BDS-Kader ist Gastprofessor an der Uni Hamburg

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Farid Esack. Foto BDS South Africa / Facebook
Farid Esack. Foto BDS South Africa / Facebook
Lesezeit: 4 Minuten

Die Israel-Boykottkampagne BDS (Boycott, Divestment and Sanctions) ist in der deutschen Hochschullandschaft angekommen. In Hamburg hat der Vorsitzende von BDS Südafrika, Professor Dr. Farid Esack, eine Gastprofessur erhalten. Dagegen regt sich nun Kritik.

von Felix Balandat

Farid Esack ist in Südafrika eine Ikone. Der muslimische Theologe kämpfte gegen die Apartheid, unter Nelson Mandela war er Beauftragter für Geschlechtergerechtigkeit. Er ist Professor für islamische Theologie und Leiter der Fakultät für Religionswissenschaften der Universität Johannesburg und Präsident der „International Qur`anic Studies Association”. Esack engagiert sich im interreligiösen Dialog und gilt als liberaler Muslim. Das hat auch die „Akademie der Weltreligionen” an der Universität Hamburg dazu bewegt, im Wintersemester 2016/17 Esack die Gastprofessur „Forum Humanum” zu verleihen.

Doch Esack ist auch Vorsitzender von BDS Südafrika.

Boycott, Divestment and Sanctions (BDS) ist eine internationale Boykottkampagne gegen Israel. BDS fordert das Ende der „Besatzung und Kolonialisierung allen besetzten arabischen Landes seit Juni 1967 einschliesslich Ost-Jerusalems”, die Aufgabe aller israelischer Siedlungen und der israelischen Sperranlagen sowie die Durchsetzung des „Rückkehrrechts” der palästinensischen Flüchtlinge und ihrer Nachkommen. Ausserdem solle das „Grundrecht der arabisch-palästinensischen BürgerInnen Israels auf völlige Gleichheit” anerkannt werden. BDS Südafrika ist eine der aktivsten BDS-Gliederungen und geniesst breite Unterstützung. Die Organisation geriet in die Schlagzeilen, als 2015 die „Israeli Trade Expo” in Johannesburg gestört wurde. „Ihr Juden gehört nicht hierher”, „Geht zurück in euer Land” und „Wir werden euch töten” riefen Teilnehmer einer BDS-Demonstration, die mehrere hundert Menschen zählte. Jedes Jahr organisiert BDS Südafrika die sogenannte „Israeli Apartheid Week”, die heuer von über 80 Organisationen unterstützt wird. Eine massgeblich von Esack geführte Boykottkampagne führt 2011 dazu, dass die Universität Johannesburg alle Verbindungen zur Ben-Gurion-Universität in Israel beendete und sich BDS Südafrika konstituierte. »Wir haben wiederholt betont, dass BDS durch seine Aktionen ein Klima des Antisemitismus schürt und zugleich jede vernünftige Debatte um den Nahostkonflikt zunichtemacht«, erklärte das südafrikanische Jewish Board of Deputies (SAJBD) in der Jüdischen Allgemeinen.

Nach dem islamistischen Massaker in Paris im November 2015 schrieb Esack auf Facebook, dass er nicht für Paris bete. Die Anschläge seien eine Folge des Waffenexports, des Kulturimperialisms, der Besatzung fremder Länder und auch eine Folge des Verbots des „friedlichen Widerstands” von BDS. „Wenn man isst, ist es dumm davon auszugehen, dass keine Scheisse aus einem rauskommt. Ja, die Opfer, die die Scheisse abkriegen, tun mir leid. Aber es ist verdammt nochmal eure Scheisse”, liess der Friedensaktivist verlautbaren.

“Die Idee eines islamischen Staates in Deutschland muss vertreten werden dürfen.”

Esacks Gastprofessur und seine Vorträge in Freiburg, Berlin, Bonn und Hamburg haben in Deutschland für Kritik gesorgt. 2015 wurde bereits ein Auftritt an der Pariser Sorbonne Universität abgesagt. In einer Stellungnahme erklärte Esack, BDS Südafrika habe nie dazu aufgerufen, Juden zu töten. Diese Anschuldigungen seien Teil einer „hunderte Millionen Dollar schweren, von der israelischen Regierung geförderten Operation”, die Widerspruch von Menschen, die den „palästinensischen Kampf für Gerechtigkeit” unterstützen, zerquetschen soll. BDS-Kritiker würden wie der NS-Propagandaminister Joseph Göbbels glauben, man müsse eine Lüge nur oft genug erzählen, damit Menschen beginnen, daran zu glauben. Esack sagt auch, dass Antisemitismus, was er als eine Form von Rassismus bezeichnet, unter Muslimen heute nicht ungewöhnlich sei. So habe er eine Kampagne gegen muslimischen Antisemitismus angeführt.

