Sächsische Handwerker nach Israel

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Alle zwei Monate reist ein vom Verein Sächsische Israelfreunde organisierter Handwerkerdienst nach Israel, um dort ehrenamtliche Arbeit zu leisten. Es sind sowohl Handwerksmeister als auch Helfer, die in ihrem Berufsleben gar nichts mit Handwerk zu tun haben. Sie reisen in Gruppen von 20 bis 25 Personen, bleiben für zwei Wochen und verrichten in dieser Zeit Arbeit für Bedürftige und in öffentlichen, karitativen oder kulturellen Einrichtungen. Neben kleineren Arbeiten, die mit Farbrolle, Lackpinsel oder Maurerkelle zu erledigen sind, gehört auch schon mal das Fällen eines morschen Baums dazu.

Seit nunmehr 13 Jahren kommen so Jahr für Jahr 120 bis 150 Deutsche – längst nicht mehr nur aus Sachsen – nach Israel, um zu helfen. Für ein touristisches Programm ist dabei wenig Zeit, doch zu jeder Reise gehören Gebete und ein Besuch der Holocaustgedenkstätte Yad Vashem. Denn der christliche Glaube und das Bewusstsein für das Verbrechen der Shoah und seine Opfer sind der Antrieb bei diesem Unternehmen. „Es geht nicht darum, immer neue Farbe aufzutragen, sondern darum, dass wir als Deutsche um Vergebung dafür bitten, was Deutsche den Juden angetan haben“, sagt Wilfried Gotter, Geschäftsführer der Sächsischen Israelfreunde.

Derzeit hat der Verein 333 Mitglieder. Zu seiner Tätigkeit gehören neben dem Handwerksdienst auch politische Bildungsarbeit in Sachsen und darüber hinaus sowie die Herausgabe der dreimal im Jahr erscheinenden Zeitschrift „Zum Leben“.

Seit 2012 betreibt der Verein zudem in Reichenbach im Vogtland ein Bildungs- und Begegnungszentrum für jüdisch-christliche Geschichte und Kultur. „Dort zeigen wir eine Ausstellung mit massstabsgerechten Modellen der historischen Bauten der Bibel – angefangen mit der Stiftshütte über den salomonischen Tempel bis hin zum Tempel zur Zeit Jesu“, sagt Gotter. „Dazu präsentieren wir die Geschichte der Bibel von Abraham bis zur heutigen Zeit. So versuchen wir auch geistlich zu vermitteln, warum wir das in Israel tun: Weil Juden und Christen zusammengehören.“

„Dieses Jahr werden wir eine echte Torarolle bekommen.“

Das Zentrum steht Gemeinden, Schulklassen und vielen anderen Gruppen offen, die mittlerweile aus ganz Deutschland kommen. Jedes Jahr sind es etwa 3.000 Besucher, mit wachsender Tendenz. „Dieses Jahr werden wir eine echte Torarolle bekommen. Ein Vertreter der israelischen Regierung wird anwesend sein, das wird eine grosse Sache“, so Gotter.

Mit einer Ausstellung fing alles an

Mit einem dieser Modelle habe überhaupt alles angefangen, erklärt er. Es war 1993, kurz nach der Wende in der DDR, Gotter und einige Mitstreiter waren damals noch im CVJM organisiert. „Zu der Zeit gab es eine Stiftshütte, die von der Bibelschule Breckerfeld gebaut worden war. Die haben wir nach Sachsen geholt und eine grosse Ausstellung gemacht. Die lief etwa ein Vierteljahr, und in diesem Zeitraum kamen etwa 70.000 Leute. Das war der Start.“ Als „ein grosses Glück und eine Gnade“ empfindet er es, „dass wir damals Pfarrer und Diakone hatten, die uns Israel ans Herz gelegt hatten“.

Aus der Ausstellung entstand eine kleine Israelbewegung in Sachsen. 1998, zu Israels 50. Geburtstag, organisierte der Verein eine Konferenz, zu der 6.000 Besucher kamen. Nicht nur als Deutscher, sondern auch als Ostdeutscher spürt Gotter eine besondere Verantwortung. „Als kurz nach der Wende die Stasi-Archive geöffnet wurden, da wurde uns im Osten der Republik klar, was wir schon immer geahnt hatten, aber nicht genau wussten: Dass in der DDR auch palästinensische Terroristen ausgebildet wurden.“ Allein in Sachsen habe es zwei Ausbildungslager gegeben. „Das war für uns ein Punkt, wo wir gesagt haben: Wir können das nicht wiedergutmachen, aber wir können Kontakte zu Leuten in Israel knüpfen, die betroffen waren, um Vergebung bitten – einen Schritt zur geistigen Gesundheit tun. Für uns selbst, aber auch für das Verhältnis zwischen Israel und Deutschland.“

