Der Menschenrechtskommissar der Vereinten Nationen verschickt «Blaue Briefe» an Unternehmen, die Business in israelischen Siedlungen betreiben. In den Räumlichkeiten des europäischen Parlaments hält eine Terroristin derweil eine zutiefst antisemitische Rede. Davon, dass Uno und EU ihr Geschäft besorgen, hat die BDS-Bewegung wohl nicht einmal zu träumen gewagt.
Spricht man im deutschsprachigen Raum mit durchaus aufgeklärten und keineswegs israelfeindlichen Zeitgenossen über die BDS-Bewegung – also jenen Zusammenschluss, der zum Boykott, zu Desinvestitionen und zu Sanktionen gegenüber dem jüdischen Staat aufruft –, dann bekommt man oft Beschwichtigendes zu hören. Gewiss, so heisst es häufig, diese Boykottaktivitäten sei ärgerlich, lästig und zeitigten bisweilen auch unangenehme Resultate. Aber die Bewegung sei doch eher klein und verfüge über keinen allzu gewichtigen Einfluss, weshalb man sich nicht übermässig viele Sorgen machen und ihr Wirken nicht dramatisieren solle. Denn auf diese Weise steigere man nur ihren Bekanntheitsgrad und werte sie dadurch unnötig auf.
Wenn es denn so einfach wäre. Längst haben sich internationale Institutionen und Gremien zentrale Forderungen der BDS-Bewegung zu eigen gemacht, und dabei ist es unerheblich, ob sich diese Einrichtungen direkt auf die Kampagne beziehen oder nicht. Von Bedeutung ist alleine das Ergebnis. So beschloss beispielsweise die EU-Kommission im November 2015, dass künftig Erzeugnisse israelischer Firmen, die ihren Standort im Westjordanland, in Ostjerusalem oder auf den Golanhöhen haben, bei der Einfuhr in Mitgliedsländer der Europäischen Union gesondert gekennzeichnet werden müssen und nicht mehr die Herkunftsangabe «Israel» tragen dürfen. Die Entscheidung rief im jüdischen Staat entsetzte Reaktionen hervor.
Von einem «eindeutigen Prozess zur Delegitimierung Israels» sprach etwa die israelische Vize-Aussenministerin Tzipi Hotovely. Scharfe Kritik kam auch vonseiten der Opposition. «Just zu einer Zeit, in der Juden wahllos auf Israels Strassen niedergestochen werden, gibt Europa dem Druck der Boykottbewegung nach. Das ist eine antisemitische Entscheidung», sagte Yair Lapid, der Vorsitzende der liberalen Partei Yesh Atid. Itzik Shmuli, Abgeordneter des Zionistischen Lagers, befürchtet, dass die Konsumenten künftig gleich «sämtliche israelischen Produkte meiden». Nissim Smolianski von der Partei Jüdisches Heim riet Brüssel gar ironisch, gleich «alle unsere Bürger, die sich im Gebiet der EU aufhalten, zu kennzeichnen».
Eine Liste mit Folgen
Nun haben rund 150 Firmen, die Geschäftsbeziehungen in israelischen Ortschaften im Westjordanland, in Ostjerusalem oder auf den Golanhöhen unterhalten, von den Vereinten Nationen einen Brief erhalten. In diesem Schreiben, das der Hohe Kommissar der Uno für Menschenrechte, Said al-Hussein, verschickt hat, wird den betreffenden Unternehmen angedroht, auf eine «Schwarze Liste» gesetzt zu werden. Die Erstellung einer solchen «Blacklist» mit Firmen, die «in den besetzten palästinensischen Gebieten» geschäftlich tätig sind und damit angeblich «gegen internationales Recht und gegen UN-Resolutionen» verstossen, hatte der notorisch antiisraelische UN-Menschenrechtsrat im März des vergangenen Jahres beschlossen. Sie soll im Dezember veröffentlicht werden.
