Shalom! We’re so happy to be back here! – Widerspruch gegen das Mobbing der Israel Boykott-Bewegung

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Roger Waters. Screenshot Youtube
Roger Waters. Screenshot Youtube
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Es kommt immer wieder vor, dass die Boykott-Bewegung BDS – die darauf abzielt Israel in der ganzen Welt zu ächten – Musiker dazu aufruft, nicht in Israel aufzutreten; nicht so oft passiert es, dass die Angesprochenen sich verbal in einem Zeitschrifteninterview zur Wehr setzen.

 

Radiohead, eine der erfolgreichsten aktiven Rockbands der Gegenwart, werden am 19. Juli im Yarkon Park in Tel Aviv auftreten, und ihr Sänger Thom Yorke ist wütend auf Roger Waters und seine „Boykottiert Israel“-Clique. „Ich möchte total ehrlich sein: Das ist extrem ärgerlich. Es gibt eine verdammt grosse Zahl von Leuten, die nicht mit der BDS-Bewegung einverstanden sind, darunter wir.“

Seit Jahren betreibt der Pink-Floyd-Mitgründer Waters zusammen mit einem Bündnis von Gesinnungsgenossen, die sich als Unterschriftsteller für offene Briefe zur Verfügung stellen (unter ihnen der Filmregisseur Ken Loach und der südafrikanische Erzbischof Desmond Tutu), Mobbing gegen alle Musiker, die – ungeachtet ihrer Boykottaufrufe – in Israel auftreten. Das taten in den letzten Jahren eine Menge, unter ihnen Madonna, Depeche Mode, Paul Mc Cartney und viele andere Berühmtheiten. Und auch in diesem Jahr haben sich etliche namhafte Künstler angesagt.

 

„BDS-Proteste richten sich üblicherweise gegen Musiker, die wie Radiohead in der Öffentlichkeit stark beachtet werden“, sagt Jon Haber, Gründer des Anti-BDS-Blogs Divest This! gegenüber Audiatur-Online. Entscheidungen darüber, ob sie ins Visier genommen werden oder nicht, seien allerdings „unberechenbar“. So seien Radiohead „schon oft“ in Israel aufgetreten, „ohne den Tumult, den es dieses Jahr gibt“. Wird die BDS-Maschinerie gegen Musiker angeworfen, läuft sie immer auf dieselbe Weise. Roger Waters fordert über Internet und Presse die betreffenden Personen auf, nicht nach Israel zu reisen. Auf Konzerten der betreffenden Musiker – meist vor allem in englischsprachigen Ländern – tauchen BDS-Aktivisten mit PLO-Fahnen und Transparenten auf.

Es wird ein offener Brief geschrieben, immer mit dem gleichen Inhalt: Die Künstler werden aufgefordert, den Boykott – den angeblich die „palästinensische Zivilgesellschaft“ initiiert habe – zu „respektieren“, sich also der Erpressung zu beugen. Nie fehlt der Vergleich mit Südafrika. Das Schreiben von „Artists for Palestine UK“ an Radiohead endet mit den Worten: „Bitte tut, was Künstler in Südafrika Ära der Unterdrückung taten: Bleibt weg, bis die Apartheid zu Ende ist.“ Auf der Facebookseite von Radiohead sammeln sich die Hasskommentare. Unter der Ankündigung eines im August stattfindenden Benefizkonzerts für Italiens Erdbebenopfer schreibt jemand: „Werden sie ein Benefizkonzert für die Opfer der israelischen Aggression geben? Fast 5 Millionen von israelischen Kriegsverbrechern Ermordete.“

Gegenüber Rolling Stone sprach Thom Yorke darüber, was er über die Kampagne und die an ihn von Leuten wie Roger Waters herangetragenen Aufrufe zum Boykott denkt. „Es ist zutiefst respektlos, anzunehmen, dass wir entweder falsch informiert sind oder dass wir so zurückgeblieben sind, dass wir diese Entscheidungen nicht selbst treffen können. Es ist extrem paternalistisch.“ Yorke verweist auf die Verbindung, die der Gitarrist der Band, Jonny Greenwood, zu der Region hat. „Die Person, die am meisten darüber weiss, ist Jonny. Er hat sowohl palästinensische als auch israelische Freunde, und seine Frau ist eine arabische Jüdin. All die Leute, die uns aus der Entfernung mit Zeug bewerfen, Flaggen schwingen und sagen: ‚Ihr wisst nichts darüber!’ – stell dir vor, wie beleidigend das für Jonny ist.“ Es sei zudem „wirklich ärgerlich“, dass „Künstler, die wir respektieren, nach all den Jahren denken, wir seien nicht in der Lage, selbständig eine moralische Entscheidung zu treffen. Sie reden von oben herab und es ist irre, dass sie denken, sie hätten das Recht dazu.“

 

