Nach 50 Jahren entdeckt: Was Elie Wiesel über den Sechstagekrieg schrieb

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Fotomontage "The Forward"
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Dieser Artikel erschien ursprünglich auf Englisch in The Forward am 1. Mai 2017.

Zukünftige Generationen werden es vermutlich nie glauben. Lehrer werden es schwer haben, ihre Schüler davon zu überzeugen, dass das, was sich wie eine Legende anhört, tatsächlich geschehen ist. Die Kinder werden natürlich jedes Wort aufsaugen, jedoch später, als Erwachsene, werden sie nur lächelnd mit den Köpfen nicken und sagen, dass dies Hirngespinste der Vergangenheit sind.

von Elie Wiesel, 12. Juni 1967

Sie werden nicht glauben, dass diesem kleinen Staat, der rundum von Hass, Feuer und Mord umgeben war, in derartiger Schnelle ein Wunder gelungen war. Es wird schwierig sein, zu beschreiben, wie sich mitten in einem Meer aus Hass eine winzige Armee erheben konnte und mehrere gut ausgestattete militärische Scharen aus wer weiss wie vielen arabischen Ländern demütigte.

Wie sagte der anerkannte Gelehrte und Talmud-Genie Shaul Liebermann noch gleich? In 2.000 Jahren werden die Menschen diese Ereignisse so betrachten, wie wir es mit den Beschreibungen der Makkabäer und deren Siegen tun.

Sagte ich in 2.000 Jahren? Nein, sagen wir lieber in einem Jahr oder sogar morgen.

Vergangenen Sonntag drohten die Araber und ihre Verbündeten Israel grossspurig, wenn es wagen würde, nur einen Schritt weiter zu gehen, dann würde es mit seiner Existenz dafür bezahlen. Wenige Stunden später rückten unsere jüdischen Helden vor und die ganze Welt hielt ihren Atem an und folgte jeder ihrer Bewegungen.

Sie werden sich an die Radioübertragungen Anfang der Woche erinnern, die sich geradezu geschäftsmässig anhörten. Im Stundentakt erklärten die arabischen Regierungen Israel den Krieg: Ägypten, Jordanien, Syrien, Jemen, Libanon, Saudi-Arabien. Und dann: Marokko, Tunesien und Algerien. In Tunesien kam es durch den aufgehetzten Mob zu einem Pogrom im jüdischen Viertel. Andere muslimische – oder teilweise muslimische – Länder eilten sich, in Nassers [Gamal Abdel, damaliger ägyptischer Präsident] „Heiligen Krieg“ einzutreten. Malaysia, Sudan, Mali, Guinea und weitere.

Wir kauten auf unseren Lippen herum, liessen unsere Knöchel knacken und egal, wie wir uns auch drehten und wendeten, wir fanden keine bequeme Position. Insgeheim fragten wir uns, ob die Prüfung dieses Mal nicht doch zu schwer war. Wurde zu viel vom jüdischen Volk und seinem Land verlangt? Wie konnten wir erwarten, gerettet zu werden – wissend, dass der Feind zehn Millionen, nein, sogar Hunderte von Millionen Menschen stark war gegenüber einer verschwindend geringen Zahl von nur 2 Millionen Juden in Israel?

“Zwischen Pessach und Schawuot, geschah das Hanukkah-Wunder”

Und dann, zwischen Pessach und Schawuot, geschah das Hanukkah-Wunder. Es dauerte nicht lange und der vermeintlich mächtige Feind war sprachlos und verlor die Nerven. Selbst der sowjetische UN-Botschafter Nikolai Fedorenko änderte plötzlich seinen Ton. Anstatt sich darum zu sorgen, ob Nasser letztlich seinen Machthunger zügeln würde oder nicht, begannen die Führer der Welt, nach Wegen zu suchen, um dem israelischen Premier Levi Eshkol gegenüber Wiedergutmachung zu leisten.

Es war, als hätte ein Theaterregisseur, der mit seiner Besetzung nicht vertraut war, plötzlich die Rollen seiner Darsteller vertauscht: Jene, die vorher stur gegen uns waren, baten nun, da sich ihre vorherigen Beschützer von ihnen distanzierten, um Gnade. Über Nacht hatte sich die Stimmung im UN-Sicherheitsrat verändert und war kaum wiederzuerkennen.

Wir alle müssen das Hallel-Dankgebet sprechen, weil wir das Privileg hatten, Zeugen dieser Ereignisse werden zu dürfen. Der Kampf ist noch nicht vorbei, aber der Feind hat sich schon zurückgezogen und wird sich nicht so leicht wieder erholen.

Es kann gut sein, dass zukünftige Generationen nicht verstehen werden, wie Israel seine Feinde besiegen konnte. Ja, es hat Opfer gegeben, aber auf lange Sicht geht nichts verloren.

Das Blut, das von unseren jungen Löwen vergossen wurde, die erlittenen Opfer, all das wird ins Buch des Lebens eingeschrieben werden. Die Träne einer jeden Witwe, das Todesröcheln jedes gefallenen Soldaten – all das wird von unseren Nachkommen nicht unbemerkt bleiben.

Für Juden aus der ganzen Welt werden diese jüngsten Ereignisse eine tiefe Quelle des Stolzes sein. Alle Juden sind gemeinsam Zeugen dieser Prüfung geworden und haben sie gemeinsam überlebt. Nur selten fühlen wir als Volk eine solch tiefe Verbundenheit zueinander, eine solch tiefe Treue zu den reinsten Prinzipien, geboren aus unserer gemeinsamen Vergangenheit.

Erinnern Sie sich daran, wie Tausende jüdische Jugendliche die israelischen Konsulate belagerten, weil sie unbedingt als Freiwillige nach Israel geschickt werden wollten? Erinnern Sie sich an die Massendemonstrationen auf den Strassen? Und an die unzähligen Juden, darunter die Ärmsten der Armen, die ihre mageren Ersparnisse in die pushkes [Spendendosen] des United Jewish Appeal steckten?

Dieses neue jüdische Erwachen ist ein Teil dieses Wunders, ein Teil des jüdischen Sieges. Die, die gedacht hatten, Juden hätten Angst vor riesigen Armeen, haben sich geirrt und die, die dachten, man könnte den jüdischen Staat von dem jüdischen Volk in der ganzen Welt trennen, haben uns eindeutig unterschätzt.

Elie Wiesel (1928–2016) kam 1956 als fester Mitarbeiter zu der jüdischen Tageszeitung „Forverts“. Aus dem Jiddischen übersetzt von Chana Pollack.

1 Kommentar

  1. Die Araber und alle beteiligten Moslems haben “die Rechnung ohne den Wirt” gemacht.
    “Der Wirt” ist niemand anderes als der ALLMÄCHTIGE, unser Gott und Vater.
    Ja, das war ein wirkliches Wunder! Dieses Wunder ist übrigens in dem Wort Gottes verbrieft.
    Wer die Bibel liest weiß mehr und kann letztendlich die Vergangenheit und die Zukunft logisch deuten; ohne ein Wahrsager zu sein. Der ALLMÄCHTIGE beschützte Israel und sein Volk.
    Dieser Kampf war ein Vorgeschmack auf die Endzeit. Und er zeigt uns, dass Einer gewinnen wird, der Sohn Gottes, der Messias, der Herr Jesus Christus.

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