Über 30 Christen wurden am Himmelfahrtstag in Ägypten bestialisch ermordet. Wie viele solcher Massaker wird es noch geben, bis die Menschheit begreift, dass das, was da passiert, nicht einfach „Terrorismus“ ist, sondern Völkermord?
Ein Buskonvoi von Christen war unterwegs zum Kloster St. Samuel in al-Minyia, 250 km südlich von Kairo. Bewaffnete hielten die Busse an und forderten die Insassen auf, auszusteigen. Dann forderten sie die Herausgabe von Schmuck, Geld und Mobiltelefonen und verlangten von den Christen, zum Islam überzutreten, also die Schahada zu sprechen: „Ich bezeuge: Es gibt keinen Gott ausser Allah und ich bezeuge, dass Muhammad der Gesandte Allahs ist.“ Alle Christen hätten sich geweigert und gesagt: „Wir sind Christen“, berichtet Bruder Azra Fakhry, der Vikar der Erzdiözese Maghagha und El-Idwa gegenüber World Watch Monitor. Die Christen wurden dann der Reihe nach durch einen Schuss in den Kopf oder den Hals getötet, auch die Kinder.
Im Februar hatte die Gruppe „Islamischer Staat in Ägypten“ ein Video veröffentlicht, in dem sie verkündete, ihre Angriffe auf Christen verstärken zu wollen. Ein Maskierter mit Kalaschnikow sagt darin: „Allah hat uns Befehl gegeben, jeden Ungläubigen zu töten.“ „Anbeter des Kreuzes, die Soldaten des Staates haben euch im Blick“, sagt ein anderer.
Bis vor kurzem nannte sich die Organisation „Islamischer Staat Provinz Sinai“; bevor sie im November 2014 dem Islamischen Staat ihre Gefolgschaft schwor, firmierte sie als „Ansar Beit al-Maqdis“ („Unterstützer des Heiligen Hauses“). Der Sinai ist seit langem eine Hochburg des Terrorismus; die Halbinsel ist anderthalbmal so gross wie die Schweiz, aber nur sehr dünn besiedelt. Aufgrund des Friedensvertrags mit Israel ist sie demilitarisiert. Während des Umsturzes von 2011 wurde die Polizei vertrieben, Terrorgruppen nisteten sich ein.
„Sie wollen alle Christen ausrotten“
Nur von den grösseren Massakern erlangt die Weltöffentlichkeit Kenntnis; die regelmässig an einzelnen Christen verübten Morde bleiben weitgehend unbeachtet. Raymond Ibrahim hat dieser Tage auf der Website des Gatestone Institute die Morde an Christen aufgelistet, die allein im Januar und Februar 2017 in al-Arisch – einer 70 km westlich des Gazastreifens gelegenen Grossstadt mit 150.000 Einwohnern – verübt wurden. Die Mordwelle geht in eine ethnische Säuberung über, die Christen fliehen in Scharen aus der Stadt, meistens die gesamte Familie. „Sie verbrennen uns bei lebendigem Leib. Sie wollen alle Christen ausrotten“, sagt eine Frau in einem Video.
Es ist dasselbe, was den Juden in den arabischen Ländern nach dem Zweiten Weltkrieg widerfahren ist. Während der Welle von Pogromen und Vertreibungen, die in einigen Ländern zur offiziellen Politik erhoben wurde, wurden Juden ermordet, Wohnhäuser, Geschäfte und Synagogen in Brand gesetzt. 850.000 Juden verliessen in einem Massenexodus die arabischen Länder. Heute leben nur noch ein paar wenige Juden in Tunesien und Marokko, die anderen arabischen Staaten sind judenrein, wie es die Nazis nannten. Anders als oft dargestellt, begann diese Gewalt vor der Staatsgründung Israels: Pogrome fanden etwa 1941 im Irak statt (der sogenannte Farhud mit 175 ermordeten Juden) und im November 1945 in Tripolitanien (175 Ermordete) und auch in Ägypten (fünf Ermordete).
Der einzige Grund, warum heutzutage in arabischen Staaten keine Juden mehr ermordet werden, ist, dass es dort keine mehr gibt. So furchtbar die Gewalt, die die Juden in Israel vonseiten der Terroristen erdulden müssen, ist, so gibt es doch nicht den geringsten Zweifel daran, dass ohne die Gründung Israels weitaus mehr Juden ermordet worden wären. Wer weiss, wie viele der Vertriebenen und ihrer Nachkommen noch am Leben wären?
