Pariser Konferenz: Viel Lärm um nichts

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Pariser Konferenz: Viel Lärm um nichts. Foto Twitter / Harlem Désir
Pariser Konferenz: Viel Lärm um nichts. Foto Twitter / Harlem Désir
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In der französischen Hauptstadt kommen mehrere Dutzend Staaten zusammen, um darüber zu beraten, wie man das vermeintlich drängendste Problem im Nahen Osten lösen kann. Sowohl dieses Vorhaben als auch das Ergebnis des Treffens gehen meilenweit an der Realität vorbei. Einige Teilnehmer distanzieren sich im Nachhinein sogar ausdrücklich.

Schon der Titel der Veranstaltung mutete nicht nur überdimensioniert an, er hatte auch etwas reichlich Fragwürdiges: „Konferenz für den Frieden im Nahen Osten“ nannte sich das Treffen, das am vergangenen Sonntag in Paris stattfand und an dem über 70 Staaten – darunter sämtliche EU-Mitglieder, die Schweiz – sowie internationale Organisationen teilnahmen; auch der neue UN-Generalsekretär António Guterres war zugegen. Überdimensioniert war die Zielsetzung der Zusammenkunft schon insoweit, als wohl selbst die kühnsten Geister nicht ernsthaft behauptet hätten, dass die Versammlung jenen Meilenstein darstellen würde, der zu werden ihr unbescheidener Name suggerierte – zumal diejenigen, die da Frieden schliessen sollen, gar nicht anwesend waren. Fragwürdig wiederum war der Titel bereits deshalb, weil es auf der Konferenz nur um den israelisch-palästinensischen Konflikt ging, der jedoch keineswegs so zentral für den Nahen Osten ist, dass allein an ihm der Frieden in dieser grossen Region hinge. Vielmehr ist es nachgerade absurd, wenn man trotz der Abertausenden von Kriegstoten in Syrien, der massiven iranischen Hegemonialbestrebungen und der Schlächtereien des „Islamischen Staates“ so tut, als gäbe es kein dringenderes und kein grösseres Problem in Nahost als jenes, über das in der französischen Hauptstadt konferiert wurde.

Als „nutzlos“ hatte der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu das Treffen dann auch bezeichnet und vermutet, es wolle dem jüdischen Staat unannehmbare Bedingungen aufzwingen, während es gleichzeitig die Palästinenser in ihrer Haltung bestärken werde, direkte Verhandlungen mit Israel abzulehnen. Zu dieser Annahme hatte Netanjahu tatsächlich allen Grund, nicht zuletzt nach der Resolution des UN-Sicherheitsrates vom Dezember des vergangenen Jahres, in der Israel einstimmig verurteilt worden war – mit Unterstützung der europäischen Ratsmitglieder und bei einer Enthaltung durch die USA. Der palästinensische Terror dagegen fand in diesem Beschluss einmal mehr lediglich unspezifisch und bloss am Rande Erwähnung, folgerichtig wurde die Resolution von palästinensischer Seite geradezu euphorisch begrüsst. Deren Weigerung, mit der israelischen Regierung auch nur zu verhandeln – ganz zu schweigen von der fortgesetzten Weigerung, Israel als jüdischen Staat anzuerkennen –, hat auf internationaler Ebene mithin genauso wenig negative Konsequenzen für sie wie die antijüdische Hetze ihres Präsidenten Mahmud Abbas und dessen Glorifizierung des antisemitischen Terrors als „Märtyrertum“ oder die grosszügige finanzielle Unterstützung von Terroristen durch die Autonomiebehörde.

Grossbritannien distanziert sich

Auch die Abschlusserklärung von Paris stösst sich mehr an den israelischen Siedlungen und der israelischen „Besatzung“ als an den terroristischen Aktivitäten der Palästinenser, die erneut nicht beim Namen genannt werden. Ansonsten enthält das Dokument allerlei bekannte Forderungen und Bekenntnisse: Dialog, Verhandlungen, Zweistaatenlösung, Sicherheit für beide Seiten. „Viel Lärm um nichts“, befand Herb Keinon daher in der Jerusalem Post. Frankreich habe die Versammlung nicht zuletzt wegen seiner engen Beziehungen zum Nahen Osten organisiert; darüber hinaus, so Keinon, habe die französische Regierung des Sozialisten François Hollande auch innenpolitische Gründe gehabt: Zum einen sei ihr von der Linken verschiedentlich der Vorwurf gemacht worden, nicht links genug – also zu israelfreundlich – zu sein, zum anderen stünden demnächst Präsidentschaftswahlen an, und die Muslime stellten in Frankreich ein beträchtliches Wählerpotenzial dar. Deshalb habe Staatspräsident Hollande die Konferenz einberufen – und in der Tat war abzusehen (und geplant), dass sie den Palästinensern entgegenkommen und Israel verärgern würde.

