Der Zerstörungsmarsch

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Foto Shebab
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Der «Marsch der Rückkehr» ist Teil der Hamas-Strategie Israel zu zerstören. Tote und Verletzte gibt es jedoch nur auf palästinäsischer Seite zu beklagen.

 

von Pierre Heumann

Gaza ist wieder in den Schlagzeilen: Mit dem «Marsch der Rückkehr» demonstrierten am Freitag Palästinenser für ihr Recht auf ganz Palästina. Es war keine friedliche Veranstaltung. Hamas-Chef Yahya Sinwar, der starke Mann im Gaza, hatte seine Landsleute in den vergangenen Wochen dazu aufgerufen, so lange weiter zu marschieren, bis «diese provisorische Grenze» zwischen Israel und Gaza verschwunden sei.

Die Proteste würden erst aufhören, wenn «wir ins Land zurückkehren, aus dem wir vor 70 Jahren vertrieben wurden», spornte er die Leute von Gaza zur Teilnahme an. Zudem sorgte die Hamas dafür, dass sich unter die Zivilisten auch Terroristen mischten. Die Radikal-Islamisten haben es sich zum Ziel gesetzt, Israel zu zerstören. Der «Marsch der Rück­kehr» ist Teil dieser Strategie. Er soll, wenn es nach der Hamas geht, in den nächsten Wochen weiter durchgeführt werden.

Hamas-Chef Yahya Sinwar. Foto Shebab / Facebook
Hamas-Chef Yahya Sinwar an der Grenze zu Israel. Foto Shebab / Facebook

Um einen Durchmarsch der Palästinenser nach Tel Aviv oder Haifa zu verhindern, verstärkte die israelische Armee ihre Positionen entlang der Grenze und stellte Scharfschützen auf. Die Palästinenser waren gewarnt. Sie wussten um die Gefahr, sich der Grenze zu nähern. Aber die Hamas hatte ein zynisches Kalkül. Mit Toten und Verletzten wollte sie die Palästinenser wieder ins Zentrum der globalen Aufmerksamkeit rücken.

Wäre es beim friedlichen Protest geblieben, wäre keinem Palästinenser ein Haar gekrümmt worden. So aber lautet die traurige Bilanz: Mindestens 18 Menschen, die sich der Grenze ge­nähert hatten, wurden getötet, und rund ein ­Tausend wurden verletzt (weil die Soldaten die Anweisung ­hatten, auf die Füsse zu zielen).

Am Samstag unterstützte das EDA (Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten, Anm.d.Red.) in einer Medienmitteilung die Forderung des UNO-Generalsekretärs nach einer unabhängigen ­Untersuchung der Vorgänge. Die Schweiz sei «sehr besorgt» über die Auseinandersetzungen zwischen palästinensischen Teilnehmern des ­Marsches auf Rückkehr und israelischen ­Sicherheitskräften. Für das Blutbad machen die Aussenpolitiker in Bern in erster Linie Israel verantwortlich. Das EDA fordert «den Verzicht auf unverhältnismässigen Einsatz tödlicher Gewalt» und «das Recht auf Leben». Dabei blendet das Aussendepartement alles aus, das die radikal-islamische Hamas, die den Gazastreifen kontrolliert, belasten würde.

Dazu gehört in erster Linie die oberste Pflicht der Hamas, die Bürger von der Grenze fernzuhalten und es ihnen zu verunmöglichen, sich den bereit stehenden Soldaten auf der anderen Seite des Grenzzaunes zu nähern. Die Hamas tat in­dessen genau das Gegenteil: Sie sorgte dafür, dass Zehntausende von Palästinensern ins Grenzgebiet vorrückten, und spornte sie an, sich dem Zaun zu nähern. Sie forderte sogar Kinder auf, die israelischen Soldaten zu provozieren und sich dem Risiko auszusetzen, Opfer der Gewalt zu werden.

Auch Hamas-Sprecher Mushir al-Masri (3. von links), der 2012 von einem ehemaligen Nationalrat der Grünen im Schweizer Bundeshaus begrüsst wurde, nahm am sogenannten «Marsch der Rückkehr» teil. Foto Facebook.
Auch Hamas-Sprecher Mushir al-Masri (3. von links), der 2012 von einem ehemaligen Nationalrat der Grünen im Schweizer Bundeshaus begrüsst wurde, nahm am sogenannten «Marsch der Rückkehr» teil. Foto Facebook.

Obwohl sich die Hamas offen und marktschreie­risch zur Gewalt bekennt, setzt Aussenminister Ignazio Cassis weiter auf das Gespräch mit der Hamas. Die martialischen Taktiken der Radikal-Islamisten sind für ihn kein Dialoghindernis. Bern nutze die Kontakte mit der Hamas, um diese «beispielsweise» zur Einhaltung des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte «aufzufordern,» sagte Cassis neulich in seiner Antwort auf eine Motion von Nationalrat Christian Imark. Der Solothurner hatte den Bundesrat aufgefordert, die Hamas als Terrorgruppe in der Schweiz zu klassieren. Statt aber von den Radikal-Islamisten ultimativ den Gewaltverzicht zu verlangen, sieht der Bundesrat über die Mordattacken der Hamas hinweg.

Wie «neutral» die Nahostpolitik des Bundesrates ist, lässt sich auf der Internetseite des EDA «Konflikt im Nahen Osten: Haltung der Schweiz» ablesen, die letztmals im November aktualisiert worden ist. Dort wird das Wort «Gewalt» bloss einmal erwähnt – allerdings nicht im Zusammenhang mit der Hamas. Die Schweiz, heisst es dort, fordere «alle Konfliktparteien» auf, auf Gewalt und alle anderen Handlungen zu verzichten, die die Friedensbemühungen beeinträchtigen könnten, heisst es dort pauschal. Um die Hamas zu schonen, konstruiert der Bundesrat eine Symmetrie der Gewalt, wo es keine Similarität gibt.

Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung der Basler Zeitung.