Helfende Hände

Wie kam es dann zu den Handwerkerreisen? „Bis 2003 haben wir jeden Sommer in Ariel in Israel Familienrüstzeiten veranstaltet“, so Gotter. „Am Rande eines solchen Treffens stiessen wir dann auf Leute, die sehr verarmt wirkten. Sie hätten uns wohl nicht zu sich nach Hause eingeladen, wenn nicht einer der Teilnehmer einen Kreislaufzusammenbruch erlitten hätte. Da kamen wir dann in ihre Wohnung und sahen, unter welch unwahrscheinlichen Bedingungen die Leute hausten. So kam es, dass wir gesagt haben: Hier müssen wir was tun.“ Dann habe sich herausgestellt, dass es sich um Holocaustüberlebende handelte. „Wir haben dann ein Acht-Mann-Team gebildet, und das hat sich von Jahr zu Jahr gesteigert, so dass wir nun im Schnitt 160 Leute sind, die jedes Jahr zum Arbeiten nach Israel reisen. Wir helfen nicht nur Holocaustüberlebenden – die werden ja immer weniger –, sondern auch deren Kindern, die oft genauso traumatisiert sind wie ihre Eltern.“

Wenn sie in Israel angekommen sind, kaufen die Gruppen im Baumarkt ein. Die nötigen Baustoffe werden über Spenden finanziert. Die Kosten für die Reise – für die Handwerker, wenn sie Angestellte sind, Urlaub nehmen oder, wenn sie selbständig sind, ihren Betrieb ruhen lassen – zahlen die Teilnehmer aus eigener Tasche, etwa tausend Euro sind das pro Person.

„Der Dienst wird in Israel sehr geschätzt.“

Wie kommt die Arbeit vor Ort an? „Der Dienst wird in Israel sehr geschätzt“, sagt Gotter. „Wir haben Kontakte zu Bürgermeistern und vor allem auch zu Sozialarbeitern, in Jerusalem, in Haifa, in Tiberias oder in Sderot.“ Von diesen würden die sächsischen Handwerker gerufen, wenn etwas zu tun ist. Hauptsächlich seien es „simple Renovierungsarbeiten in Wohnungen: Malerarbeiten, Trockenbau, vielleicht mal eine Wand versetzen oder in Türen neue Schlösser einsetzen“. Es komme aber auch mal vor, dass ein Haus in einem so katastrophalen Zustand ist, dass z.B. die gesamte Elektrik erneuert werden müsse. „Wir hatten auch schon grössere Objekte. Bei einer Schule in Jerusalem und einem Behindertenheim bei Haifa haben wir die Dächer neu gedeckt. Wenn so etwas ansteht, dann nehmen wir die entsprechenden Spezialisten mit.“ Vor Ort gibt es inzwischen Mitarbeiter – zwei Ehepaare –, die sich die Objekte, die von Kommunen, Gemeinden oder Sozialarbeitern gemeldet werden, vorab ansehen und dann entscheiden, was zu tun ist.

„Das sehe ich als ein Wunder“

Auch während der Waldbrände von November war eine Handwerkergruppe aus Sachsen vor Ort. „Während der Brände konnten wir vielerorts nichts unternehmen, weil die Wohnungen nicht freigegeben waren“, sagt Gotter. „Wir haben uns also erst einmal nur um drei Objekte in Haifa gekümmert.“ Die meisten Brände hätten sich nicht selbst entzündet, sondern seien gelegt worden, seien also Terroranschläge gewesen. „Bei denen ist der Staat für die Wiederinstandsetzung zuständig, unsere Gruppen sind darum gut mit Arbeit eingedeckt.“

Der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) zeigte 2014 einen Dokumentarfilm der Regisseurin Ilona Rothin, die die Handwerker bei einer der Reisen begleitet hatte („Gott hat sie geschickt“ – Sächsische Handwerker helfen in Israel“). Eine der Baustellen damals war der Balkon von Yudith Herschkovitz, einer Holocaustüberlebenden. Sie wurde 1929 in einem Dorf bei Budapest als Kind ungarischer Juden geboren. Ihr Bruder, ihre Schwester und ihre Grosseltern wurden in Auschwitz ermordet. Sie selbst musste 575 Kilometer von Auschwitz nach Taucha bei Leipzig zu Fuss zurücklegen und dort, in Sachsen, Arbeit in einer Munitionsfabrik verrichten. Das Ende des NS-Regimes erlebte sie schwer krank in einem Krankenhaus in Chemnitz, in das sie Mitgefangene gebracht hatten. „Das Besondere, wo ich staune, dass die Holocaustüberlebenden überhaupt ihre Türen öffnen für uns als Deutsche, nach über 70 Jahren, in denen oft überhaupt nichts passiert ist“, sagt ein Teilnehmer der Reise in dem Film. „Und dann fangen sie an, ihre Geschichte zu erzählen. Das sehe ich als ein Wunder.“

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Über Stefan Frank

Stefan Frank ist freischaffender Publizist und lebt an der deutschen Nordseeküste. Er schreibt regelmässig über Antisemitismus und andere gesellschaftspolitische Themen, u.a. für die „Achse des Guten“, „Factum“, das Gatestone Institute, die „Jüdische Rundschau“ und „Lizas Welt“. Zwischen 2007 und 2012 veröffentlichte er drei Bücher über die Finanz- und Schuldenkrise, zuletzt "Kreditinferno. Ewige Schuldenkrise und monetäres Chaos."

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