Wer sagte was? Ein Blick hinter die Kulissen des israelischen Sicherheitskabinetts im Juni 1967 – Teil 2

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An der Front im Sinai. Foto IDF
An der Front im Sinai. Foto IDF
Lesezeit: 13 Minuten

“Andere Nationen anzuflehen, uns zu helfen, wird nichts nützen”

Ein kürzlich veröffentlichtes Transkript der Protokolle des israelischen Sicherheitskabinetts erzählt über die spannungsgeladenen Sitzungen vor und während des Sechstagekrieges. Der Staatsarchivar Dr.Yaacov Lozowick hat die Protokolle analysiert. Der Erste Teil erschien am 26. Mai 2017.

von Yaacov Lozowick

Ägypten, Mai 1967: Mobilmachung oder Art Show?

Am 14. Mai, Israels 19. Unabhängigkeitstag, begann Ägypten damit, vor aller Augen und unter grossem Getöse, Truppen durch Kairo in den Sinai zu bringen.  Als am 16. Mai das ganze Kabinett zur wöchentlichen Sitzung zusammentrat, berichtete Eschkol über die Entwicklungen. Gefragt, ob die IDF vorsorglich Massnahmen treffe, antwortete er lakonisch mit ja und ging zum nächsten Tagesordnungspunkt über: dem Bericht über den Besuch eines niederen Ministers in Polen und Vorschläge zur Verschlankung der Behörden. Das SK diskutierte die Angelegenheit am nächsten Tag zuerst, und obgleich die Erläuterungen der militärischen Vorbereitungen umfassender waren als im vollständigen Kabinett, schien an diesem dritten Tag der Krise niemand einen Krieg kommen zu sehen. Man nahm an, die Ägypter machten eine Art Show.

Der Ton änderte sich am 21. Mai. Der ägyptische Präsident Gamal Nasser hatte UN-Generalsekretär U-Thant aufgefordert, die UN-Truppe im Sinai (UNEF) abzuziehen, und U-Thant zog sie überraschenderweise vollständig ab. Übernacht war die wichtigste Errungenschaft des Feldzugs von 1956 verschwunden. Den grössten Teil des Treffens nahmen neue Berichte von Rabin, Aussenminister Abba Eban (52) und Eschkol ein. Angesichts des Ernstes der Lage wurde beschlossen, die Implikationen im vollständigen Kabinett zu erörtern, das als SK tagte; während die Debatte um einige Stunden verschoben wurde, sagten sowohl Galili, der Falke, als auch Shapira, die Taube, ihrer Einschätzung nach stehe Israel vor einem Krieg.

Shapira war resigniert und sagte, ohne Krieg seien Ägyptens Taten nicht rückgängig zu machen.  Galilis Haltung war schärfer: der Krieg sei schon da. Er wollte wissen, wie die Luftwaffe sicherstellen könne, dass Ägyptens Luftwaffe zerstört werde, bevor sie selbst angegriffen werde. Drei Wochen vor dem historischen Angriff auf Ägyptens Luftwaffe war dieser schon auf dem Tisch.

Der Verteidigungsschlag auf die ägyptische Luftwaffe scheint unabwendbar

An der zweiten Kabinettssitzung, die am 21. Mai stattfand, nahmen alle Minister teil, und fast jeder von ihnen hielt eine kurze Ansprache. Eschkol lieferte müde-resigniert die Zusammenfassung: Wir bereiten uns vor. Wir können keine weiteren Waffen beschaffen, nicht jetzt. Wir sind vorsichtig an den Grenzen. Wir stehen in Kontakt mit den Amerikanern. Wir haben einige Reservisten mobilisiert, doch nicht alle. Wir hoffen das Beste. Es war, in Anbetracht des historischen Moments, eine bemerkenswert leere Diskussion; am Ende gab es eine Resolution, in der stand, dass die Luftwaffe auf jeglichen Angriff auf eine ihrer Basen mit ganzer Kraft antworten würde – als wenn es dafür zwei Kabinettssitzungen gebraucht hätte.

