Meine Gedanken zum Holocaust-Gedenktag

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Rosa und Lazar Kahan. Foto Yvette Schwerdt
Rosa und Lazar Kahan. Foto Yvette Schwerdt
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Sie ist sehr elegant, unsere Mutter. Zierlich und fein und stets sorgfältig gekleidet. Auch ihr Benehmen zeugt von vornehmer Zurückhaltung. Einzig, wenn sie auf Antisemitismus stösst, da verliert sie die Fassung. Da wird sie zur Löwin.

Kein Wunder. Rosa war als ganz junges Mädchen knapp ein Jahr lang im Konzentrationslager Auschwitz. Dort hat sie Vater und Bruder verloren. Dort musste sie, zum Skelett abgemagert, ebenso schwere wie sinnlose Sklavenarbeit verrichten. Dort hat sie, entgegen aller Widrigkeiten, überlebt. Zweimal wurde unsere Mutter nach links, sprich in den Gaskammer-Tod, geschickt. Zweimal wurde sie, wie durch ein Wunder, gerettet.

Diese Erlebnisse haben unsere Mutter geprägt. Und uns Kinder auch. Im Gegensatz zu vielen anderen KZ-Überlebenden haben unsere Eltern – mein Vater war ebenfalls in Auschwitz und auch in anderen, notorischen Konzentrationslagern interniert — mit uns ganz offen über die Traumata ihrer Jugend gesprochen. Was sie daraus gelernt haben, wollten sie an uns weitergeben. Etwa, die Bedeutung einer guten Ausbildung – „weil Dir das niemand wegnehmen kann“; den Wert des Zusammenhalts – „weil man gemeinsam so viel stärker ist, als allein“ und – einigermassen erstaunlich – den Glaube an Gott, die Zukunft und das Gute im Menschen – „weil es sich nur so, zu leben lohnt“.

Noch eines, aber, war meinen Eltern um und auf: ihre tiefe Verbundenheit zum Staate Israel. Sie lebten und schufen in Österreich, betrachteten Israel aber als ihre zweite Heimat. Schliesslich bot ihnen der jüdische Staat, der nach zweitausend Jahren der Diaspora endlich Wirklichkeit geworden war, unabdingbaren Schutz. Fortan, das wussten sie,  würden Juden nie mehr zum Freiwild anderer Nationen werden, nie mehr – wehrlos und ohne Zufluchtsort –der Willkür ihrer Feinde ausgeliefert sein. Israel, ein freies, souveränes Israel  sei Garant für das Überleben des jüdischen Volkes. Mehr noch: Israel diene fortan als Hoffnungsträger für die internationale Gemeinschaft, stünde als Symbol für den Triumph von Toleranz und Recht über Tyrannei und Terror.

Am 27. Januar 2016 gedachte die Welt der Holocaust-Opfer. Unsere Mutter war berührt. Der Tag sei ein wichtiger Anlass, erklärte sie uns. Er würde gleich mehrere Funktionen erfüllen — die Vergangenheit nicht in Vergessenheit geraten lassen, den Opfern würdigen und künftigen Generationen die Auswüchse von Rassismus und Gewalt, deutlich vor Augen führen.

Für Ali Khamenei war der 27. Januar 2016 ebenfalls ein Anlass. Ein Anlass, nämlich, den Holocaust zu leugnen. Wieder einmal. Die Shoah habe, so Irans oberster Religionsführer, wahrscheinlich gar nicht, und sicher nicht wie berichtet, stattgefunden. Und weil das alles nur Humbug wäre, rief Khamenei, wie jedes Jahr, beherzt, zum internationalen Holocaust-Karikaturenwettbewerb ein.

Ungefähr zeitgleich machte sein Staatspräsident Hassan Rouhani, der seinerseits die Vernichtung Israels zu Irans aussenpolitischer Doktrin deklariert hat, diversen europäischen Machthaber die Aufwartung. Er wurde von allen höflich empfangen, von vielen sogar, servil bis hin zur Selbstaufgabe, hofiert.

Wie das unwürdige, politische Spektakel rund um den Holocaust-Gedenktag auf die noch überlebenden Zeitzeugen und besonders auf unsere elegante, zurückhaltende Mutter gewirkt hat — das lässt sich unschwer dafür aber umso schmerzlicher nachvollziehen.

Über Yvette Schwerdt

Yvette Schwerdt ist internationale Marketingexpertin und Wirtschaftsjournalistin. Sie schreibt und referiert regelmäßig über neue Trends und Entwicklung in ihrem Fachbereich. Besonders am Herzen liegen ihr auch die Themen Israel, jüdische Geschichte und jüdische Kultur. Yvette ist, aufgrund ihrer mehrsprachigen, multikulturellen Ausbildung und ihrer internationalen Laufbahn, in Israel, Amerika und im deutschsprachigen Raum gleichermaßen zu Hause.

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