Immer mehr Künstler wollen in Israel auftreten

Wie oft kommt es vor, dass jemand den BDS-Aktivisten Paroli bietet? „Thom Yorkes Zurückschlagen im Rolling Stone ist insofern ungewöhnlich, als er seine Angreifer – vor allem Roger Waters – angreift“, sagt Jon Haber von Divest This!. „Es gab aber schon eine Reihe von Fällen, wo Musiker von der Bühne herab ihren Trotz gegenüber BDS gezeigt haben.“ Als etwa Elton John und Johnny Lydon von den Sex Pistols in Israel aufgetreten seien, nachdem sie deswegen monatelang angegriffen worden waren, hätten sie den BDSlern auf der Bühne den Vogel gezeigt. „Und für jeden Künstler, der sich den BDS-Wünschen unterwirft – wie Elvis Costello – sieht man andere Bands wie Deep Purple, die während ihrer eigenen Tournee durch den jüdischen Staat diejenigen angreifen, die klein beigeben.“

Dass die Zahl von Künstlern und anderen Showstars, die in Israel auftreten oder dort zu Besuch sind, stetig wachse, sei zum Teil auch dem Ausbau der touristischen Infrastruktur in Israel zu verdanken, so Haber gegenüber Audiatur-Online . „Zudem stecken Organisationen wie Artists for Israel genauso viel oder mehr Energie darein, berühmte Leute nach Israel zu holen, wie BDS einsetzt, um sie von dort fernzuhalten.“

Überhaupt hält Haber den Boykott von Musikern und Prominenten für das schwächste Element der gesamten BDS-Strategie und nennt folgende Gründe:

„Erstens, wer kann angesichts der Einschüchterungskampagne gegen Bands wie Radiohead die Behauptung ernst nehmen, dass Bands, die sich entscheiden, nicht in Israel aufzutreten, dadurch einen moralischen Standpunkt zum Ausdruck bringen und nicht einfach ihre Belästiger loswerden wollen?“

„Zweitens haben die Boykotteure selbst, indem sie die Entscheidung ob jemand in Israel auftritt oder nicht, zu einem politischen Statement stilisiert haben, eine Formel geschaffen, wonach die Tausenden von Künstler, die jedes Jahr Israel besuchen, dies tun, um ihre unnachgiebige Unterstützung Israels zu zeigen.“

„Und schliesslich fusst der ganze Prominentenboykott auf der Prämisse, dass eine Nation, die Invasionen, Krieg, Terror, Wirtschaftsblockaden und Jahrzehnten propagandistischer Angriffe standgehalten hat, um ein lebendiges und erfolgreiches Land aufzubauen, einknicken wird, nur weil Elvis Costello seinen israelischen Fans den Stinkefinger zeigt oder Roger Waters irgendwas Gemeines tippt, sobald die Schwestern in seinem Altenheim ihn einmal in die Nähe eines Computers lassen.“

Die Liste gefeierter Musiker und Bands, die in den letzten Jahren in Israel aufgetreten sind, ist wohl hundertmal länger als die der Boykotteure. Zu nennen sind etwa: Bob Dylan, Carlos Santana, Paul McCartney, Paul Simon, Elton John, der inzwischen verstorbene Leonard Cohen, Paul Anka, Anthrax, Judas Priest, Ozzie Ozbourne, Megadeth, Lady Gaga, Madonna, Justin Bieber, Alanis Morissette, Red Hot Chili Peppers, Aerosmith, Guns N’Roses, Rod Stewart, Faith No More, Depeche Mode, Peter Murphy oder die Pet Shop Boys, um nur einige zu nennen. Besonders enthusiastisch ist Elton John, der im letzten Jahr zum vierten Mal in Israel auftrat – nach 1979, 1993 und 2010. 2010 grüsste er seine Fans in Tel Aviv mit erhobener Faust und rief ihnen zu: „Shalom! We’re so happy to be back here! Ain’t nothing gonna stop us from coming, baby!”

Über Stefan Frank

Stefan Frank ist freischaffender Publizist und lebt an der deutschen Nordseeküste. Er schreibt regelmässig über Antisemitismus und andere gesellschaftspolitische Themen, u.a. für die „Achse des Guten“, „Factum“, das Gatestone Institute, die „Jüdische Rundschau“ und „Lizas Welt“. Zwischen 2007 und 2012 veröffentlichte er drei Bücher über die Finanz- und Schuldenkrise, zuletzt "Kreditinferno. Ewige Schuldenkrise und monetäres Chaos."

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1 Kommentar

  1. Thom Yorke wird falsch zitiert bzw. übersetzt: “Die Person, die am meisten darüber weiss, ist Jonny. Er hat sowohl palästinensische als auch israelische Freunde, und seine Frau ist eine arabische Jüdin. ” Er sagte: “arabische Israeli”.

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