Bis zur Sitzung am 23. Mai hatte Ägypten bereits die Strasse von Tiran blockiert und damit Israels gesamten Handel mit Asien zum Erliegen gebracht. Die Minister waren sich alle einig, dass dies wahrscheinlich zum Krieg führen werde, doch die meisten von ihnen – auch Rabin, der als General kein Stimmrecht hatte – sahen es als wichtig an, die Amerikaner davon zu überzeugen, dass Israel nicht überstürzt in den Krieg zog. Generalmajor Ezer Weitzman (43), ein früherer Luftwaffenkommandant, der mit der Einsatzleitung betraut war, erklärte, dass zwar die Gelegenheit für eine strategische Überraschung verstrichen, die Luftwaffe aber zuversichtlich sei, wenn nötig eine taktische Überraschung zu erzielen. Da es eine Bitte der Amerikaner gab, 48 Stunden für Diplomatie einzuräumen, entschieden die Minister, erst einmal von militärischen Handlungen abzusehen.

Die Lage spitzt sich zu

Am 26. Mai fühlten sie sich in der Falle. Die Ägypter hoben Gräben aus, waren schwerer zu treffen und verstärkten ihre Truppen. Rabin berichtete von einigen ägyptischen Vorbereitungen für ihr Angriffsvorhaben. Jordanien war im Begriff, sich Ägypten anzuschliessen. Die meisten IDF-Reservisten waren einberufen worden; Israels Wirtschaft konnte eine solche Mobilisierung nicht für einen längeren Zeitraum verkraften. Es gab keine realistische Aussicht, weitere Waffen zu besorgen. Die diplomatischen Bemühungen hatten nichts gefruchtet. Doch alle Minister wussten, dass es keine andere Wahl gab, als darauf zu warten, dass Aba Eban mit seinen Berichten aus Europa und den Vereinigten Staaten zurückkehrte. Also diskutierten sie über die Möglichkeit, die Koalition durch die Bildung einer Regierung der nationalen Einheit auf eine breitere Basis zu stellen. In Erwartung eines langen und blutigen Krieges trachteten sie nach politischem Konsens.

Ezer Weizman, Moshe Dayan und Motti Hod pausieren am Suez Kanal. Foto GPO
Ezer Weizman, Moshe Dayan und Motti Hod pausieren am Suez Kanal. Foto GPO

Das Sicherheitskabinett zwischen Hammer und Amboss: Diplomatie oder Sicherheit

Am 27. Mai, Samstagabend, debattierte das gesamte, als SK konstituierte Kabinett, fast bis zum Morgengrauen. Abba Eban kam nach 22 Uhr am Flughafen an, erstattete seinen Bericht, verschwand, um dem aussen- und sicherheitspolitischen Komitee der Knesset Bericht zu erstatten und fand die Minister bei seiner Rückkehr immer noch dabei vor, wie sie sich die Köpfe zerbrachen. Alle wichtigen Staats- und Regierungschefs der Welt verlangten, dass Israel nicht angriff; die Minister wussten allesamt, dass ein Krieg unausweichlich war, konnten sich aber nicht auf einen Handlungsplan verständigen. Wenn wir zuerst angreifen, was wird das international für einen Preis haben? Wenn wir zuerst angegriffen werden, wie viele Opfer wird uns das kosten? (Viele Tausend, schätzten sie). Was gewinnen wir, wenn wir warten? Und was sind die Kosten? Wenn wir nicht warten – was ist der Preis dafür?

Am 1. Juni gab es zwei Sitzungen, eine des SK und eine des gesamten Kabinetts. Menachem Begin und Moshe Dayan nahmen als Parlamentsabgeordnete an den Treffen teil, da sie noch nicht als Minister vereidigt worden waren. Um halb ein Uhr in der Nacht am 2. Juni schickte Eschkol alle zu Bett: “Wir sind alle erschöpft. Wir haben den ganzen Tag diskutiert. Morgen früh stelle ich euch alle dem Generalstab vor. Ihr müsst hören, was die Generäle zu sagen haben.”

2.Juni 1967: Debatte zwischen dem Sicherheitskabinett und dem Generalstab.

“Worauf warten wir?”

Am Morgen des 2. Juni 1967 gab es eine der ungewöhnlichsten Sitzungen in den Annalen des Sicherheitskabinetts: Das gesamte SK kam im IDF-Hauptquartier zusammen, um den gesamten Generalstab zu treffen.

Aharon Yariv (46), der Chef des Militärgeheimdienstes, fing an: “Weiter abzuwarten, bringt aus unserer Sicht keinen militärischen Vorteil und birgt beträchtliche Gefahren. Die arabischen Armeen verstärken weiter ihre Stellungen, bereiten sich vor und beschaffen weitere Waffen. Wir haben kein Potenzial zur Aufrüstung.”

