Die erste Reise eines indischen Ministerpräsidenten nach Israel

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Ministerpräsident Benjamin Netanyahu mit dem indischen Ministerpräsidenten Narendra Modi, während der COP21 UN-Klimakonferenz in Le Bourget, ausserhalb von Paris am 30. November 2015. Foto Amos Ben Gershom / GPO
Ministerpräsident Benjamin Netanyahu mit dem indischen Ministerpräsidenten Narendra Modi, während der COP21 UN-Klimakonferenz in Le Bourget, ausserhalb von Paris am 30. November 2015. Foto Amos Ben Gershom / GPO
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Der indische Ministerpräsident Narendra Modi wird im Juli zu einem zweitägigen Staatsbesuch in Israel eintreffen. Es ist die erste Reise eines indischen Ministerpräsidenten nach Israel überhaupt und zeigt, wie sich das bilaterale Verhältnis der beiden Länder seit der Aufnahme voller diplomatischer Beziehungen im Jahr 1992 entwickelt hat.

 
von Efraim Inbar

Seit Modi und seine Partei BJP 2014 an die Macht kamen, hat er die Vorbehalte abgelegt, die seine Vorgänger noch gegen öffentliche Beziehungen mit Israel hatten. Es ist anzumerken, dass sein Israel-Besuch nicht durch einen gleichzeitigen Besuch der Palästinensischen Autonomiegebiete „ausbalanciert“ wird. Das zeigt, dass sich Indien von der historischen Verpflichtung gegenüber der palästinensischen Sache befreit hat.

Indien und Israel sind sich beide der Bedrohungen bewusst, mit der sie zu leben haben und haben eine gemeinsame strategische Agenda. Beide haben grosse konventionelle Kriege gegen Nachbarstaaten geführt, waren immer wieder Terrorismus ausgesetzt und befinden sich in fortgesetzten Konflikten, die sich durch ethnische und religiöse Komponenten auszeichnen, die vom Ausland oft schwer zu begreifen sind. Beide sind von Massenvernichtungswaffen in den Händen ihrer Feinde und von radikalen Ausprägungen des Islam bedroht.

Israel betrachtet Teile der arabischen Welt – vor allem Saudi-Arabien – als Sprungbrett für islamische Extremisten, während Indien die Saudis wegen deren enger Beziehungen zu Pakistan beargwöhnt. Indien fürchtet zudem, dass das Atomwaffenarsenal Pakistans in die Hände von militanten Extremisten fallen könnte. Aus israelischer Sicht stellen die islamischen Radikalen in der arabischen Welt und in der Islamischen Republik Iran eine ständige Bedrohung dar, die durch das iranische Nuklearpotenzial noch akuter geworden ist. Das Auftauchen des IS in den letzten Jahren hat Konsequenzen, die über die Schlachtfelder im Irak und Syrien hinausgehen, da Ableger des IS die Stabilität in Ägypten und Jordanien –Israels Nachbarn – bedrohen und auch in Süd- und Südostasien immer mehr Grund zur Sorge liefern.

Indien hat seine zögerliche Haltung nach und nach abgelegt und ist mit Israel eine Sicherheitskooperation eingegangen. Im Zuge der Aufnahme voller diplomatischer Beziehungen hatte der damalige Ministerpräsident Sharad Pawar bereits zugegeben, dass sein Land bei der Bekämpfung des Terrorismus schon lange mit Israel zusammengearbeitet hatte. Das betraf etwa den Austausch von Informationen über Terrorismusfinanzierung, Rekrutierungsstrategien und Trainingslager und geschah ohne Wissen der Öffentlichkeit. Der Terrorangriff von Mumbai im November 2008 zeigte auf, dass sich Indien besser auf solche Angriffe vorbereiten musste; dies führte zu engerer Zusammenarbeit mit israelischen Agenturen.