Mitte Januar nahm Esack an einer Veranstaltung im Islamischen Zentrum Hamburg (IZH) teil. Dort kritisierte er, dass Deutschland den Muslimen bestimmte Vorgaben mache. Es gelte aber Meinungsfreiheit. „Die Idee eines islamischen Staates in Deutschland muss vertreten werden dürfen”, so Esack.

Am 23. Januar soll Esack nun im Hamburger Kulturladen St. Georg die wohl rhetorisch gemeinte Frage „Israel und Apartheid in Südafrika – Wie gültig sind Vergleiche?” in einem Vortrag beantworten. Veranstalter sind BDS Hamburg, die Deutsch-Palästinensische Gesellschaft, Regionalgruppe Nord-Hamburg, der Deutsch-Palästinensische Frauenverein e.V., Hamburg, die Palästinensische Gemeinde in Hamburg und Umgebung, sowie das AStA-Referat für internationale Studierende (RIS) der Uni Hamburg. Die Studierendengruppe „Unicorns – Undogmatische Liste” ruft dazu auf, die Veranstaltung abzusagen, und bezeichnet die BDS-Kampagne als „zutiefst antizionistisch und antisemitisch”. Die „Antideutsche Aktion Hamburg” fordert die Universität dazu auf, sich von Farid Esack sowie BDS Hamburg zu distanzieren. „Wir halten es für einen Skandal, dass die Universität Hamburg Aktivitäten unterstützen, welche unter dem Motto „Kauft nicht bei Juden” den Hass auf Israel im akademischen Bereich salonfähig zu machen suchen”, schreibt die Gruppe.

Zwei Tage später lädt die Akademie der Weltreligionen in den Kaisersaal des Hamburger Rathauses. Dort soll Esack über das Thema „Wem erlaube ich, im Zug neben mir zu sitzen? Religionsfreiheit in einer Zeit des Terrors” referieren. Anschliessend diskutieren Grünenpolitikerinnen und die Direktoren der Akademie der Weltreligionen mit Esack.

Während in Hamburg das Engagement für einen Israel-Boykott kein Hindernis darzustellen scheint, gesellschaftlich einflussreiche Positionen zu besetzen, sieht es beispielsweise in Nürnberg teilweise anders aus. Dort beendete das evangelische Dekanat seine Zusammenarbeit mit der „israelkritischen” Gruppe „Nürnberger Evangelisches Forum für den Frieden” (NEFF), nachdem diese in einem Flugblatt zum Boykott aller Waren „made in Israel” augerufen hatte.

3 Kommentare

  1. Herr Esack, nein, solche Standards wie Sie es sich wünschen, gibt es hier nicht. Wir haben hier das Ideal einer freien Presse, bei dem Journalisten das schreiben, was sie meinen – und nicht das, was nach einem „persönlichen Gespräch“ noch übrig bleibt.

    ————————————
    Nun noch eine persönliche Anmerkung von mir:

    Als jemand, der das Ende der rassistischen Gewaltherrschaft in Südafrika begeistert begrüßt hat erfüllt es mich mit Entsetzen und Ekel, wenn ein Vertreter der zuvor unterdrückten Mehrheit sich in punkto Menschenverachtung nicht von den Vertretern des untergegangenen Regime unterscheidet und darüber hinaus – wie das bei Ihnen der Fall ist – starke Sympathien zeigt für faschistische Bewegungen (Hamas), für Terrorismus (Leila Chaled) und schließlich noch in einer antisemitischen Organisation (BDS) in führender Position tätig ist.

  2. Hi Felix, In the country where I come from, it fairly standard to contact a person about whom one is writing before rushing off to publication. Sometimes, journalist go through the motions of contacting the person even if they have already formed their opinions. Do any such standards of journalism exist in Germany? Ich frage, nur.

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