Rabin: “Es gibt eine wachsende Koordination der arabischen Armeen untereinander. Sie fühlen sich von unserer Untätigkeit bestärkt.”

Mordechai Hod (41), Luftwaffenchef: “Wir werden unseren Job unter allen Umständen erledigen, doch jede Verzögerung um 24 Stunden erhöht den potenziellen Preis, den wir zu zahlen haben könnten.”

Yishayahu Gavish (42), Kommandant der südlichen Front: “Hier ist eine Karte, die die ägyptischen Kräfte am 22. Mai zeigt. Hier ist das, was sie letzte Woche hatten. Und hier, was sie heute haben. Weitere [ägyptische] Truppen sind auf dem Weg vom Jemen. Sie werden jeden Tag stärker.” (Gavish ist die einzige in diesen Transkripten vorkommende Person, die noch am Leben ist, er ist 92).

Divisionskommandant der Reserve, Avraham Yoffe (54): “Ich war mit meinen Truppen 14 Tage in der Negev-Wüste. Wir müssen den Ägyptern die Initiative entreissen!”

Divisionskommandant Ariel Sharon (39): “Wir sind bereit, und wir werden die ägyptische Armee zerstören. Es wird Verluste geben, doch wir müssen den Job erledigen. Andere Nationen anzuflehen, uns zu helfen, wird nichts nützen. Auf hypothetische weitere Waffen zu warten, ist nicht nötig. Wir werden die Aufgabe erledigen.”

Steuermannsmaat Matti Peled (43): “Worauf warten wir? Sagt uns: Worauf warten wir?”

Die schicksalsträchtige Sitzung des SK am 4.Juni 1967

Und doch zögerten sie. Am Morgen des 4. Juni gab es ein weiteres ergebnisloses Treffen. Dann, am Nachmittag des 4. Juni, trat das gesamte Kabinett als Sicherheitskabinett zusammen; dies sollte die schicksalsträchtige Sitzung werden. General Yariv beschrieb, wie sich die Lage weiter verschlechterte. Die jordanische Armee war unter ägyptischen Befehl gestellt worden. Irakische Truppen wurden nach Jordanien verlegt. Immer mehr ägyptische Kräfte im Sinai, einige Eliteeinheiten bereiteten offenbar einen Angriff vor usw. Abba Eban schilderte die amerikanischen Bemühungen, die Seeblockade zu brechen, doch fügte hinzu, dass sie eine Woche, wenn nicht mehr, benötigen würden, um Früchte zu tragen, und dass sie am Gesamtbild der arabischen Kriegsvorbereitungen nichts ändern würden. Dann kam ein Minister nach dem andern zu Wort. Alle waren sich einig, dass Krieg unausweichlich war. Die meisten versuchten, die Wartezeit zu rechtfertigen, in der Hoffnung, dass Israel in den Augen der Welt dadurch an Glaubwürdigkeit gewonnen hätte. Haim Gvati (66, Mapai) spottete sanft über seine zögernden Kollegen: “Ich bin überrascht, dass einige denken, die Grossmächte würden jemals zu uns sagen, dass die Zeit gekommen sei und wir unsere Feinde angreifen könnten. Das werden sie niemals tun.”

Die Debatte dauerte einige Stunden. Am Ende war die gemeinsame Front von Shapira und Barzilai gebrochen. Barzilai und sein Mapam-Minister-Kollege Mordechai Bentov (67) hatten immer noch das Gefühl, dass Israel die Grossmächte darüber informieren solle, dass seine Geduld ganz am Ende sei; Shapira hingegen schloss sich allen anderen an und akzeptierte, dass die Zeit abgelaufen war. Das Kabinett wies die IDF an, den arabischen Würgegriff zu brechen und autorisierte Eschkol und Dayan, die genauen Einzelheiten zu bestimmen. Über viele Tage hatte ein Krieg unausweichlich geschienen; nun stand er unmittelbar bevor.

Der Krieg, der sechs Tage dauern würde, beginnt

Im Lauf der nächsten sechs Tage traf sich das SK siebenmal. Und doch war es nicht wirklich im Besitz der Kontrolle. Im Februar hatte es darüber debattiert, welches Kaliber benutzt werden solle, um auf den syrischen Beschuss zu reagieren; nun spielte es zumeist eine Nebenrolle. Es ermöglichte den Anschein von Beratungen, während andere Fakten schufen.

