Das makabre Nullsummenspiel an der Grenze zwischen dem Gazastreifen und Israel

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Foto Abed Rahim Khatib/Flash90
Foto Abed Rahim Khatib/Flash90
Lesezeit: 5 Minuten

Der einzige Weg, um diesen kranken Zustand zu beenden, ist, der Hamas die Kontrolle im Gazastreifen zu entziehen und die wirtschaftliche Entwicklung dort zu fördern.

 

von Shawn Zelig Aster

Die bei den Unruhen am Freitag (30. März 2018, Anm. d. Red.) auf tragische Weise ausgelöschten sechzehn Menschenleben und Tausende verwundete Bewohner des Gazastreifens verlangen eine Erklärung. Wie beim Gazakrieg von 2014 fällt es der Welt schwer, den Grund für die Reaktion Israels zu verstehen.

Die Film- und Fotoaufnahmen von Hunderten Demonstranten, die sich, bewaffnet mit brennenden Autoreifen, am Zaun versammelten, werfen die offensichtliche Frage auf: Ist eine letale (tödliche) Reaktion erforderlich? Oder, um es anders auszudrücken, wessen Leben wäre in Gefahr, wenn Israel den Einwohnern des Gazastreifens erlauben würde, sich dem Zaun zu nähern? Könnte Israel nicht Tausende Gazaner im Zaum halten oder sie hereinlassen, ohne die Waffen sprechen zu lassen?

Als Einwohner Süd-Israels und einem von Millionen Elternteilen, die nur 60 Kilometer vom Grenzzaun entfernt leben, wird meine Perspektive von den Ereignissen der vergangenen zehn Jahre geprägt. Seit die Hamas die Kontrolle über den Gazastreifen übernommen hat, hat sich ein makabres Spiel entwickelt, in dem die Grundfrage lautet: meine Kinder oder deine?

Die Hamas unterstützt aktiv die Ermordung von Israelis, egal in welcher Form. Dutzende Tunnel wurden von der Hamas unter dem Zaun hindurch gegraben, um Angreifer nach Israel zu schleusen. Unter dem Deckmantel der Unruhen vom 30. März erreichten drei Männer den Nordsektor des Grenzzauns und versuchten, nach Israel einzudringen. Das, was wir am meisten bei solchen Versuchen fürchten, ist eine Wiederholung des Eindringens in Privathäuser wie im vergangenen Juli geschehen. Damals wurden drei Mitglieder der Familie Solomon getötet. Oder bei der Messerstecher-Tour im November 2015 in Kiryat Gat, als vier Israelis, darunter ein Teenager, erstochen wurden. Es waren von der Hamas inspirierte Terroristen, die diese Gräueltaten verübten. Diese und Dutzende Angriffe mit Autos und Messern in Jerusalem haben Israelis jeglicher Couleur zum Ziel.

Wie im Sommer 2014 steht Israel im Gazastreifen auch jetzt vor einer unmöglichen Wahl. Bei den Unruhen am Freitag lag die Entscheidung auf der Hand: entweder das Risiko eingehen und Tausenden Bewohnern des Gazastreifens erlauben, an den Zaun und nach Israel zu gelangen – wohlwissend, dass unter der Deckung der vielen Tausend einzelne Mörder nach Israel gelangen würden – oder den Zugang der Tausenden blockieren und tödliche Schüsse abgeben, wenn es mit Tränengas nicht gelingt, ihr Vorwärtsschreiten zu stoppen.

Die Hamas hat Israel dieses zynische Spiel aufgezwungen.

Wie Millionen andere Israelis, die im Grenzgebiet zum Gazastreifen leben, betrauere auch ich den Tod der sechzehn getöteten Menschen. Gleichzeitig ist mir jedoch auch bewusst: Wären sie nicht getötet worden, wären unsere eigenen Bürger getötet worden. Seit die Hamas an die Macht gelangt ist, hat dieses kranke Nullsummenspiel jeden vernünftigen Diskurs ersetzt: töten oder getötet werden. Die Hamas hat Israel dieses zynische Spiel aufgezwungen.

