Süddeutsche Zeitung: „Ist ein Krieg zwischen Israel und Gaza noch zu verhindern?“ – Ein Faktencheck

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Foto Screenshot www.sueddeutsche.de
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Am 9. August 2018 publizierte die Süddeutsche Zeitung unter dem Titel „Ist ein Krieg zwischen Israel und Gaza noch zu verhindern?“, eine Videoanalyse mit dem deutschen Journalisten und Publizisten Stefan Kornelius.

 

Kornelius ist Leiter des aussenpolitischen Ressorts der in München erscheinenden Süddeutschen Zeitung. Er ist Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), einem Netzwerk und einer Denkfabrik für Aussenpolitik. Kornelius gehört darüber hinaus dem Beirat der Bundesakademie für Sicherheitspolitik (BAKS) an, einer ressortübergreifenden Weiterbildungsstätte der Bundesrepublik Deutschland auf dem Gebiet der Sicherheitspolitik. So heisst es in Wikipedia.

Der mehrfache Preisträger von Auszeichnungen und Ehrungen hat einen Videokommentar zum Nahostkonflikt abgeliefert, bei dem ihm etwas geglückt ist, was auch den besten Reportern vor Ort nur selten gelingt: Buchstäblich nicht ein einziger Satz ist frei von Ressentiment. In meinen langen Jahren als Israelkorrespondent ist mir so eine vollendete Leistung noch nicht untergekommen. Ich habe daher versucht, in einer klassischen Würdigung seiner Worte meinem tiefen Respekt Ausdruck zu verleihen.  Für den besseren Lesegenuss empfiehlt es sich, seinen kurzen und prägnanten Kommentar zu hören und zu schauen.

Beitrag Stefan Kornelius: „In der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag flogen 180 Raketen und Geschosse aus dem Gazastreifen auf israelisches Territorium. Die israelischen Streitkräfte flogen ihrerseits 150 Angriffe auf Ziele im Gazastreifen und richteten dort auch grosse Zerstörung an. Ist der Krieg also noch zu vermeiden?“

Ulrich Sahm: Merke: Raketen aus dem Gazastreifen „fliegen“ von niemandem abgeschossen einfach so auf israelisches Territorium. Sie landen nicht, sie treffen nicht, sie zerstören nichts und verursachen keine Verletzungen. Zwar wissen wir in Israel, dass dahinter die Hamas steht, zwar musste sogar die Säuglingsstation des Krankenhauses von Beersheba in Bunker verlegt werden, tausende Familien im Süden Israels sind traumatisiert, aber Herr Kornelius vermeldet uns davon nichts. Demgegenüber fliegt die israelische Luftwaffe nicht nur Angriffe, was sehr viel gefährlicher klingt, sondern „richtet auch grosse Zerstörungen“ an. All das  berichtet uns der Herr Kornelius. Allerdings berichtet er nicht was zerstört wurde: Waffendepots der Hamas und Kommandozentren.

„Seit März beobachten wir die Eskalation des Konfliktes, seitdem die Amerikaner nämlich ihre Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem verlegt haben und seitdem Bewohner des Gazastreifens, angeführt von Hamas- Aktivisten, an der Grenze zum Teil auch sehr gewaltsam gegen Israel protestiert haben. Israel hat sich gewappnet, hat die Grenze verteidigt- den Grenzzaun, wie es immer nur hiess-“

Weil die Amerikaner „nämlich“ ihre Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem verlegt haben, und seitdem Bewohner des Gazastreifens „auch sehr gewaltsam protestiert haben (gegen was eigentlich? Gewiss nicht wegen der Botschaft, sondern weil sie Israel stürmen wollen!) beobachtet Herr Kornelius die „Eskalation“. Israel verteidigt die Grenze, „den Grenzzaun, wie es immer nur hiess“. Hätte Israel sich überrennen lassen sollen? Was dann mit den Bewohnern passiert wäre, sagt Herr Kornelius nicht.  

 „…darauf hat die Hamas die Strategie verändert und mit Flugdrachen israelisches Territorium angegriffen. Es kam zu Buschfeuern, es kam zu einer Bedrohung und vor allem zu einer grossen Unruhe innerhalb der israelischen Bevölkerung.“

Die Hamas „hat mit Flugdrachen israelisches Territorium angegriffen“. Interessante Formulierung. Solange da nur „Territorium“ angegriffen wird, kann man ja beruhigt sein. Offenbar handelt es sich um ein paar kahle Hügel in der Wüste. Also alles nicht weiter schlimm. Dass an den Flugdrachen Brandsätze hingen, vergass Herr Kornelius zu erwähnen. Tausende Quadratkilometer verbrannter Wälder und Weizenfelder, abgefackelte Naturschutzgebiete samt Bienenstöcken und hunderter brütender Vögel, die Schreie der Tiere über der brennenden Wüstenlandschaft, Raketenalarm im Minutentakt und die Angst der Bauern in den Kibbuzen, sind wohl für ihn nicht erwähnenswert. Die Bedrohung kam nur irgendwie, quasi aus heiterem Himmel, genauso wie die Unruhe der israelischen Bevölkerung im Süden, die seit Wochen keine Nacht mehr schlafen kann. Ebenso wenig erwähnenswert sind für Herrn Kornelius mit Drachen, Luftballons und gasgefüllten Kondomen eingeflogene Sprengsätze, die auf Kinderspielplätzen landen.