Etwa die Hälfte der angeschriebenen Unternehmen kommt Medienberichten zufolge aus Israel, darunter sind beispielsweise die beiden grössten Kreditinstitute des Landes, Bank Hapoalim und Bank Leumi, das Transportunternehmen Egged, der Telekommunikationskonzern Bezeq und das Pharmaunternehmen Teva. Auch rund 30 amerikanische Firmen sollen einen Brief erhalten haben, etwa Coca-Cola, Airbnb, Caterpillar, Priceline.com und TripAdvisor. Post von Said al-Hussein bekamen zudem offenbar Unternehmen aus Deutschland, Südkorea, Norwegen und weiteren Ländern. Die amerikanische UN-Botschafterin Nikki Haley hatte die geplante «Schwarze Liste» des Menschenrechtsrates «schändlich» genannt und gesagt, die USA zögen einen Auszug aus diesem Gremium in Betracht, wenn es nicht gründlich reformiert werde und seine ständigen Aktivitäten gegen den jüdischen Staat nicht einstelle.
Nun hat der Menschenrechtsrat allerdings, anders als der UN-Sicherheitsrat, nicht die Möglichkeit, Massnahmen, beispielsweise Sanktionen, zu dekretieren und ihre Durchsetzung zu erzwingen. Eine «Blacklist» hat somit vor allem die Funktion eines Prangers. Die betreffenden Firmen sollen moralisch unter Druck gesetzt werden. Und das hat Folgen: Wie die Times of Israel berichtet, haben einige von ihnen bereits Antwortschreiben an den Menschenrechtskommissar Said al-Hussein geschickt und darin angekündigt, bestehende geschäftliche Vereinbarungen nicht zu verlängern und keine neuen abzuschliessen. Israelische Unternehmen befürchten vor allem, dass die «Schwarze Liste» zu einem Kapitalabzug führt, ihre Geschäftsbeziehungen insgesamt beschädigt und bewirkt, dass ausländische Konzerne sich komplett aus dem jüdischen Staat zurückziehen.
Der israelische UN-Botschafter Danny Danon bezeichnete die Liste als «beschämend» und als «einen Ausdruck des modernen Antisemitismus, der uns an dunkle Zeiten der Geschichte erinnert». Den Hohen Kommissar der Uno für Menschenrechte beschuldigte er der aktiven Unterstützung eines antiisraelischen Boykotts. Statt sich auf «die schrecklichen humanitären Probleme zu konzentrieren, die den Planeten plagen», so Danon, versuche al-Hussein, Israel zu schaden. Auf diese Weise sei er «zum obersten BDS-Aktivisten auf dieser Welt» geworden.
Antisemitische Terroristin redet im EU-Parlament
Der Delegitimierung Israels widmete sich derweil auch eine andere honorige Institution, nämlich das Parlament der Europäischen Union. In dessen Räumlichkeiten trat vor wenigen Tagen mit Leila Khaled eine Frau auf, die ihren Hass auf den jüdischen Staat in der Vergangenheit nicht «nur» in Boykottaufrufen bezeugt hat, sondern als Mitglied der palästinensischen Terrororganisation Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP) – der sie nach wie vor angehört – an zwei Flugzeugentführungen beteiligt war und deshalb in grossen Teilen des arabischen Welt als Heldin verehrt wird. Die Europäische Union führt die PFLP zwar seit vielen Jahren als terroristische Vereinigung, doch das störte die Parlamentsfraktion der Vereinigten Europäischen Linken/Nordischen Grünen Linken (GUE/NGL) offensichtlich nicht.