Dass das Treffen ohne den jüdischen Staat vonstattenging, hatte die britische Regierung bereits im Vorfeld veranlasst, lediglich ein paar Diplomaten aus der zweiten Reihe nach Paris zu entsenden und kein hochrangiges Personal wie die anderen Staaten. Vom Abschlussdokument, das sie – wie auch einige Balkanstaaten – nicht unterzeichnete, distanzierte sie sich sogar ausdrücklich. Es gehe nicht an, eine solche Konferenz gegen den Willen Israels auszurichten, sagte sie zur Begründung. Hinzu komme, dass eine Übereinkunft zwischen Israel und den Palästinensern nur unter Einschluss der USA denkbar sei. Es ergebe daher wenig Sinn, eine derartige Versammlung kurz vor dem Amtsantritt des neuen amerikanischen Präsidenten auszurichten – der bekanntlich andere nahostpolitische Vorstellungen als sein Vorgänger hat. Eine ungewöhnliche Erklärung Grossbritanniens, die deutlich werden lässt, wie zweifelhaft, ja, verzichtbar die Veranstaltung in der französischen Kapitale war.

Kein Beitrag zum Frieden

Elliot Abrams und Herb Keinon haben zu Recht darauf hingewiesen, dass Paris in der Geschichte oftmals Schauplatz bedeutender Friedenskonferenzen war, beispielsweise der Konferenz von Versailles in den Jahren 1919 und 1920, also nach dem Ersten Weltkrieg, oder der Konferenz, mit der 1973 das Ende des Vietnamkrieges eingeläutet wurde. Die „Konferenz für den Frieden im Nahen Osten“ jedoch werde schon bald in Vergessenheit geraten und sei dennoch „ein weiterer kläglicher Versuch, Israels rechtmässige Existenz zu unterminieren“, so Abrams. Frankreich werde diesen Vorwurf zwar zurückweisen, doch in der Konsequenz sei die Zusammenkunft der nächste diplomatische Angriff auf den jüdischen Staat nach der Resolution des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen im Dezember 2016 gewesen. Auch mit der Pariser Verlautbarung werde versucht, Israel zu isolieren und seine Verteidigungsstrategie zu untergraben. Zugleich werde es der PLO milde nachgesehen, dass sie verurteilte Terroristen finanziell unterstützt und Schulen, Parks sowie Plätze nach Mördern und Attentätern benennt.

Tatsächlich war das Treffen von Paris eines ganz sicher nicht, nämlich ein Beitrag zum Frieden im Nahen Osten. Angesichts der Geschehnisse vor allem in Syrien wirkt es besonders wirklichkeitsfremd, deplatziert und wie ein störrisches, fast schon kindisches Festhalten an alten Erklärungsmustern, während die Realität sich gerade völlig anders darstellt. Vor allem aber ist es völlig absurd, wenn die einzige Demokratie im Nahen Osten und der einzige jüdische Staat auf dieser Welt – in dem Araber mehr Rechte haben als in sämtlichen arabischen Ländern – für den Frieden im gesamten Nahen Osten verantwortlich und zuständig sein soll. Ohnehin hätte es im Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern einstweilen gar nicht um eine Lösung zu gehen, sondern vielmehr um deren Verhinderung, soweit sie die Existenz des jüdischen Staates infrage stellt, gefährdet und angreift. Bisweilen ist die Verteidigung des Status quo deshalb die bessere Option. Und dafür braucht es auch keine aufgeblasene Versammlung von über 70 Staaten.

Über Alex Feuerherdt

Alex Feuerherdt ist freier Autor und lebt in Köln. Er hält Vorträge zu den Themen Antisemitismus, Israel und Nahost und schreibt regelmässig für verschiedene Medien unter anderem für die «Jüdische Allgemeine» und «Mena-Watch». Zudem ist er der Betreiber des Blogs «Lizas Welt». Gemeinsam mit Florian Markl ist er Autor von »Vereinte Nationen gegen Israel«, erschienen bei Hentrich & Hentrich 2018.

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