eine Lesebrille benötigen.“

Obwohl Lesebrillen durchaus effektiv sind, so Kedar weiter, mögen viele Menschen sie nicht, da sie unbequem sind und man sie leicht verlegt; ausserdem gelten sie als Merkmal des Alterns.

„Es hat lange gedauert, bis alternative Lösungen wie Kontaktlinsen und Implantate gefunden wurden; sie alle lassen jedoch in Sachen Effektivität, Sicherheit oder Bequemlichkeit zu wünschen übrig. Wir haben nun eine erstklassige pharmakologische Lösung entwickelt, indem wir eine Kombination existierender Moleküle nutzen, die bereits für andere Indikationen am Auge verwendet werden. Man benötigt nur einen Tropfen in jedes Auge und kann anschliessend für mehrere Stunden gut sehen. Das verspricht, sehr sicher und bequem zu sein.“

Über fünf Jahre Forschung und Entwicklung wurden in die patentierte Formel von CSF-1 der Firma Orasis investiert. Nach Versuchen am menschlichen Auge in diversen Zentren sowohl in Israel als auch in Europa (deren Resultate in Kürze veröffentlicht werden sollen) folgt als nächster Schritt die Forschungsphase 2b in den Vereinigten Staaten. „Wir haben mit dem Regulierungsprozess begonnen“, erläutert Kedar.

Die jüngste Finanzierungsrunde führte das kalifornische Unternehmen Visionary Ventures an; unter den weiteren Investoren finden sich die US-Beteiligungsgesellschaft Sequoia Capital, SBI Japan-Israel Innovation Ventures sowie LifeSci Venture Partners aus New York. Jeffry Weinhuff von Visionary Ventures und Masafuyu Tanaka von SBI sitzen ausserdem mit in der Geschäftsleitung von Orasis.

NANO-TROPFEN: Nie wieder verschwommen sehen

Die am Institut für Nanotechnologie und neuartige Werkstoffe (Institute of Nanotechnology and Advanced Materials, kurz BINA) der Bar-Ilan Universität in Ramat Gan entwickelten Nano-Tropfen bieten eine patentierte Lösung zur Korrektur aller dioptrischen Fehler, die eine verschwommenen Sicht verursachen (Weitsichtigkeit, Kurzsichtigkeit und Astigmatismus/Hornhautverkrümmung).

In vorklinischen Testreihen an Schweinen – deren Augen denen des Menschen ähneln –, erreichten Nano-Tropfen bei Weitsichtigkeit eine Korrektur um 3 Dioptrien und bei Kurzsichtigkeit eine von 2,5 Dioptrien – und zwar durch lokale Veränderung des Hornhaut-Brechungsindex. Als Nächstes stehen die weitere Mittelbeschaffung und Entwicklung sowie neue Testreihen an Tieren an; ihnen wird Ende 2019 ein Testversuch am Menschen folgen.

Die Anwendung von Nano-Tropfen soll in drei Schritten erfolgen.

Als Erstes sollen Nutzer mithilfe verschiedener bereits existierender Smartphone-Apps den Brechwert (die Refraktion) messen. Ein urheberrechtlich geschütztes, unabhängiges oder mit dem Smartphone verbundenes Lasergerät nutzt sodann die Messdaten, um in wenigen Millisekunden der obersten Hornhautschicht ein individualisiertes optisches Muster aufzuprägen. (Dies ist nicht dasselbe wie Laserablation, das Verdampfen durch Laser, sondern vielmehr eine Bereitstellungsmethode mithilfe schneller, schmerzloser Impulse). In einem dritten Schritt werden dem Auge synthetische Tropfen biokompatibler Protein-Nanopartikel verabreicht, um das aufgeprägte optische Muster zu aktivieren. Als Resultat erhält man einen veränderten Brechungsindex und somit schliesslich eine veränderte Licht-Einfallsbahn auf der Hornhaut.

„Wir wissen nicht, wie lange die Wirkung anhält, da wir bisher noch keine In-vivo-Versuche unternommen haben“, sagt Dr. David Smadja, Augenarzt am Shaare Zedek Medical Center in Jerusalem und wissenschaftlicher Mitarbeiter am BINA. „Im kommenden Januar werden wir erstmals In-vivo-Versuche an Kaninchen oder Schweinen durchführen.“

Von links, die Nano-Tropfen-Entwickler Dr. David Smadja, Prof. Zeev Zalevsky und Prof. Jean-Paul Moshe Lellouche. Foto mit freundlicher Genehmigung der Bar-Ilan-Universität.

Smadja kam vor dreieinhalb Jahren aus Frankreich nach Israel. „Ich bin Arzt und sehe daher jeden Tag, was ich nicht zur Verfügung habe, um meine Patienten zu behandeln – und ich suche ständig nach dem, was mir fehlt“.

„Aber Technologie ist nicht mein Bereich; deshalb begann ich, mit Prof. Zeev Zalevsky (von der Kofkin-Fakultät für Ingenieurwesen an der Bar-Ilan-Universität) zusammenzuarbeiten – und er lässt meine Ideen Wirklichkeit werden. Seit zwei Jahren arbeiten wir bereits an Nano-Tropfen. Inzwischen haben wir schon eine ganze Reihe gemeinsamer Projekte.“

Der andere Partner bei der Entwicklung von Nano-Tropfen ist Prof. Jean-Paul Moshe Lellouche – Bar-Ilan-Leiter des Fachbereichs Chemie. Die universitätseigene Birad Research & Development Company hat bereits ein Patent für Nano-Tropfen angemeldet und arbeitet mit Nano-Tropfen-Mitbegründer und CBO (Chief Business Officer) Steve Elbaz zusammen, um die neue Technologie auf den Markt zu bringen.

„In Zukunft können Patienten mithilfe dieser Technologie eigene Sehschwächen hoffentlich bequem zu Hause korrigieren“, sagt Smadja.

Auf Englisch zuerst erschienen bei Israel21c.

3 Kommentare

  1. Immer wieder erstaunlich, wie breit gestreut die innovativen Forschungen in Israel sind.

    Mehr als 5000 Start-ups gibt es laut einer Studie (2017) der Unternehmensberatung Roland Berger in Israel. Das Land bringt die meisten Start-ups pro Einwohner hervor, es hat 93 Firmen im Technologie-Index NASDAQ gelistet – zum Vergleich: Deutschland kommt auf nur acht.
    GOTT segnet sein Volk und sein Land, damit es zum Segen für andere werden kann.

Kommentarfunktion ist geschlossen.