Es ist Völkermord
Juden werden nicht deshalb immer wieder Ziel von Anschlägen, weil ein paar Leute mit der israelischen Politik nicht einverstanden wären, sondern weil sie Juden sind. Es ist ein Völkermord. Das ist völlig klar, wenn man die UN-Völkermordkonvention zugrunde legt. Merkmale eines Genozids sind demnach:
eine der folgenden Handlungen, die in der Absicht begangen wird, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören:
- a) Tötung von Mitgliedern der Gruppe;
- b) Verursachung von schwerem körperlichem oder seelischem Schaden an Mitgliedern der Gruppe;
- c) vorsätzliche Auferlegung von Lebensbedingungen für die Gruppe, die geeignet sind, ihre körperliche Zerstörung ganz oder teilweise herbeizuführen;
- d) Verhängung von Massnahmen, die auf die Geburtenverhinderung innerhalb der Gruppe gerichtet sind;
- e) gewaltsame Überführung von Kindern der Gruppe in eine andere Gruppe.
Es ist wichtig zu beachten, dass es für den Begriff des Völkermords keine Rolle spielt, wie viele Menschenleben ausgelöscht werden. Er misst sich nicht anhand der Zahl der Leichen, sondern an der Absicht. Wenn jemand Menschen nur deshalb ermordet, weil sie Juden sind, ist es Völkermord. Dasselbe gilt für Morde an Christen wie in Ägypten, Syrien oder dem Irak. Die Täter sind dieselben: Diejenigen, die Juden töten, weil sie keine Muslime sind, töten auch Christen, weil sie keine Muslime sind.
Der Begriff Völkermord tauchte im Sommer 2014 in der Debatte auf, als es um die Ermordung von Christen und Jesiden in Syrien und dem Irak ging. Er wird hingegen kaum oder gar nicht gebraucht, wenn von den Morden an Christen in Ägypten (oder Juden in Israel) die Rede ist. Das ergibt offensichtlich keinen Sinn. Warum ist die Ermordung von Christen in Mossul ein Völkermord, die in Kairo aber nicht? Einige scheinen zu denken, dass zu einem Völkermord die militärische Kontrolle über ein Gebiet gehöre, welche der IS in Teilen des Irak und Syriens hat, in Ägypten hingegen nicht. Das ist nicht logisch. Sowohl die Zielsetzung als auch die Folge sind in beiden Fällen dieselbe: Wenn jemand Christen oder Juden tötet, weil er meint, dass sie kein Recht hätten, zu leben – nicht in einem bestimmten Gebiet oder überhaupt –, dann ist das ein Völkermord, auch wenn er nicht von einer staatlichen oder staatsähnlichen Entität wie dem IS angeordnet und organisiert ist.
„Die Ermordung von Christen in Ägypten oder von Juden in Israel dient keinem Zweck, sie ist der Zweck.“
Unterschied zum Terrorismus
Warum wird dieser Völkermord nicht als solcher erkannt und benannt? Zwei Gründe fallen ein: Zum einen bedient er sich der Methoden des Terrorismus, weswegen er mit diesem verwechselt werden kann. Doch es gibt einen wesentlichen Unterschied zwischen politischem Terrorismus und Völkermord mit terroristischen Mitteln. Der klassische Terrorist ist der Königsmörder. Vielleicht will er, dass ein anderer auf dem Thron sitzt oder er ist gegen die Monarchie überhaupt; vielleicht ist er ein Separatist oder Nationalist oder was auch immer. In jedem Fall ist die Tat mit politischen Absichten verknüpft. Auch die Morde der RAF, der Roten Brigaden, der ETA, der korsischen Separatisten oder der IRA hatten eine politische Motivation, so pervers diese auch gewesen sein mag. Die Ermordung von Christen in Ägypten oder von Juden in Israel dient keinem Zweck, sie ist der Zweck. Die Dschihadisten wollen nichts anderes als christliches und jüdisches Leben zu vernichten.