Zu dieser Fraktion gehört die linksradikale spanische Partei Izquierda Unida, die Khaled eingeladen und ihren Auftritt organisiert hatte. Das Thema von Khaleds Vortrag lautete: «Die Rolle der Frauen im palästinensischen Volkswiderstand» – ein Euphemismus für den Terror gegen den jüdischen Staat und seine Bürger. Die Abgeordnete Martina Anderson, die für die irische Partei Sinn Fein im EU-Parlament sitzt und zur GUE/NGL-Gruppe zählt, veröffentlichte via Twitter unter anderem ein Foto, das sie gemeinsam mit Khaled bei der Veranstaltung zeigt. Über eine «fantastische Teilnehmerzahl» im «überfüllten Saal» schwärmte Anderson in ihrem Tweet, den sie mit den Worten «Lang lebe die internationale Solidarität» beschloss.
Fantastic Turnout in Brussels 4 Women in Palestinian Struggle Leila Khaled addressing a packed room -long live international solidarity #SF pic.twitter.com/MnhtorreYl
— MEP Martina Anderson (@M_AndersonSF) September 26, 2017
Welche Solidarität da beschworen wurde, erfährt man, wenn man sich Khaleds Rede im Europaparlament anhört. «Der Holocaust», sagte die Palästinenserin, «schmerzt nur die Juden». Diese hätten «den Schmerz monopolisiert» und spielten «die Rolle von Opfern». Dabei gebe es «eine Ähnlichkeit zwischen dem Holocaust in Auschwitz und dem Holocaust in Gaza». Doch während die Nazis in den Nürnberger Prozessen verurteilt worden seien, habe «bis heute niemand die Zionisten verurteilt», fuhr sie fort. Es werde, so Khaled, «keinen Frieden geben, solange sich auch nur ein einziger Zionist auf palästinensischem Gebiet befindet». Die zionistische Bewegung schliesse sich «mit allen Kapitalisten der Welt zusammen», und werde «in den kommenden 100 Jahren so weit sein, die Weltwirtschaft zu beherrschen». Khaled pries zudem die «Märtyrer», die «die Besatzer erschossen haben». «Wir wollen, dass sie» – gemeint sind die Israelis – «in Angst leben, ihr Leben muss ein Leben in Angst bleiben», rief sie in den Saal.
Uno und EU als Spitze der BDS-Bewegung
Für diese Ausführungen gab es frenetische Ovationen aus dem Publikum. Man sollte annehmen dürfen, dass dieser antisemitische Vortrag, gehalten von der Angehörigen einer Terrororganisation, das Hohe Haus zu Konsequenzen, mindestens aber zu einer sehr deutlichen Distanzierung veranlasst hat. Doch was folgte, war lediglich das kurze, formale Statement einer Sprecherin der EU-Exekutivkommission, die sagte, dass die Veranstaltung von einem Abgeordneten organisiert worden und «keine EU-Veranstaltung» gewesen sei. Wahrscheinlich muss man sich darüber aber gar nicht wundern, schliesslich war es das Parlament selbst, das im Juni 2016 den palästinensischen Präsidenten Mahmoud Abbas einlud und dessen Rede, in der er die antisemitische Legende von den Juden erzählte, die das Trinkwasser vergifteten, mit freundlichem Beifall bedachte. Der damalige Parlamentspräsident Martin Schulz fand Abbas‘ Ansprache sogar „anregend“.
Inspiring address by Pres. #Abbas to #EPlenary – #EU supports aspiration by large majority of #Palestinians for peace and reconciliation
— Ex EP President (@EP_PresSchulz) June 23, 2016
«Blaue Briefe» des UN-Menschenrechtskommissars an Unternehmen, die in israelischen Siedlungen tätig sind, und der Vortrag einer antiisraelischen Terroristin im Europaparlament – das ist mehr, als sich die antisemitische BDS-Bewegung träumen lassen und vor allem selbst erreichen könnte. Die Vereinten Nationen und die Europäische Union haben sich gewissermassen selbst an die Spitze dieser Bewegung gesetzt und besorgen deren Geschäft. Nicht nur für den jüdischen Staat, sondern für alle demokratisch und humanistisch gesinnten Menschen ist das eine zutiefst beunruhigende Entwicklung.
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