„Seit wenigen Wochen nun hat sich das Ganze auf die militärische Ebene verlagert. Raketen fliegen und die israelische Luftwaffe schiesst dagegen. Die Frage ist eben nur, wie kann dieser Konflikt gestoppt werden.“

Jetzt hat sich alles auf die „militärische Ebene verlagert“? Seit wann ist der Gazastreifen ein anerkannter Staat und seit wann hat die Hamas eine stehende Armee, also Militär? Und schon wieder „fliegen“ die Raketen, offenbar ohne, dass sie jemand zündet und auch ohne, dass sie landen. Wieder ist es nur die israelische Luftwaffe, die tut etwas, die „schiesst dagegen“. Merke: Gefährlich ist nur Israel.

 „Vermittler der Vereinten Nationen und aus Ägypten sind eigentlich gescheitert. Die Hamas signalisiert zwar immer wieder ihren Friedenswillen“

Hamas signalisiert immer wieder ihren „Friedenswillen“: Wo bitteschön, wann und mit welchen Worten hat die Hamas (von UN und Europa – ausser Schweiz – als Terrororganisation gesehen) ihren „Friedenswillen“ ausgerechnet mit Israel bekundet? Herr Kornelius müsste uns zumindest auf eine dieser Friedensbekundungen von Hamas aufmerksam machen – denn ausser ihm scheint niemand diese gehört zu haben. Doch davon kann auch ein Herr Kornelius nicht berichten.  

…aber gleichzeitig möchte sie demonstrieren, dass sie Israel nicht das Recht zubilligt, alleine über die Regeln dieses Konfliktes zu bestimmen.

Herr Kornelius meint, dass die Hamas lediglich demonstrieren möchte, dass sie „Israel nicht das Recht zubilligt, alleine über die Regeln des Konflikts zu bestimmen“ Wie bitte? Ist es etwa bisher nicht die Hamas; die Raketen „fliegen“ lässt, jüngst sogar bis Beerscheba, und täglich (trotz eines angeblichen Waffenstillstandes) bis zu 10 Waldbrände verursacht? Sind das etwa keine „Regeln“?

„In Israel selbst gerät Premier Netanjahu unter Druck der Hardliner, die sich umgekehrt den Druck der Hamas nicht gefallen lassen wollen.“

Wer oder was ist eigentlich ein „Hardliner“? Niemand in Israel, weder Hardliner noch Weicheier wollen sich dem Druck der Hamas beugen, denn das hiesse, kollektiv Selbstmord zu begehen. Doch das erwähnt Herr Kornelius nicht.

„Beide Seiten wissen, dass ein Krieg die Probleme des Gazastreifens nicht lösen wird. Im Kern dieses jüngsten Konfliktes steht nämlich die Erkenntnis, dass dieses Fleckchen Land nicht bewohnbar und nicht regierbar ist.“

„…dass dieses Fleckchen Land nicht bewohnbar und nicht regierbar ist.“ Einer der schönsten Küstenstreifen am Mittelmeer, seit Jahrtausenden besiedelt, ist unbewohnbar? Und regiert da niemand? Was macht denn die Hamas, wenn sie nicht in Gaza regiert?

„Nicht unter den Konditionen, die Israel seit dem letzten Krieg 2014 aufgezwungen hat und immer stärker durchsetzt.“

Konditionen, die Israel aufgezwungen hat, und das seit 2014. Wem hat Israel da eigentlich Konditionen aufgezwungen? Falls Herr Kornelius die Blockade meint, so kam die schon kurz nach der Machtübernahme der Hamas 2007. Herr Kornelius versäumt auch zu erwähnen, dass die Hamas mit Attentaten die Schliessung aller Warenübergänge erzwungen hat. So wie er nichts darüber sagt, wer jüngst die Gas- und Ölleitungen im (letzten offenen) Übergang Kerem Schalom verbrannt hat. Und wer kontrolliert eigentlich die Grenze südlich des Gazastreifens? Liegt da nicht irgendwo Ägypten? Alles Konditionen, die Israel aufgezwungen hat?