Die erste Sitzung des Krieges war am Abend des 6. Juni, mehr als 30 Stunden nach Beginn des Feldzugs. Die ersten 90 Minuten dienten nur dazu, neue Informationen bekannt zu machen. Die ägyptische Armee brach im Sinai zusammen, Gaza war weitgehend erobert, Teile der Westbank waren eingenommen, und die Gebiete nördlich und südlich der Altstadt waren von der IDF gesichert. Latrun, das 1948 der Schauplatz einer Serie schmählicher Niederlagen gewesen war und der Grund dafür, dass die Hauptverkehrsstrasse zwischen Tel Aviv und Jerusalem hatte umgeleitet werden müssen, war in israelischer Hand. Nichts davon war von dem Organ, das laut der Verfassung das Militär befehligt, diskutiert geschweige denn autorisiert worden. Dennoch beschwerte sich zu diesem Zeitpunkt noch niemand. Das Treffen markierte den Gipfel der Euphorie. Weniger als zwei Tage nachdem sie einen Feldzug autorisiert hatten, von dem erwartet worden war, dass er Tausende Menschenleben kosten würde, konnte man den Ministern einen riesigen Seufzer der Erleichterung nachsehen.

Moshe Dayan übernimmt das Szepter

“Die vielleicht wichtigste Entscheidung in Jahrtausenden”

Eschkol, der normalerweise vorsichtig war, fragte, ob es wohl möglich wäre, Israels Wasserprobleme zu lösen, indem man den Südlibanon bis zum Fluss Litani einnähme. Dayan, grossspurig und sprunghaft, prahlte, dass Israel Kairo erreichen könne, falls jemand Interesse daran habe, und bald Scharm asch-Schaich einnehmen und 300 Jahre lang halten werde. Er sagte den Ministern zudem, sie sollten weniger reden, da er nicht viel Zeit für eine lange Sitzung habe. Als Allon und Begin darauf beharrten, dass die Altstadt sofort eingenommen werde, bevor die UNO womöglich interveniere, erklärte Dayan, dass er gegen eine solche Entscheidung sei.

Die vielleicht wichtigste Entscheidung in Jahrtausenden – dass die Juden in Jerusalem regieren sollten – wurde wahrscheinlich am 7. Juni in der Frühe von Moshe Dayan getroffen, nicht von Israels Regierung. Da die IDF bereits tief in die West Bank eindrang, gab die Regierung das Okay.

Eine Entscheidung mit Konsequenzen

Die bedeutungsschwerste Entscheidung in der Geschichte Israels, die Kontrolle über das gesamte Land Israel und dessen arabische Bevölkerung zu übernehmen, wurde fast in einem Anfall von Geistesabwesenheit getroffen, da die Truppen sie bereits getroffen hatten. Zu jenem Zeitpunkt war es eine taktische Überlegung.

In den letzten drei Tagen des Kriegs jagte eine Sitzung die andere. Der Krieg an der jordanischen Front war zu Ende, denn Jordanien hatte den Waffenstillstand akzeptiert. Ägypten und Syrien hingegen noch nicht, und nun waren die Bemühungen vor allem darauf gerichtet, die Kontrolle der IDF über den Sinai bis hinab nach Scharm asch-Schaich zu festigen. Die Entscheidung, bis zum Suezkanal vorzustossen, hatte offenbar Dayan getroffen, der in den ersten Tagen erklärt hatte, warum dies eine schlechte Idee sei, dann aber den Ministern sagte, es sei bereits geschehen. Die Beratungen konzentrierten sich auf Syrien, das die ganze Woche über israelische Dörfer mit Artillerie beschossen hatte, jedoch im Bodenkrieg immer noch eine untergeordnete Rolle spielte.

Syrien

Anfangs hatte die IDF nicht die Kräfte gehabt, um gleichzeitig mit dem Hauptschauplatz im Sinai und dem ungeplanten Schauplatz in der Westbank einen Vorstoss zu unternehmen, der mutmasslich verlustreich sein würde. Dann, als die anderen beiden Operationen weitgehend beendet waren, fürchtete das Kabinett eine Konfrontation mit der Sowjetunion, von der man annahm, dass sie Syrien mehr schützen würde als Ägypten. Doch der öffentliche Druck wuchs.