Dass sie dabei auch Kinder ermorden, ist keineswegs ein Versehen. Wenn sie sich in die Schlafzimmer 13-jähriger Mädchen schleichen, um diese im Schlaf zu meucheln, mit einem Scharfschützengewehr ein Baby im Kinderwagen erschiessen oder einem drei Monate alten Säugling in der Wiege den Kopf abschneiden, dann handeln sie aus derselben Motivation heraus, aus der die Nationalsozialisten eine Million jüdische Kinder ermordeten: Sie wissen, dass Kinder erwachsen werden und selbst Kinder haben werden. Sie wollen einem Volk den Lebensfaden abschneiden. Wer ein Kind ermordet, der löscht nicht nur einen Menschen aus, sondern auch all die Nachkommen, die dieser gehabt hätte. Die Shoah wirkt bis zum heutigen und bis zum letzten Tag weiter. Die Nationalsozialisten haben nicht nur sechs Millionen Juden ermordet, sondern auch verhindert, dass diese Nachkommen haben werden. Jedes Jahr werden über hunderttausend jüdische Kinder nicht geboren, weil diejenigen, die ihre Vorfahren gewesen wären, ermordet wurden, ohne dass sie selbst Kinder gehabt hätten, die den Holocaust überlebt haben. Das Leben der Opfer nicht nur im Hier und Jetzt auszulöschen, sondern bis in alle Ewigkeit, das ist das Wesen des Völkermords. So unmenschlich die säkularen Terroristen des 20. Jahrhunderts auch waren – das Bestreben zu verhindern, dass bestimmte Menschen überhaupt geboren werden, gehörte nicht zu ihren Zielsetzungen. Der Völkermord, der sich terroristischer Mittel bedient, ist etwas grundlegend anderes als der politische Terrorismus. Man muss aber, um ihn zu identifizieren, das Ziel erkennen, was nicht immer leicht ist. Die Massaker von Mumbai etwa hätte man leicht für nationalistischen Terrorismus halten können, wenn man nicht wüsste, dass die Täter auch das Haus der Chabad-Lubavitch-Gemeinde aufsuchten, um dort Juden zu foltern und zu ermorden.
„Tröpfchenweiser“ Genozid
Der andere Grund, warum der Völkermord an Christen, Juden und anderen Minderheiten in der islamischen Welt nicht als solcher erkannt wird, ist der lange Zeitraum, über den er sich erstreckt. Der pakistanische Journalist und Buchautor Farahnaz Ispahani spricht von einem „tröpfchenweise“ stattfindenden Genozid in seinem Land:
„Kurz vor der Teilung Indiens und Pakistans hatten wir eine gesunde Balance von nichtmuslimischen Religionen. Hindus, Sikhs, Christen und Zoroaster. Pakistan hat sich von 23 Prozent [Anhänger nichtmuslimischer Religionen im Jahr 1947] zu drei Prozent heute entwickelt. Ich nenne das einen ‚Tröpfchengenozid’, denn es ist die gefährlichste Art, religiöse Gemeinschaften auszulöschen. … Es passiert nicht an einem Tag. Auch nicht innerhalb von ein paar Monaten. Sondern Stück für Stück, durch Gesetze, Institutionen, die Bürokratie und das Strafrecht, durch Schulbücher, in denen andere Religionen schlechtgemacht werden – bis zu dem Punkt, wo man diese Art von Dschihad-Kultur hat, die nun um sich greift.“
Selbsttäuschung: „Wir sind schuld – oder Israel“
Im Westen verurteilt man „Anschläge auf Christen“, will aber von einer systematischen Christenverfolgung nichts wissen und nicht darüber reden. Denn dann müssten Regierungen ihre eigene Politik rechtfertigen. Wie können Länder, in denen es blutige Christenverfolgungen gibt, Bündnis- oder Geschäftspartner sein? Wie kann man mit denen, die zur Verfolgung aufrufen, einen „Dialog“ führen, wie es der deutsche Bundesinnenminister Thomas de Maizière tut? Er traf sich im Mai beim Kirchentag mit Ahmad al-Tayyeb, Gross-Scheich und Gross-Imam der Azhar-Moschee in Kairo. Es war ein netter Plausch. Kein Wort darüber, dass al-Tayyeb und seine Institution zur Ermordung von „Apostaten“ aufrufen.