„Wird es also zu einem wirklichen Krieg kommen? Die politische Vernunft sagt: Nein. Denn Israel hat kein Interesse, die Hamas wegzufegen und es am Ende mit einer noch radikaleren Gruppierung zu tun zu haben. Und auch die Hamas hat kein Interesse, ihre letzten Pfründe im Gazastreifen zu verlieren. Ob am Ende aber die politische Vernunft gewinnt, oder ob doch die Logik der Gewalt siegt, dass weiss im Nahen Osten niemand.“

Wenn Gaza nach Kornelius Worten nicht „regierbar“ sei, was tun denn dort die Hamas und noch „radikalere Gruppen“. Was bedeutet bei Kornelius das Wort „radikal“?

„Krieg“ ist zudem ein Fachbegriff, wobei stehende Armeen zweier Staaten mit ihren uniformierten Soldaten aufeinander schiessen. Einen „wirklichen Krieg“ kann es also gar nicht geben. Oder meint der Sicherheitsfachmann Kornelius eine „Militäroperation“? In Israel steht ein „wegfegen der Hamas“ nicht zur Debatte, sondern vielmehr eine erneute israelische Militärbesatzung, wodurch die Hamas und die „radikelaren Gruppen“ weggefegt würden. Doch jeder in Israel weiss, welch hoher Preis dafür gezahlt werden müsste, weshalb selbst die von Herrn Kornelius erwähnten „Hardliner“ davor zurückschrecken. Ob tatsächlich die Hamas fürchtet, „ihre letzten Pfründe“ zu velieren, ist eine gute Frage. Denn bei den letzten israelischen Militäroperationen von 2009 und 2014 hat sie nur dazugewonnen. Die kaputten Häuser lassen sich mit Milliardenspenden der Europäer wieder errichten. Und je mehr Tote es als „menschliche Schutzschilde“ gibt, desto mehr Anerkennung erhält die Hamas in der Welt und kann so ihr Terror-Regime weiter festigen. Es stärkt die Hamas auch bei ihrem Zwist mit der Autonomierbehörde in Ramallah, wenn sie heldenhaft den bösen Zionisten die Stirn bietet und Widerstand leistet. Widerstand gegen ein „Besatzungsregime“ (trotz israelischem Rückzug aus Gaza 2005) goutiert und legitimiert sogar die UNO.

Von wem erwartet Herr Kornelius schliesslich „Politische Vernunft“ und was versteht er unter „Logik der Gewalt“? Das beantwortet uns Herr Kornelius nicht.

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Über Ulrich W. Sahm

Ulrich W. Sahm, Sohn eines deutschen Diplomaten, belegte nach erfolgtem Hochschulabschluss in ev. Theologie, Judaistik und Linguistik in Deutschland noch ein Studium der Hebräischen Literatur an der Hebräischen Universität in Jerusalem. Seit 1975 ist Ulrich Sahm Nahost-Korrespondent für verschiedene deutschsprachige Medien und berichtet direkt aus Jerusalem.

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4 Kommentare

  1. Leider passen die Aussagen von Ressortleiter Kornelius ganz ausgezeichnet zur allgemeinen Haltung der SZ. Trotz starker Konkurrenz hält die SZ in Sachen Israelhass seit langem eine Spitzenposition.

  2. SEHR guter Beitrag! Seitdem ich mich mit dem Nahost-Konflikt beschäftige und mehrfach mit Bewohnern vor Ort gesprochen habe, fällt mir diese einseitige Berichterstattung insbesondere der Süddeutschen auf. Trickreich geschrieben, trickreich gesprochen – wunderbar verzogenes Bild beim Leser erzeugt. Guter und seriöser Journalismus sieht anders aus. Die Krönung liegt auf der Betonung, dass die Hamas wiederholt um Frieden bemüht sein bzw. diesen wolle. Ähnlich lautende Töne vernimmt man auch von Palästinensern vor Ort, ich zitiere: „Wissen Sie, wenn die israelische Regierung die Gaza-Grenze einfach öffnen würde, würde die Hamas friedlich leben und sich in Israel „integrieren“ können…“ Einen größeren Unsinn habe ich selten gehört.

  3. Die deutsche Außenpolitik und die allermeisten deutschen „Qualitäts“medien sind leider nicht mehr hilfreich, wenn es um kompetente Analysen der Situation in Nahost geht. Die SZ ist in Bild und Wort das führende Sprachrohr der Israelgegner. (Die FAZ holt auf.)

    Wenn Leute wie der SZ-Politikchef Kornelius auch in der Gesellschaft für Auswärtige Politik und der Bundesakademie für Sicherheitspolitik sein dürfen, wird es mich nicht mehr wundern, wenn man deutsche Politikberatung, deutsche Politik und deutsche Pressearbeit der Einfachheit halber demnächst in palästinensische Hände übergäbe. Frau Chebli in Berlin hat ja schon den Anfang gemacht.

  4. Herr Kornelius hat eben eine gestörte Wahrnehmung.
    Das Schlimme hierbei ist,dass er diese, in einer großen deutschen Zeitung,veröffentlichen darf.

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