Die SDA als Informationsquelle im Nahostkonflikt – ein Faktencheck

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Foto CC0 Public Domain
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Die Basellandschaftliche Zeitung und andere Schweizer Regionalzeitungen, haben einen Hintergrundartikel zum Thema Status von Jerusalem veröffentlicht, übernommen von der Schweizerischen Depeschenagentur (SDA). Darin sind so viele Fehler und ungenaue Formulierungen enthalten, dass man sich fragen muss, wieviel Fantasie den Autoren erlaubt werden muss.

 

Schon der erste Satz enthält gleich zwei Fehler: „Der Umzug der US-Botschaft in Israel von Tel Aviv nach Jerusalem ist ein klarer Bruch mit der jahrelangen US-Politik – bedeutet er doch die de-facto-Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels.“ Nein es ist kein „Bruch“ der amerikanischen Politik, denn seit 25 gibt es ein Gesetz des Kongresses, die Botschaft nach Jerusalem zu verlegen. Alle Präsidentschaftskandidaten seit Bill Clinton haben während des Wahlkampfes geschworen, dieses Gesetz umsetzen zu wollen. Ist es wirklich ein politischer Bruch, wenn Donald Trump jetzt sein Wahlkampfversprechen getreulich einlöst?

Dann heisst es da, dass dies einer de-facto-Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels gleichkomme. Wieder falsch! De facto ist Jerusalem als Hauptstadt schon seit 1950 von den USA und allen anderen Staaten anerkannt, indem nämlich alle offiziellen Treffen mit Diplomaten und Besuche der Präsidenten immer in Jerusalem stattfinden. Es geht um die „de jure“-Anerkennung.

Völkerrechtliche Grundlage

Unter dem Zwischentitel heisst es nun: „Die Vollversammlung der Uno nahm am 29. November 1947 die Resolution 181 zur Teilung Palästinas an, das zuvor unter britischer Mandatsverwaltung stand.“ Die Autoren können nicht einmal das Datum richtig lesen. 1947 war Palästina noch britisches Mandatsgebiet. Wegen der Kämpfe im Land versuchte die UNO-Vollversammlung eine „Lösung“ für die Zeit nach dem britischen Rückzug zu finden.

Übrigens sind Resolutionen der Generalversammlung nur „unverbindliche Empfehlungen“ und haben keine völkerrechtliche Bedeutung. Nur der Sicherheitsrat kann bindende Beschlüsse fassen.

Ohne erst mal das Vorgehen Jordaniens darzustellen, nämlich Eroberung und Annexion von Ost-Jerusalem, was nur Pakistan anerkannt hat, heisst es gleich: „Im Sechs-Tage-Krieg 1967 besetzte Israel den Ostteil Jerusalems, der bis dahin unter jordanischer Oberhoheit stand. 1980 wurde Ost-Jerusalem von Israel annektiert.“

Es sei hier angemerkt, dass kein Völkerrecht regelt, wo ein Staat seine Hauptstadt einrichten darf oder muss. Entscheidend ist nur, dass sich die deklarierte Hauptstadt in ihrem Staatsgebiet und unter ihrer Kontrolle befindet. 1950 wurde West-Jerusalem zur Hauptstadt Israels erklärt. Wegen des schon zitierten Teilungsbeschlusses der UNO von 1947 glauben manche Länder, dass Jerusalem doch eigentlich als Corpus separatum unter UNO-Kontrolle zu stehen habe. Dabei wird ausser acht gelassen, dass es Krieg der arabischen Staaten gegeben hat, und dass die vorgesehenen Grenzen des vorgeschlagenen jüdischen und arabischen Staates irrelevant worden waren. Und wenn sich alle Welt nur über Israels Eroberung von Westjerusalem aufregt, warum hat dann niemand Jordaniens ebenso widerrechtliche Einnahme und Annexion von Ostjerusalems beanstandet? Zudem hat die UNO niemals seine Kontrolle über jenen „Corpus Sepratum“ verwirklicht. Das hätte sie freilich gegen den Willen von Israel und Jordanien 1948 tun müssen.

Falsch ist da auch, dass Israel erst 1980 Ostjerusalem annektiert habe. Die formale Übertragung der israelischen Staatsgesetze auf das frisch eroberte Gebiet im erweiterten Ost-Jerusalem hat Israel schon 1967 vollbracht. 1980 wurde das nur noch einmal deklarativ als Gesetz verankert. Geändert hat sich dadurch nichts.

„Die Palästinenser wollen Ost-Jerusalem zu ihrer Hauptstadt machen. Doch die seit Jahrzehnten betriebene Gründung eines Palästinenserstaates kommt kaum voran.“ Dass die Palästinenser, die es 1967 bei der israelischen Annexion formal noch gar nicht gab, etwas wollen, ist ziemlich irrelevant, solange sie noch nicht den von ihnen „betriebenen“ Staat verkündet haben. Den Begriff „Palästinenser“ anstelle von „Araber aus dem Mandatsgebiet Palästina“ hat Jassir Arafat erstmals 1968 in die PLO-Charta eingefügt. Bis 1974 war sogar in der UNO das Wort „Palästinenser“ unbekannt. Deshalb war bis dahin niemand auf die Idee gekommen, ihnen einen Staat oder gar Ost-Jerusalem als Hauptstadt zu übergeben.

Vertagung auf die Zukunft

Das nennt sich Willkür oder politische Opportunität.