Am 8. Juni kam Eschkol in Begleitung dreier Landwirte aus jenen Dörfern, die unter syrischem Artilleriebeschuss lagen; sie forderten die Minister auf und flehten sie an, die Hölle, in der sie leben mussten, zu beenden: Es ist nicht hinnehmbar, sagten sie, dass die Syrer, die uns in den ganzen Schlamassel reingeritten haben, ohne Schaden davonkommen. Die Minister, die nun wieder in ihrem normalen Modus der Vorsicht agierten, waren davon zum grössten Teil nicht überzeugt. Sie waren bereit, sich die Pläne der IDF für einen Angriff auf die Syrer anzusehen, mehr nicht.

IDF Soldaten in Jerusalem. Foto BaMachaneh
IDF Soldaten in Jerusalem. Foto BaMachaneh

Am nächsten Morgen, dem 9. Juni, informierte Dayan die Minister, dass er und Eschkol grünes Licht für einen Angriff gegeben hätten; Eschkol klingt im Transkript ausweichend. Shapira war ausser sich: Das ist überhaupt nicht das, worauf wir uns geeinigt haben. Alle anderen fühlten sich unbehaglich, jedoch nicht willens, die Truppen mitten im Gefecht aufzuhalten. Barzilai schwieg interessanterweise die meiste Zeit. Einige der Kibbutzim, die unter Beschuss lagen, gehörten zu seiner politischen Bewegung. Ganz am Ende der Sitzung sickerte durch, dass die Einheiten in Wahrheit noch gar nicht syrisches Territorium betreten hatten, doch im Begriff waren, dies zu tun; die Information blieb unkommentiert.

Das war am Freitagmorgen. Am Abend konnten nur fünf Minister zur Sitzung in Tel Aviv kommen. Da die syrische Artillerie immer noch feuerte, hofften sie, dass die IDF-Einheiten sie vor dem Waffenstillstand erreichen würden. Sie sagten, dass die IDF keinen zweiten Angriff vom Südgolan aus starten solle und erkannten, dass nur noch wenige Stunden verblieben, um alle Ziele zu erreichen. Am Samstagabend, 10. Juni, gab es ein weiteres Treffen. Die IDF hatte doch vom Süden her angegriffen. Die syrische Armee war zusammengebrochen, sagte Dayan, und wir mussten das ausnutzen. Eschkol erklärte halbherzig: “Dayan hat mich informiert”. Er habe den Vorstoss nicht gestoppt, da er dafür gewesen sei. Während der Sitzung kam die Nachricht, dass die beiden IDF-Kolonnen sich im Zentrum des Golan getroffen hätten. Die Minister erhoben sich für eine Schweigeminute für die Gefallenen, dann tranken sie “LeChaim”.

Israel nach dem Sechstagekrieg. Ling.Nut / Steinsplitter, CC BY-SA 3.0, Wikimedia Commons.
Israel nach dem Sechstagekrieg. Ling.Nut / Steinsplitter, CC BY-SA 3.0, Wikimedia Commons.

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Das Sicherheitskabinett von 1967 erscheint in diesen nie publizierten Transkripten als eine Gruppe ernsthafter, professioneller und verantwortungsbewusster Entscheidungsträger. Während die Minister ihre jeweilige Weltsicht offen darlegten, stimmten sie häufig nicht aufgrund von Parteizugehörigkeit ab, waren oft bereit, die Argument der anderen anzuhören und waren in der Regel in der Lage, Entscheidungen zu treffen, wenn auch langsam und durch Kompromisse. Im Malstrom des Sechs-Tage-Kriegs waren diese Charakteristika nicht hilfreich; das Kabinett trat nun in den Schatten seiner beiden rätselhaftesten Mitglieder: Levi Eschkol, den man entweder als eine schwache Figur oder als einen Meister der Manipulation ansehen kann, und Moshe Dayan, der als eine arrogante, aber talentierte Primadonna erscheint.

Die Zielsetzung des Komitees war es, Israels militärischen Herausforderungen zu begegnen. Doch keines seiner Mitglieder hatte den Krieg kommen sehen, solange nicht, bis er schon fast begonnen hatte. Und niemand sah sein Ergebnis vorher. Am 11. Juni 1967, ohne auch nur einen Moment Zeit gehabt zu haben, sich vorzubereiten, mussten die Kabinettsmitglieder entscheiden, was Israel mit den Gebieten anfangen sollte, die ihm so überraschend zugefallen waren. Doch das ist eine Geschichte für einen anderen Tag.

Der Historiker Dr. Yaacov Lozowick ist israelischer Staatsarchivar und war von 1993 bis 2007 Direktor des Archivs in Yad Vashem. Dieser Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache im Tablet Magazine, auf tabletmag.com publiziert. Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung.