Jetzt wollen also amerikanische Zionisten Israel boykottieren

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Foto SuperJew - Own work, CC BY-SA 3.0, Link
Lesezeit: 4 Minuten

Mehrere prominente amerikanische Zionisten – darunter langjährige Unterstützer Israels – sind über die jüngste Entscheidung der israelischen Regierung bezüglich der Klagemauer und den nicht-orthodoxen Übertritten so erbost, dass sie amerikanische Juden dazu drängen, ihre Unterstützung zu kürzen oder sogar ganz zu streichen.

 

von Alan M. Dershowitz

Laut einem Artikel von Elliott Abrams in der Online-Zeitschrift „Mosaic“ hat Ike Fischer, ein prominentes Mitglied des AIPAC [American Israel Public Affairs Committee] damit gedroht, alle weitere finanzielle Unterstützung für Israel „auszusetzen“. Daniel Gordis, eine führende Stimme des Konservativen Judentums drängte amerikanische Juden, ihre El Al-Tickets zu stornieren und stattdessen mit Delta oder United zu fliegen. Darüber hinaus schlug er vor, „Spenden an israelische Krankenhäuser zurückzuhalten, damit ‚ihnen das Geld ausgeht‘ und ‚sie ins Wanken kommen.‘“ Diese Art emotionaler Reaktion erinnert an die Wutausbrüche, die der scheidende Präsident Barack Obama auslöste, als er sich weigerte, sein Veto gegen die neueste antiisraelische Resolution einzulegen.

Ich bin weder mit der Kapitulation der israelischen Regierung gegenüber der Minderheit der ultraorthodoxen Juden, die viel zu viel Einfluss auf die israelische Politik ausüben, einverstanden, noch mit den Vorschlägen zur Kürzung der Unterstützung für Israel, die von einigen der anderen Kritiker der jüngsten Entscheidungen der israelischen Regierung zur Religion gemacht werden.

Ich bin voll und ganz für eine grössere Trennung von Religion und Staat in Israel, wie es Theodor Herzl in seinem Plan für den Nationalstaat des jüdischen Volkes in seiner Schrift „Der Judenstaat“ vor 120 Jahren umrissen hat: „Wir werden verhindern, … dass theokratische Tendenzen von Seiten unserer Priesterschaft in den Vordergrund treten. Wir werden unsere Priester [womit Rabbiner gemeint sind] auf ihre Tempel beschränken.“ Es war David Ben Gurion, der erste Ministerpräsident Israels, der die Abmachung mit den orthodoxen Rabbinern traf, mit der Herzls Auftrag verletzt und die Trennwand zwischen Religion und Staat niedergerissen wurde. Er gab dem Oberrabbinat Autorität über viele weltliche Angelegenheiten wie etwa Eheschliessung, Scheidung und Sorgerecht. Er war es auch, der das Fundament für die Schaffung religiöser Parteien legte, die man seit vielen Jahren für die meisten israelischen Koalitionen braucht.

Alternative zur Regierung Netanjahu?

Geben Sie also nicht dem aktuellen Premierminister Benjamin Netanjahu die Schuld an der jüngsten Kapitulation. Das Überleben seiner Regierung hängt von seiner unheiligen Allianz mit angeblich heiligen Parteien ab, die damit drohen, die Koalition zu verlassen und seine Regierung zu stürzen, wenn er nicht kapituliert. Die Alternative zur Regierung Netanjahu könnte sowohl in religiösen Angelegenheiten und was die Aussichten auf Frieden angeht, sehr weit rechts von der aktuellen Regierung liegen. Vernünftige Leute können uneins darüber sein, ob Netanjahu das Richtige getan hat, aber ich glaube, dass Premierminister Netanjahu, vor die Wahl zwischen der aktuellen Regierung und deren möglicher Nachfolgerin gestellt, akzeptable Prioritäten gesetzt hat.

Damit will ich nicht sagen, dass ich froh über das Endergebnis bin. Als post-konfessioneller Jude möchte ich, dass ein Teil der Klagemauer für konservative und reformierte Betende geöffnet wird. Ich möchte auch, dass konservative und reformierte und moderne orthodoxe Rabbis als vollkommen befugt betrachtet werden, Zeremonien einschliesslich Eheschliessung und Scheidung durchzuführen. Ich werde weiterhin für dieses Ergebnis kämpfen und glaube daran, dass wir letztlich Erfolg haben werden. Inzwischen werde ich aber weiterhin mit El Al fliegen, an israelische Krankenhäuser spenden, an AIPAC-Veranstaltungen teilnehmen und Amerikaner animieren, Israel politisch und finanziell zu unterstützen. Das nicht zu tun, käme einer Beteiligung an einer BDS-Massnahme gleich – jener Taktik, mit der die Feinde Israels aktuell versuchen, den Nationalstaat des jüdischen Volkes zu delegitimieren. Unterstützer von BDS-Massnahmen werden auf diese gutwilligen Boykottmassnahmen zeigen, um ihre eigenen böswilligen zu rechtfertigen. Wenn BDS unbestreitbar eine unmoralische Taktik ist, so ist es auch unmoralisch, die Menschen in Israel für das Versagen ihrer Regierung, alle Juden miteinzubeziehen, die nicht auf der Linie der Ultraorthodoxen sind, zu bestrafen.

Überzeugung statt Zwang

Strenge Liebe mag in Familienangelegenheiten eine angemessene Reaktion sein, aber eine geplagte Nation zu boykottieren, die unter der extremen Linken zum Paria geworden ist, ist keine angemessene Reaktion auf die jüngsten Entscheidungen der israelischen Regierung zur Religion. Die Antwort kann nicht Abwendung sein, sondern nur eine grössere Hinwendung zu Israel in Fragen, die das Judentum der ganzen Welt betreffen. Auch ich bin wütend über die arroganten und zerstörerischen Drohungen der ultraorthodoxen Parteien der aktuellen Regierungskoalition. Auch ich hätte lieber eine Koalition, die die ultraorthodoxen Parteien ausschliesst. Auch ich hätte lieber eine hohe Trennmauer, die die Rabbis aus der Politik heraushält. Aber ich lebe nicht in Israel, und Israel ist eine Demokratie. Letztlich ist es an den Bürgern Israels, das aktuelle System zu ändern. Die Rolle der amerikanischen Juden muss sich auf Überzeugung statt Zwang beschränken. Am Ende werden wir Erfolg darin haben, das israelische Volk davon zu überzeugen, den Religiösen die Macht zu nehmen, der ultraorthodoxen Minderheit die Druckmittel aus der Hand zu reissen, weil das nicht nur für säkulare Israelis – die die Mehrheit stellen – gut wäre, sondern auch für die religiösen. Die Geschichte hat gezeigt, dass die Trennung von Staat und Religion nicht nur gut für den Staat, sondern auch für die Religion ist.

Professor Alan M. Dershowitz ist Inhaber des Felix Frankfurter-Lehrstuhls für Rechtswissenschaften, emeritierter Professor und Autor des Buchs „Taking the Stand: My Life in the Law and Electile Dysfunction.“ Auf Englisch zuerst erschienen bei Gatestone Institute.

1 Kommentar

  1. Mich wundert das Verhalten nicht wirklich.
    Es gibt verschiedene Arten von Zionisten und manche sind ziemlich heikel.

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