Wie ein Bierhersteller den Nazis half, Krematorien für KZs zu bauen

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Verbrennungsofen der Firma J. A. Topf & Söhne im Krematorium, KZ Buchenwald. Foto © 1971markus@wikipedia.de, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=37333761
Verbrennungsofen der Firma J. A. Topf & Söhne im Krematorium, KZ Buchenwald. Foto © 1971markus@wikipedia.de, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=37333761
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Die Stadt Erfurt im Bundesland Thüringen in Mitteldeutschland ist durch einen ungewöhnlichen Grund berühmt. Dort befindet sich das einzige Holocaust-Mahnmal, das auf dem Grundstück eines Industriebetriebs steht. Die Geschichte hinter diesem Mahnmal wird im neuen Buch von Karen Bartlett, „Architects of Death“ (dt.: Architekten des Todes) behandelt.

 

von Neville Teller

Das Unternehmen, um das es geht, hiess J. A. Topf & Söhne, eine Firma, die Ende des 19. Jahrhunderts gegründet wurde, um Bier zu brauen, unter Verwendung der patentierten Hochleistungs-Feuerung von Johannes Andreas Topf für das Erhitzen von Malz, Hopfen und Wasser. In ihrem akribisch recherchierten Bericht zeichnet Bartlett Schritt für Schritt nach, wie dieses typische deutsche Kleinunternehmen zu einem Grosslieferanten für die SS wurde und die Verbrennungsöfen lieferte, die in den Konzentrationslagern der Nazis dazu verwendet wurden, Millionen von Menschen zu ermorden.

Bartlett zeigt zweifelsfrei auf, dass die Brüder, die die Firma während der Nazi-Zeit leiteten, und auch die Ingenieure, Beamten und andere Mitarbeiter, die an diesem Geschäft mitwirkten, sich der beabsichtigten Nutzung dieser Krematorien vollständig bewusst waren. Das Unternehmen unternahm keine Anstrengungen, um seine Beteiligung zu verbergen – tatsächlich prägte es sein Topf-Logo gut sichtbar auf die Metallteile der Gasöfen und erreichte dadurch eine Art Unsterblichkeit, als die Berichterstattungen der Nachkriegszeit die Krematorien des Holocausts filmten.

Werbung Regulierfeuerung System S. A. Topf & Söhne, Erfurt in: Der Böhmische Bierbrauer, Heft Nr. 2/1891. Foto PD

Während der 1930er Jahre führte die Tätigkeit der Firma im Bereich Feuerungssysteme zu der Entwicklung einer mobilen Müllverbrennungsanlage. Im Mai 1939, als das Konzentrationslager Buchenwald bereits in Thüringen existierte und sich die Leichen stapelten, konnten die lokalen Krematorien die Mengen nicht aufnehmen und die SS wandte sich an Topf & Söhne. Dessen Chefingenieur, Kurt Prüfer, passte die Müllverbrennungsanlage des Unternehmens an, um daraus einen mobilen, mit Öl betriebenen Krematoriumsofen zu machen. Darauf folgte eine erste Bestellung von drei mobilen Öfen und die Firma befand sich auf dem Weg zu ihrer umfangeichen Beteiligung am Holocaust.

Als das Netzwerk der Konzentrationslager wuchs und die SS immer effizientere Systeme für die Entsorgung der Leichen verlangte, widmete sich Prüfer der Entwicklung von technischen Verbesserungen für seine Öfen und Topf & Söhne erweiterte seine Produktionskapazitäten dementsprechend. Die meisten, die an diesen grausigen Geschäften beteiligt waren, zeigten keinerlei Anzeichen von moralischen Einwänden.

Krematorien mit einer Brennkammer wurden durch solche mit zwei, später mit drei ersetzt. Auf mobile Öfen folgten bald feste Krematorien innerhalb der Lager. Zunächst in Buchenwald, wo Prüfer und das Team von Topf & Söhne vier leistungsstarke Maschinen aufbauten, in denen täglich insgesamt 9.000 Leichen verbrannt werden konnten. Auf den Einsatz in Buchenwald folgte Dachau, dann Mauthausen und dann Auschwitz-Birkenau.

Nach der berüchtigten Wannsee-Konferenz im Januar 1942, bei der führende Nazis der Umsetzung von Hitlers Endlösung zustimmten, wurde das abscheuliche, unmoralische Geschäft noch eifriger verfolgt.

