Dudens Lernhelfer und die Bildungslücke

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Foto Screenshot Lernhelfer.de
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Seit Konrad Duden 1880 sein „vollständiges Orthographisches Wörterbuch der deutschen Sprache“ veröffentlichte, gilt der „Duden“ als Synonym für einen zuverlässigen Ratgeber. Ausser dem Klassiker bieten die Duden-Herausgeber aktuell auch „Lernhelfer“ für Schüler an: kompakt aufbereitete Informationen zu jedem erdenklichen Thema von Chemie und Physik über Biologie und Mathematik bis hin zu Geschichte, Literatur und Religion.

Die laut Verlag von namentlich nicht genannten „Lehrern und Experten“ zusammengestellten Lernkarten, Trainingsklausuren und Bücher sollen Schülern aller Klassen bis zum Abitur helfen, ihr Wissen zu vertiefen und ihre Prüfungen erfolgreich zu bestehen. Doch beim Überfliegen mancher Seiten fragt man sich, ob die Redaktion des Verlages wohl selber über eine „Duden“-Rechtschreibprüfung verfügt, von historischem Faktenwissen ganz zu schweigen.

Ups! Hier war eine Bildungslücke

Sandra Kreisler veröffentlichte in einem offenen Brief an Lernhelfer.de eine Kritik zu falschen Behauptungen in der Rubrik „Staat-Israel“. Nach der Aufzählung einiger Fehler schrieb sie: „Ich finde es skandalös, ein derartig von falschen Informationen wimmelndes und einseitiges Pamphlet als „Lernhilfe“ zu finden, noch dazu von einem Verlag, der so tut, als sei er objektiv und sakrosankt.“ Wer nun die verlinkte Originalseite anklickt, erhält die Meldung: „Ups! Hier hat sich leider eine Bildungslücke eingeschlichen! Das tut uns sehr leid!“

Foto Screenshot Lernhelfer.de

Vor der Löschung war da zu lesen, dass Damaskus die Hauptstadt Israels sei und unter den offiziellen Sprachen waren Englisch und Jiddisch aufgeführt. Auf Anfrage erklärte ein Mitarbeiter des Verlags, dass eine Überarbeitung des Lernhelfers teuer sei. Alle Seiten auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen, wäre zeitraubend und ein „unbezahlter Job“.

Noch unentdeckte falsche Fakten

Auf der Seite zu den „Wurzeln und Ursachen des Nahostkonflikts“ wird dem Gründer der jüdischen Nationalbergung Theodor Herzl die Losung angehängt: „Für ein Volk ohne Land ein Land ohne Volk“. Fakt ist: Diese „Losung“ ist bei Herzl nirgendwo belegt. Sie stammt aus dem Jahr 1843 von dem schottischen Geistlichen Alexander Keith und wurde später von der palästinensischen Propaganda den Zionisten untergeschoben

Zum Wasserkonflikt heisst es: „Die israelische Militärverwaltung hat generell erheblich weniger Bewilligungen zum Brunnenbau an Palästinenser erteilt als an israelische Siedler, die auf der Westbank und im Gaza-Streifen leben.“ Fakt ist: Kein israelischer Siedler lebt mehr im Gazastreifen. Seit dem Rückzug der Israelis 2005 machten Wildbohrungen der Palästinenser die Trinkwasserquellen durch einströmendes Salzwasser aus dem Mittelmeer ungeniessbar. Der Grundwasserspiegel in Gaza liegt nur wenige Meter unter der Erdoberfläche.

Im Kapitel „Trinkwasser der Welt“ wurden die unkontrollierten Verhältnisse des Gazastreifens einfach auf den Staat Israel übertragen: „In Israel wurde das Grundwasser an der Küste so stark abgepumpt, dass Meerwasser nachfloss, welches die Süsswasservorräte versalzte und faktisch ungeniessbar machte.“ Das ist eine exklusive Neuigkeit des Dudens.