„Erst die Samstagsleute, dann die Sonntagsleute“
Auch die Gewalt gegen Christen in deutschen Flüchtlingsunterkünften ist nur in wenigen Zeitungen ein Thema, nicht aber für Regierungen und Behörden. Offenbar fürchten diese, dass das Reden über Christenverfolgung durch muslimische Migranten ein schlechtes Licht auf Letztere werfen könnte und ziehen es deshalb vor, gewalttätige, islamisch motivierte Übergriffe zu verschweigen. Überhaupt mag sich in unserer atheistisch geprägten Gesellschaft offenbar niemand vorstellen, dass Konflikte und Gewalt einen religiösen Ursprung haben können. Stattdessen werden Scheinerklärungen präsentiert: Entweder wird Israel verantwortlich gemacht oder die „Politik des Westens“. Jeremy Corbyn, der Chancen hat, zum nächsten britischen Ministerpräsidenten gewählt zu werden, machte in einer nach dem Massaker von Manchester gehaltenen Rede die britische Regierung verantwortlich: Es gebe „Verbindungen zwischen den Kriegen, die unsere Regierung in anderen Ländern wie etwa Libyen unterstützt oder geführt hat, und dem Terrorismus hier bei uns“. Wenn das stimmen würde: Welcher Beteiligung an Kriegen hätten sich dann die Christen in Ägypten, Pakistan, Nigeria oder Kenia schuldig gemacht? Die Theorie, dass die Dschihadisten friedfertige Leute wären, die nur „zurückschlagen“, wenn sie angegriffen werden, hält selbst einer oberflächlichen Betrachtung nicht stand. Doch sie wird weiter gepredigt werden, weil einige linke und „antizionistische“ Kräfte ein politisches Interesse daran haben, für jeden von Dschihadisten verübten Terroranschlag Israel oder dem Westen die Schuld zu geben. Wenn diese nur ihre Politik ändern würden, würde der Terror mit einemmal aufhören, sagen sie. Doch Juden und Christen werden nicht dessentwegen ermordet, was sie oder ihre Regierungen tun, sondern wegen dessen, was sie sind: keine Muslime. Erst wurden die Juden in der muslimischen Welt vertrieben oder ermordet, jetzt trifft es die Christen. „Erst die Samstagsleute, dann die Sonntagsleute“, lautet ein Slogan, der in manchen arabischen Vierteln an Wände gesprüht wird. Solange das Reden über die Verfolgung der Christen ein Tabu ist, kann es auch keine wirksame Hilfe für sie geben. Die aber ist dringend nötig.
Israel: „Insel der Zuflucht“
Das einzige Land im Nahen Osten, in dem Christen sicher sind, ist Israel. „Christen in Ägypten und Israel leben in zwei verschiedenen Welten“, sagt Chris Mitchell, Redaktionsleiter des christlichen amerikanischen Fernsehsenders CBN in Jerusalem und Autor zahlreicher Sachbücher über den Nahen Osten, gegenüber Audiatur-Online. „In Ägypten hat der IS Christen zu seiner ‚bevorzugten Beute’ erklärt und geschworen, dass die Terroranschläge ‚erst der Anfang’ seien. Das Massaker bei Minyia war nur das jüngste schreckliche Beispiel dafür, wie islamistische Terrorgruppen die ägyptischen Christen ins Visier nehmen. Es folgt auf den doppelten Selbstmordbombenanschlag am Palmsonntag und den Terroranschlag in Kairo im Dezember. In krassem Gegensatz dazu geniessen die Christen in Israel die Sicherheit und den Schutz eines Landes, das Religionsfreiheit garantiert. Der jüdische Staat bleibt eine Insel der Zuflucht für Christen, inmitten eines Ozeans des Chaos, auf dem ihre Glaubensbrüder anderswo im Nahen Osten treiben.“
Vielen Dank für diesen wichtigen Beitrag.
Das Los der Christen im Nahen Osten wird nicht nur tot geschwiegen. Die linken Atheisten geben ihnen sogar die Schuld für ihre eigene Verfolgung. Man muss das in aller Deutlichkeit sagen: die heutigen Islamophobie ExpertInnen, die den Massenmord an den Christen verdrängen, betrachten die Christen bloß als „Untermenschen“.
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