Bei Treffen der hochrangigen SS-Offiziere in Auschwitz, bei denen das Design und die Funktion der Gaskammern in den Bunkern 1 und 2 beurteilt wurden, bot Prüfer an, Brennöfen mit acht Kammern für jeden Bunker zu entwerfen und zu liefern.

Schreiben von Kurt Prüfer an seine Firma bezüglich benötigter Krematoriumsöfen und deren Kapazität vom 8. September 1942. Foto PD

Diese bereitwillige Beteiligung der Ingenieurtechnik-Abteilung der Firma Topf an einem absolut unmoralischen Unterfangen infizierte das gesamte Unternehmen. Fritz Sander, ein langjähriger und äusserst respektierter Mitarbeiter der Firma Topf, war der Leiter der Abteilung für den Bau der Ofenanlage. Da er eifersüchtig auf den Erfolg Prüfers bei der Entwicklung von immer effizienteren Methoden zur Vernichtung von Leichen war, entschied er sich dazu, das Problem selbst in die Hand zu nehmen und erfand einen “Leichenverbrennungsofen für den Massenbetrieb” und meldete ein Patent an.

Als Sander nach dem Krieg von den sowjetischen Behörden verhört wurde – damals stand die gesamte Führungsriege der Firma Topf mit Ausnahme von einem der Topf-Brüder, der Selbstmord beging, bereits vor Gericht –, gab er an, dass sein Krematorium „wie das Förderband-System konzipiert wurde, um die Leichen kontinuierlich über mechanische Funktionen in die Öfen zu transportieren“.

Ein solches Krematorium wurde nie gebaut, aber im Jahr 1943 war Prüfer eifrig dabei, die Erweiterung der Todesfabrik von Auschwitz zu planen. Sein Konzept eines sechsten Krematoriums basierte auf industriellen Ringöfen mit kontinuierlichem Verbrennungsprozess, die eine zentrale Kraftstoffquelle nutzten und die Kosten um bis zu 70 % senkten. Zu dem Zeitpunkt, als die Firma bereit gewesen wäre, das Projekt umzusetzen, stand Deutschland bereits mit dem Rücken zur Wand und das Genozid-Projekt der Nazis kam zum Stillstand.

Die erste Untersuchung der Beteiligung der Firma Topf am Holocaust wurde vom US Counter Intelligence Corps am Tag nach der Befreiung von Buchenwald im April 1945 durchgeführt. Amerikanische Offiziere hatten das Logo der Firma Topf, das auf den Öfen prangte, gesehen. Im Juli wurde die Stadt Erfurt von den Amerikanern an die Sowjet-Streitkräfte übergeben und darauffolgend wurden die drei Leiter der Firma Topf wegen „strafrechtlicher Verantwortlichkeit für ihre Beteiligung an den schrecklichen Straftaten der Hitler-Anhänger in den Konzentrationslagern“ angeklagt und der Fall wurde vom russischen Rechtssystem akribisch untersucht.

Das Denkmal vor dem Verwaltungsgebäude von Topf & Söhne in Erfurt. Foto Michael Sander, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=15083972

Entschuldigungen, Erklärungen und Ausweichversuche liess man nicht gelten. Alle drei gestanden die Verbrechen, für die sie angeklagt waren, und wurden ohne Gerichtsverhandlung für schuldig befunden. Alle wurden zu 25 Jahren Zwangsarbeit verurteilt. Prüfer starb 1952 im Gefängnis. Die beiden anderen Verurteilten wurden nach neun Jahren im Rahmen der Einigung zwischen Deutschland und der Sowjetunion zur Amnestie für Kriegsgefangene entlassen.

In ihrem Buch „Architects of Death“ beschreibt Bartlett in beeindruckenden Details, wie ein ganz normales Fertigungsunternehmen dazu kam, die absolute Sittenlosigkeit der Geschäfte, die sie suchte, durchführte und förderte, zu ignorieren. Es ist teilweise nicht gerade angenehm zu lesen, aber es ist zweifellos sehr lehrreich.

Neville Teller wurde in London geboren und studierte an der Oxford University. Er kommentiert seit gut 30 Jahren das politische Geschehen im Nahen Osten und hat vier Bücher zu dem Thema veröffentlicht. Auf Englisch zuerst erschienen bei The Jerusalem Post.