Die Verbindung Indiens und Israels hat viele Implikationen für das Gebiet des Indischen Ozeans, insbesondere im Hinblick auf Chinas wachsende Präsenz. Indien ist dort ein wichtiger Akteur, für Israel ist der Indische Ozean wegen der Befürchtungen von Interesse, die der Iran und Pakistan wecken.

Aus Modis Sicht kann Israel, ein enger Verbündeter der USA, dabei helfen, die Beziehungen zu den Vereinigten Staaten zu verbessern und einige Schwierigkeiten zu überwinden. In Neu-Delhi ist man davon überzeugt, dass die Normalisierung der Beziehungen zu Israel im Jahr 1992 einen günstigen Effekt auf Amerikas Haltung gegenüber Indien hatte. Amerikanische jüdische Organisationen begannen in den 1990er Jahren, den Wert Indiens für die USA und Israel zu erkennen und sahen auch den Vorteil von guten Beziehungen zu den in Amerika lebenden Indern, deren Macht im Kongress sich im Aufstieg befindet. Viele Mitglieder der indischen Lobby, des im September 2002 gegründeten US-India Political Action Committee (USINPAC), haben sich die amerikanisch-jüdischen Gruppen ausdrücklich zum Vorbild genommen und den Wunsch nach Zusammenarbeit geäussert.

Die jüdische und die indische Lobby arbeiteten zusammen, als es darum ging, von der Regierung Bush die Genehmigung für Israels Verkauf des Radarsystems Phalcon an Indien zu erlangen. Im Juli 2003 schafften sie es, einem Gesetz über Hilfen für Pakistan einen Zusatz anzufügen, der Islamabad dazu aufruft, den Grenzübertritt von islamischen Militanten nach Indien zu verhindern und der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen vorzubeugen.

“Indien und Israel repräsentieren zwei alte Zivilisationen.”

Es gibt zwei strategische Entwicklungen des 21. Jahrhunderts, die wahrscheinlich den strategischen Kitt zwischen Israel und Indien stärken werden: der Abstieg der Vereinigten Staaten und der Aufstieg Chinas. Im Nahen Osten hat die Regierung Obama Schwäche gezeigt und Irans Streben nach Hegemonie gefördert. Eine Schwäche der Vereinigten Staaten führt unvermeidlich zu Kettenreaktionen in anderen Teilen des Globus. Tatsächlich betrachten viele Staaten Asiens die schwindende Rolle der USA mit Sorge. Es ist noch nicht abzusehen, ob Präsident Donald Trump eine forschere Aussenpolitik unternehmen wird als sein Vorgänger oder wie er sich China entgegenstellen wird – im Wahlkampf hatte er isolationistische Impulse gezeigt.

Indien und Israel repräsentieren zwei alte Zivilisationen. Beide teilen eine Vergangenheit des britischen Kolonialismus und waren die Ersten, die in der Welle von Staatsgründungen nach dem Zweiten Weltkrieg unabhängig wurden (1947 und 1948). Beide wurden als Resultat chaotischer Teilungen geboren und haben seither ununterbrochen unter widrigen Bedingungen demokratische Ordnungen bewahrt. Trotzdem waren vier Jahrzehnte nötig, um eine fruchtbare bilaterale Beziehung zu schaffen.

Für Israel spiegeln gute Beziehungen mit Indien auch die Einsicht wider, dass sich das internationale System verändert und sich der Schwerpunkt nach Asien und der Pazifikregion bewegt. Indien ist ein extrem wichtiger Protagonist, dem Israel allergrösste Beachtung schenken muss.

Efraim Inbar ist Professor Emeritus in Politikwissenschaften an der Bar-Ilan Universität und der Gründungsdirektor des Begin-Sadat Center for Strategic Studies an der Bar-Ilan Universität. Dies ist eine gekürzte und überarbeitete Version von “The Background to the First Ever Visit to Israel by an Indian Prime Minister”. Auf englisch zuerst erschienen bei EastWest Center in Washington. Übersetzung mit freundlicher Genehmigung.