In diesem Jahr liegt das achttägige jüdische „Fest der ungesäuerten Brote“, „Pessach“, in den christlichen Osterfeiertagen, beginnend mit dem Seder-Abend am Montag nach Palmsonntag. Ganz Israel stellt sich in dieser Zeit auf die religiösen Gesetze um. In den Supermärkten in jüdischen Vierteln sind die Regale mit „Gesäuertem“, darunter Mehl, Nudeln, Bier, mit Zeitungspapier oder undurchsichtigen Plastikplanen verdeckt.
Wie in jedem Jahr wurde alles „Gesäuerte“, also Mehl, Gerste und andere Körner, die aufgehen könnten, an Dschaber Hussein aus Abu Gosch „verkauft“. Das machte ihn augenblicklich zum „reichsten Mann Israels“. Hussein erwarb alle gesäuerten Produkte zum lächerlichen Preis von nur 20.000 Schekeln, umgerechnet etwa 5.000 Euro. Den „Vertrag“ unterschrieb Finanzminister Mosche Kachlon im Beisein der Oberrabbiner. In einer Woche wird Hussein wieder gerufen und erhält die Gelegenheit, das „Geschäft“ zu bereuen. Dann wird ihm der vorgeschossene Preis erstattet.
Alles muss raus
Die Juden begehen an Pessach eigentlich ihre „Freiheit aus der Sklavenschaft in Ägypten“. Doch viele Juden, nicht nur Fromme, sind bereit, sich für dieses Fest einer regelrechten Versklavung zu unterwerfen. Denn schon einen Monat vor dem Fest beginnt eine nationale Putzwut. Die Wohnungen werden frisch getüncht, Möbel gerückt und die Küche zeitweilig von allen Pötten und Tellern befreit. Metallenes Besteck und Ofengitter müssen in riesigen Bottichen mit kochendem Wasser „gekoschert“ werden. Neu gekauftes Geschirr oder Besteck wird in einer Prozedur – genannt Tevilat Kelim – in einem Becken mit natürlichem Wasser getaucht, bevor es benutzt werden darf. Dazu wird selbstverständlich ein Segen rezitiert. Das Geschirr in die Spülmaschine zu packen, reicht nicht aus. Denn nach Angaben von Rabbinern dürften die meisten Küchengeräte von „Gojim“, also Nichtjuden, hergestellt worden sein. Es geht darum, die eigene Wohnung von allem „Gesäuerten“ zu befreien. Am Vorabend des Festes geht der Hausherr mit einer Kerze, einem hölzernen Kochlöffel und einer Hühnerfeder bewaffnet durch das Haus. Selbstverständlich „findet“ er an einem vorbreiteten Ort noch ein paar Krümel, die am nächsten Morgen auf Lagerfeuern im ganzen Land verbrannt werden.
Fertige Sets mit Kerze, Kochlöffel und Feder werden in Supermärkten verkauft.
Einen „Koscher-für Pessach“ Stempel erhalten nicht nur Speisen, sondern sogar Zigaretten und Klopapier. So werde sichergestellt, dass sich in dem Klebstoff bei den Zigaretten kein „Chametz“, befinde und dass die Zigaretten, wie auch das Klopapier, nicht – Gott behüte –am wöchentlichen Ruhetag, dem Sabbat, hergestellt wurden, erklärte ein Sprecher des grossen Zigarettenherstellers Dubek.
Knabbernde Affen und „glückliche Katzen“
Haustiere und Tiere in Zoos sind von diesen strengen Speisegesetzten ausgenommen. Die Tora, die 5 Bücher Moses, mit den 613 Gottesgeboten, lehrt Mitleid mit Tieren. So haben auch sie es verdient, sich am Sabbat zu erholen, sind aber nicht an die Mitzvoth (Gebote) gebunden. So dürfen Tiere auch während des Pessachfestes Chametz essen, ohne göttlichen Zorn zu provozieren.
Der Haken ist, dass ein jüdischer Haushalt mit Kaninchen oder Hühnern während dieser acht Tage nichts Gesäuertes im Haus haben darf. Also müssen sich fromme Haushalte koscheres Tierfutter besorgen, darunter die richtigen Körner für Papageien und Wellensittiche und koscher aufbereitetes Fischfutter.
In Tel Aviv kann man das sogar in der Schenkin-Strasse erwerben, dem Treffpunkt weltlicher, linker und anti-religiöser Israelis. Shahar Linker verkauft dort Tierfutter ohne Chametz, darunter die Marke „Glückliche Katze“ und „Aquafin“ Fischfutter.
Weil es frommen Juden in dieser Woche sogar verboten ist, „Gesäuertes“ zu sehen, hat sich auch der Safari-Park auf das Fest vorbereitet und alle Tiergehege im grössten Zoo des Landes geschrubbt. Affen und Elefanten werden auf Matzebrote umgestellt. Die Tiere im Freiland-Teil des Zoos, die normalerweise Weizen und Hirse essen, werden mit Mais und Hülsenfrüchten „koscher“ gefüttert, sagte die Parksprecherin. Man habe rechtzeitig 13 Tonnen des „Zeugs“ gekauft.
Die papptrocknen ungesäuerten Brote scheinen die Tiere nicht weiter zu stören. Affen geniessen sie sogar als besondere Delikatesse. Aber viele nicht-fromme Israelis können Matzebrot nicht ausstehen, obwohl man mit ihnen durchaus Delikatessen herstellen kann, wie etwa eine Matze-Knödel-Suppe. Für jene, die sich nicht an die Speisegesetze halten, gibt es in Tel Aviv zum Glück die Abulafia-Bäckerei im arabischen Vorort Jaffo oder die Bäckereien am Damaskustor in Jerusalem. Die verzeichnen während der Pessach-Woche Hochkonjunktur, wenn die unfrommen Juden kommen und sich mit arabischen Fladenbroten und sesambestreuten ovalen Bretzeln eindecken.
Ab Ostermontag dürfen auch die frommen Juden in aller Welt wieder Bier trinken und frisches Brot geniessen.