Israelische Kino- und TV-Produktionen galten einst als exotisch und provinziell, befassen sich heute jedoch mit universellen Themen und sind international erfolgreich.
So wie die israelische Esskultur, in der Strassenstände mit fettigen Falafeln im Laufe der Zeit von Haute-Cuisine-Restaurants abgelöst wurden, war auch Israels boomende Film- und TV-Industrie zunächst ein Exot, dessen Produktionen nur selten ausländische Zuschauer erreichten.
Diese Zeiten sind jedoch vorbei. Heute sind israelische Film- und TV-Produktionen in Hollywood, auf dem Broadway und in Cannes begehrt und gefragt.
Der israelische Film
Im Jahr 1964 wurde der Kassenschlager „Sallah – oder: Tausche Tochter gegen Wohnung“ als erster israelischer Film für den Oscar nominiert und festigte den Ruf des Exoten.
„Sallah – oder: Tausche Tochter gegen Wohnung“ ist ein satirisches Meisterstück über einen ungebildeten Immigranten aus einem nicht genannten Staat im Nahen Osten, der das alte und arrogante Establishment austrickst. Es hat jedoch den Anschein, als setze sich der Film nicht mit den Personen auseinander; er ist vielmehr ein Bericht über speziell Israel betreffende Probleme. Darüber hinaus wirkte das indirekt ausgesprochene Vertrauen in das zionistische Vorhaben, die im Exil Lebenden wieder zusammenzubringen, wie eine ideologische Botschaft.
Das Ausland schenkte dem Genre, das „Sallah“ in der Folge inspirierte – zwei Jahrzehnte voller oberflächlicher Komödien, in denen es um Begegnungen zwischen Israelis mit europäischem und solchen mit nahöstlichem Hintergrund geht –, aus gutem Grund keine Beachtung. Die Filme dieser Welle waren überwiegend schlecht und zwar in jeder Hinsicht: Schauspiel, Drehbuch und Kameraführung.
Obwohl es in dieser Zeit auch Ausnahmen gab – wie den mit einem Golden Globe ausgezeichneten Film „Schlaf gut, Wachtmeister!“ (1971) über einen Polizisten, der in Karriere und Ehe versagt, weil er zu nett ist –, kam der Wendepunkt in der israelischen Filmbranche erst Jahre später, aber dann gleich zweimal: zuerst wegen der israelischen Kriege und dann infolge der Globalisierung des Landes.
DIE KRIEGE, die zuvor ideologisch in den Mittelpunkt gestellt wurden – so wie im Hollywood-Epos „Exodus“ mit Paul Newman aus dem Jahr 1960 –, wurden immer mehr zu einer Kulisse für unpolitische, menschliche und universelle Themen.
Während sich das Land Israel weiterentwickelte, sorgte der Schmerz, den die Israelis während der Kriege im Nahen Osten erlitten und den ihre Eltern in Europa durchmachen mussten, für ausdrucksstarke Filmproduktionen.
In „Aviyas Sommer“ (1988) spielt die berühmte Schauspielerin Gila Almagor ihre eigene Mutter. Im Film inspiriert die Witwe und Holocaust-Überlebende ihre einsame Tochter dazu, den Kindern in der Nachbarschaft die Stirn zu bieten, die sich über sie lustig machen, nachdem die Mutter ihr die Haare wegen eines Kopflausbefalls abrasiert. Der Film gehört zu den meistgesehenen israelischen Produktionen aller Zeiten und war Teil einer sich verändernden Haltung der gebürtigen Israelis gegenüber dem Holocaust – sie sahen ihn nicht mehr als Schande, sondern als Teil ihrer Psyche.
Die gleiche soziale Sensibilität zeigte sich in „Noa at Seventeen“ (1982), einem High-School-Drama über ein Mädchen, dessen Leben im Tel Aviv der 1950er Jahre ins Wanken gerät, als der Zusammenhalt in ihrer Familie im Zuge der Zersplitterung der Kibbuz-Bewegung, in Unterstützer und Gegner von David Ben-Gurion, zerstört wird.
Auf die gleiche therapeutische Weise rückten die israelischen Kriege allmählich vom Vordergrund in den Hintergrund der Filme.
Ja, die Israelis machten noch immer bedrückende Kriegsfilme wie „Late Summer Blues“ (1987), der die Geschichte einer Gruppe Zwölftklässler erzählt, die einen letzten Sommer zusammen verbringen, bevor einer von ihnen als Soldat im Abnutzungskrieg stirbt; oder „Ricochets“ (1986), der anhand des Einsatzes einer militärischen Einheit im Libanon verdeutlicht, wie im Krieg jeder zum Opfer wird.
Late Summer Blues“ (1987)
Diese düstere Stimmung verschwand jedoch in der romantischen Komödie „Song of the Siren“ (1995). Obwohl der Film in der Zeit spielt, in der Saddam Hussein Raketen auf Tel Aviv abfeuerte, ignoriert er das „grosse Ganze“ des Krieges und konzentriert sich stattdessen auf eine Werbefachfrau in ihren Dreissigern und ihren Verlobten, einen Lebensmittelingenieur, deren Ex-Partner wieder in ihre Leben treten.