Aber das muss nicht sein. Der Gazastreifen ist eine Region mit erheblichem landwirtschaftlichem Potential. Historisch betrachtet, lag Gaza an einem Kreuzungspunkt Dutzender Handelsrouten und war eine der reichsten Städte an der Küste des Mittelmeers. Die von den Ägyptern der „Preis des Herrschers“ genannte Stadt wurde von den Assyrern als eines der Kronjuwelen ihres Reiches betrachtet. Auch heute könnte Gaza wieder ein bedeutender Dreh- und Angelpunkt werden und seine landwirtschaftliche und touristische Infrastruktur entwickeln. Ebenso wie Israel könnte es Entsalzungsanlagen errichten und die Wüstenbildung umkehren.

Hunderte Morgen Land südwestlich von Gaza waren einst blühende israelische Siedlungen, bevor sie im Rahmen des Camp-David-Abkommens von 1979 an Ägypten gegeben wurden. Dieses Areal hat das Potential, Siedlungen mit Wohnhäusern für die Bürger Gazas Raum zu geben und so die gefährlich hohe Bevölkerungsdichte der Region Gaza abzuschwächen.

Stattdessen entscheidet sich die Hamas dafür, den Konflikt mit Israel zu verschärfen, droht, Terrorismus in Israel zu entfesseln und ein krankhaftes Kalkül zu kreieren, das da lautet: „Wenn ihr uns nicht tötet, töten wir euch“.

Das gleiche Kalkül provozierte auch den Gazakrieg von 2014, dessen Geister uns bis heute verfolgen. Wer ist nicht schockiert und erschüttert, wenn er die Bilder der Familie Kafarneh aus Beit Hanoun im nördlichen Gazastreifen sieht, die mehrere Kinder beerdigt, die durch israelischen Beschuss zu Tode kamen? Aber während mich ihr Tod mit Trauer erfüllt und ich von den Bildern erschüttert bin, erkenne ich gleichzeitig, dass die Alternative zum israelischen Konterangriff im Jahr 2014 der fortgesetzte Abschuss von Raketen auf Israel durch die Hamas gewesen wäre. Hätte Israel versagt, als es darum ging, diese Raketen aufzuhalten oder zu stoppen, wäre das Ergebnis der Tod von Dutzenden weiteren Israelis gewesen, einschliesslich unserer eigenen Kinder.

Das Grauen angesichts hunderter toter Zivilisten im Gazastreifen im Konflikt von 2014 oder der sechzehn getöteten Gazaner ist unvermeidlich. Traurigerweise jedoch – und ausschliesslich aufgrund des zynischen Kalküls der Hamas – können wir uns den Luxus nicht leisten, solche Todesfälle zu vermeiden. Die einzige Wahl, die wir haben, ist, entweder den Bewohnern des Gazastreifens den Tod zu bringen oder aber der Hamas zu erlauben, unseren Gemeinschaften und unseren Kindern den Tod zu bringen.

Der einzige Weg, um diesen kranken Zustand zu beenden, ist, der Hamas die Kontrolle im Gazastreifen zu entziehen und die wirtschaftliche Entwicklung dort zu fördern, indem man den Bewohnern das Gefühl gibt, dass sie von einem Leben ohne die Hamas profitieren werden. Weder unsere Kinder, noch die aus dem Gazastreifen müssen sterben.

Shawn Zelig Aster lebt in Be‘er Scheva und ist leitender Dozent in Judaistik an der Bar-Ilan Universität in Israel. Auf Englisch zuerst erschienen bei The Jerusalem Post.

1 Kommentar

  1. Habe mich da einmal auf dem Internet umgeschaut und zwar schon nach der ersten Demontration, wo noch nicht diese qualmenden Autoreifen zum Einsatz kamen. Da soll es 19 Tote und 1500 Verletzte gegeben haben, durch Beschuss aus Richtung Israel. Leute, wir sind im Handyzeitalter. Wenn so etwas ist, was Tausende sehen können, dann sind da Hunderte von Videos auf dem Netz. Ich sehe von den behaupteten Vorgängen exakt nichts. Keins, auf dem israelische Soldaten Schüsse abgeben, keins, auf dem Fliehende zu sehen sind, nichts. Es gibt durchaus Videos, die die Demo in der Totalen zeigen. Alles immer nur friedlich, keinerlei Fluchtbewegung, wie sie zu sehen wäre, wenn Schüsse fallen. Die übliche Nummer mit hysterischen Sanitätern um einen angeblich Verletzten herum, wie immer. Aber die schauspielerische Leistung ist diesmal besonders schlecht.

    Diese Toten und Verletzten wurden ausschließlich von einer einzigen Partei festgestellt. Und die hat alles komplett erlogen. Behaupte ich.

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