Ein geografisches wie stilistisches Meisterwerk entstammt dem Kapitel über Jericho:

„Er (der Jordan, Anm.d.Red.) durchfloss als bis zur nach 1984 von Israel unterhalb des Sees Genezareth vorgenommenen Abflussregulierung als ganzjährig wasserführender Fremdlingsfluss seine Jericho fast berührende Flussoase.“ Fakt ist: Die Zuflüsse zum Jordan wurden schon seit den 1950er Jahren von Libanon, Syrien, Jordanien und Israel zwecks Bewässerung und Trinkwassernutzung abgepumpt. Zudem fliesst der Jordan in einer Entfernung von über 10 km an Jericho vorbei.

Wer sich heute Sorgen wegen Fundamentalismus in der Welt macht, erfährt beim Lernhelfer die Ursachen dafür:

„Seit der zweiten Hälfte der 1970er-Jahre ist der Fundamentalismus in eine neue Phase seiner Entwicklung getreten. Durch

  • den Sieg der islamischen Revolution im Iran (1979),
  • die Veränderung der Machtverhältnisse in Israel zugunsten des konservativen LIKUD-Blocks,
  • die Besetzung der Grossen Moschee in Mekka (1979),
  • den Einmarsch der Sowjetunion in Afghanistan (1979) und
  • die Wahl von RONALD REAGAN zum US-amerikanischen Präsidenten (1980)“

Eine bemerkenswerte Geschichtsklitterung findet man im Lernhelfer unter „Terrorismus“: „Die palästinensischen Befreiungsorganisationen kämpfen unter dem Dach der PLO seit 1948 gegen Israel.“

Die Palästinensische Befreiungsorganisation ist aber erst 1964 in Jerusalem gegründet worden.

Beim Eintrag zum Thema „multikulturelle Gesellschaft“ in Deutschland erfährt man: „In der Bevölkerung der Bundesrepublik widerspiegelt sich eine breite ethnisch-kulturelle Vielfalt. Sie setzt sich zusammen aus: zahlreichen nichtdeutschen Minoritäten ausländischer Herkunft mit unterschiedlichem Integrations- und Assimilationsgrad bzw. unterschiedlichem Integrations- und Assimilationsbedürfnis (Türkischstämmige, Familienangehörige und Angeheiratete der Russlanddeutschen, Juden, Afrodeutsche, Mosambikaner, Vietnamesen und zahlreiche andere)“

Dass Juden als „Ausländer“ gelistet werden, entspricht allerdings einer in Deutschland schon im Mai 1945 abgeschafften Ideologie. 

Dem Dudenverlag bleibt anzuraten, sich vielleicht künftig doch lieber wieder auf das bewährte Wörterbuch zu beschränken.

Über Ulrich W. Sahm

Ulrich W. Sahm, Sohn eines deutschen Diplomaten, belegte nach erfolgtem Hochschulabschluss in ev. Theologie, Judaistik und Linguistik in Deutschland noch ein Studium der Hebräischen Literatur an der Hebräischen Universität in Jerusalem. Seit 1975 ist Ulrich Sahm Nahost-Korrespondent für verschiedene deutschsprachige Medien und berichtet direkt aus Jerusalem.

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2 Kommentare

  1. Der Qualitätsverfall im Dudenverlag ist, diesem Bericht nach zu urteilen, beunruhigend. Werde die nächste Dudenausgabe beim nächsten Mal auf solche “Weisheiten” überprüfen.

  2. Diese Duden-Lernhelfer gibt es seit Jahren uns sie sind kaum einer Beachtung wert. Sie sind chaotisch aufgezogen; die Verfasser haben offensichtlich keine Unterrichtserfahrung. Da sie sich schlecht verkaufen, werden sie teilweise kostenlos an Schüler verteilt und verschwinden irgendwo im Kram eines Jugendzimmers. Wenn Jugendliche wirklich etwas wissen wollen, gehen sie ins Internet.

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