Einen ähnlichen Ansatz wählt der beim Tribeca Film Festival für den besten Darsteller ausgezeichnete Film „Yossi & Jagger“ (2002). Auf den ersten Blick ist es ein Film über eine im Libanon stationierte Kampftruppe, doch in Wahrheit befasst er sich mit der homosexuellen Beziehung zwischen zwei Offizieren.
Dieser neue Fokus auf die Probleme des Alltags brachte Erfolge wie den für einen Oscar nominierten Film „Footnote“ (2012) hervor, ein Vater-Sohn-Drama über einen alternden und erfolgslosen Talmud-Professor, dem versehentlich der prestigeträchtige Israel-Preis verliehen wird, mit dem eigentlich sein Sohn ausgezeichnet werden sollte; oder auch „Hochzeit wider Willen“ (2001) über einen Philosophie-Doktoranden, der eine geheime Beziehung mit einer älteren geschiedenen Frau hat, während seine Eltern immer wieder ohne Erfolg versuchen, ihn mit Frauen aus ihrer konservativen georgischen Gemeinde zu verkuppeln.
Footnote“ (2012)
Solche Übergänge zu allgemeineren Inhalten und der Respekt, den sie dem israelischen Kino einbrachten, bildeten nur den Auftakt für den erstaunlichen Erfolg des israelischen Fernsehens in den letzten Jahren.
Das israelische Fernsehen
DAS ISRAELISCHE FERNSEHEN startete ganz bescheiden im Jahr 1968 mit einem einzigen Schwarz-Weiss-Kanal, dessen erster Wettbewerber erst nach 25 Jahren auf der Bildfläche erschien.
Die Eigenproduktionen des Senders erreichten nur selten ausländisches Publikum, und wenn doch, dann ging es ausschliesslich um nationale Inhalte. So auch in der hoch gelobten 19-teiligen Dokumentation „Pillar of Fire“ (1981) über die Geschichte des Zionismus, die später in den USA und in Deutschland ausgestrahlt wurde.
Der Übergang des israelischen Fernsehens hin zu allgemeineren Themen begann mit dem Export von „In Treatment“ (2005), einer Serie, die den Sitzungen eines Therapeuten mit seinen Patienten folgt. Die Hauptrolle in der von der New York Times als „hypnotisch“ bezeichneten Serie spielte der mittlerweile verstorbene Assi Dayan, Sohn des Kriegshelden Moshe Dayan – eine Versinnbildlichung des Übergangs der Filmindustrie zu post-heroischen, zivilen Themen.
Wie es sich für das Volk von Sigmund Freud gehört, war „In Treatment“ zudem die erste von Dutzenden israelischen TV-Serien, welche die ausländischen Zuschauer für sich einnahmen. HBO kaufte die Idee und adaptierte sie für den amerikanischen Markt, bevor die Serie für 20 weitere Länder angepasst und mit einem Golden Globe sowie einem Emmy ausgezeichnet wurde.
Auch mit „Yellow Peppers“ wurde ein israelisches TV-Konzept gekauft und abgewandelt. Die Serie handelt von den Schwierigkeiten einer Bauernfamilie mit dem Autismus ihres niedlichen 5-jährigen Sohnes. Die BBC kaufte das Konzept, machte daraus „The A Word“ und verlegte die Handlung aus der trockenen israelischen Arava-Senke in den grünen Lake District in England.
Die Welle der israelischen Dramaserien breitete sich über alle Genres aus – Beispiele sind die Seifenoper „Ramat Aviv Gimel“ über Intrigen zwischen den Reichen und Schönen, der Gerichtsthriller „Your Honor“ über einen Richter, der sich in die kriminelle Unterwelt hinabziehen lässt, die Sitcom „Traffic Light“ über das Leben junger Männer zwischen Ehe und Arbeit, die Reality-Show „The Gran Plan“, in der das festgefahrene Leben eines jungen Menschen in die Hände von drei Grossmüttern gelegt wird, oder das Crime-Dokudrama „Schatten der Wahrheit“, wo in vier Episoden ein wahrer Mordfall aus Sicht von Staatsanwaltschaft, Verteidigung, Verschwörungstheoretikern und eines zuvor unbekannten Zeugen analysiert wird.
Trailer „Schatten der Wahrheit“
„In Treatment“ wurde in 20 Ländern adaptiert, „The Gran Plan“ wurde Berichten zufolge in 25 Länder verkauft und „Schatten der Wahrheit“ in 190 Länder.
Der israelische Film reflektiert, wie sich die reisende und globalisierte israelische Gesellschaft intensiv mit der Aussenwelt auseinandersetzt, und reiht sich zwischen anderen israelischen Verkaufsschlagern von Software und Drohnen bis hin zu Bewässerungssystemen und Medikamenten ein – der israelische Film ist erwachsen geworden.
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