„Für die meisten Staaten ist die Frage nach dem endgültigen Status von Jerusalem vertagt.“ Wieder falsch, solange die „meisten Staaten“ sich an den niemals umgesetzten Teilungsplan der UNO von 1947 gehalten haben. Es fragt sich, wie denn der französische Botschafter seine offizielle Residenz in Jaffo südlich von Tel Aviv beziehen konnte. Dieses Gebiet hätte doch eigentlich dem von UNO vorgeschlagenen „arabischen Staat“ zugeschlagen werden müssen. Offenbar richten sich die Staaten nach der durch Krieg entstandenen Wirklichkeit neuer Grenzen in Palästina nur dort, wo es ihnen politisch gerade passt. Das nennt sich Willkür oder politische Opportunität und hat mit „Völkerrecht“ nichts zu tun.

„Sie (die Staaten) erwarten von Israel und von den Palästinensern eine Friedensregelung mit einer Zwei-Staaten-Lösung. Der Status Jerusalems soll bei diesen Verhandlungen geklärt werden.“ Diese „Erwartung“ wurde erst ab den 1980er Jahren formuliert. Und wieder geht es darum, anstelle des nie umgesetzten UNO-Vorschlags den Palästinensern ein Mitrederecht einzuräumen, obgleich sie bis heute nicht einmal ihren Staat verkündet haben. Die „Zwei-Staaten-Lösung“ wird zwar als alternativloser Vorschlag dargestellt, solange das aber weder die betroffenen Palästinenser noch die Israelis wirklich wollen, lässt sich dieser Vorschlag nicht umsetzen.

„Die Vertagung auf eine ungewisse Zukunft ist aus palästinensischer Sicht riskant. Inzwischen leben im Westjordanland und im Ostteil Jerusalems mehr als 600’000 israelische Siedler.“ Was haben die Siedler im Westjordanland mit dem Status von Jerusalem zu tun? Die Autoren hätten genauso gut die 8 Millionen Israelis im Staat Israel und die 2,4 Millionen arabischen Bewohner des Westjordanlandes erwähnen können. „Riskant“ ist freilich auch, dass die rund 300.000 Araber in Ost-Jerusalem, von denen viele in den „israelischen Siedlungen“ leben, keine Palästinenser sind. Da sie nicht in den Autonomiegebieten (Ramallah, Bethlehem usw) leben, haben sie keinen palästinensischen Pass in der Tasche, sondern bis heute einen jordanischen. 1967 hatten sie mehrheitlich die angebotene israelische Staatsbürgerschaft verweigert.

Tabubruch durch Trump

„Schon im Wahlkampf kündigte Trump an, er wolle Jerusalem als “unteilbare Hauptstadt” Israels anerkennen.“ Warum wird dieser „Tabubruch“ allein Trump vorgeworfen und nicht seinen Vorgängern Clinton, Bush und sogar Obama? Alle haben diesen „Tabubruch“ während ihres Wahlkampfes begangen.

Religiöse Bedeutung

„Den teils künstlich aufgeschütteten Hügel in der Südostecke der Jerusalemer Altstadt verehren die Juden als “Tempelberg” und die Muslime als “Das edle Heiligtum”. Bis vor 2000 Jahren befanden sich dort vermutlich der Tempel von König Salomon und geschichtlich gesichert der unter Herodes stark ausgebaute Zweite Tempel.“

Die Autoren sollten sich mal intensiver mit Jerusalemer Archäologie befassen. Es gibt zahlreiche archäologische Beweise für die Existenz eines Tempels dort in der Zeit des Königs Salomon. Teile der Umfassungsmauer im Osten des Berges sind einwandfrei 3000 Jahre alt, also lange vor Herodes errichtet worden.

Weiter heisst es: „Der einzige Überrest des Tempels, die Klagemauer an der Westseite des Plateaus, dient heute als zentrale Gebetsstätte.“ Wieder falsch! Die Klagemauer ist ein Rest der von Herodes und seinen Nachfolgern errichteten Umfassungsmauer. Der Tempel stand oben auf dem Berg. Die Juden beten dort, weil es jene für sie zugängliche Stätte ist, die dem Allerheiligsten auf dem unzugänglichen Tempelberg am nächsten ist. Bis heute ist es Juden streng verboten, auf dem vom Moslems verwalteten Tempelberg zu beten.

„Wie brisant das Thema Tempelberg ist, zeigt ein Vorfall aus dem Jahr 2000: Der damalige Oppositionsführer Ariel Scharon von der rechtsgerichteten israelischen Likudpartei besuchte in einem als Provokation wahrgenommenen Schritt die Al-Aksa-Moschee. Danach begann die zweite Intifada.“ Auch diese Behauptung ist falsch, wie das die Autoren durch eine schnelle Recherche feststellten könnten. Was sie da behaupten ist die übliche palästinensische Propaganda. Scharon hat zudem die El Aksa Moschee nicht betreten.

Der Besuch von Scharon auf dem Plateau war mit den Palästinensern abgesprochen und konnte deshalb von einem israelischen Gericht nicht wegen „öffentlicher Ruhestörung“ verboten werden. Der Besuch wurde dann aber von der palästinensischen Führung benutzt, um den Israelis die „Schuld“ für den Ausbruch der Intifada und Tausenden Toten in die Schuhe zu schieben. Erwiesene Tatsache ist, dass die schweren Unruhen der „El Aksa Intifada“ erst einen Tag später nach dem Freitagsgebet ausbrachen. Zudem haben Jassir Arafat und Marwan Barghouti diesen Aufstand schon seit Mai 2000 sorgfältig geplant.

Über Ulrich W. Sahm

Ulrich W. Sahm, Sohn eines deutschen Diplomaten, belegte nach erfolgtem Hochschulabschluss in ev. Theologie, Judaistik und Linguistik in Deutschland noch ein Studium der Hebräischen Literatur an der Hebräischen Universität in Jerusalem. Seit 1975 ist Ulrich Sahm Nahost-Korrespondent für verschiedene deutschsprachige Medien und berichtet direkt aus Jerusalem.

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