Wegen Terrorgefahr: Libanon baut Mauer um Palästinenser-Lager

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Libanon baut Mauer um Palästinenser-Lager. Foto Twitter / Lebanon24
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Das libanesische Militär hat damit begonnen, um Teile des Flüchtlingslagers Ain al-Hilweh in der Nähe der südlibanesischen Stadt Sidon eine hohe Betonmauer samt Wachtürmen zu bauen. Das berichten libanesische und israelische Zeitungen.

„Die Arbeiten an dem Bau einer grossen Mauer um das berüchtigte palästinensische Flüchtlingslager Ain al-Hilweh bei Sidon verliefen am Samstag reibungslos“, meldet die englischsprachige libanesische Zeitung The Daily Star. Auf der Website ist ein Foto von einem LKW-Kran abgebildet, der vorgefertigte Betonteile zu einer Mauer türmt. Im Hintergrund ist eine Stadt zu sehen: das sogenannte Flüchtlingslager. In der Bildunterschrift ist von der „Grenze“ zu Ain al-Hilweh die Rede.

Ain al-Hilweh ist das grösste palästinensische Flüchtlingslager auf libanesischem Boden. Auf einem Quadratkilometer leben mindestens 70.000 Bewohner; durch den Zustrom von Bürgerkriegsflüchtlingen aus Syrien in den letzten Jahren sind es inzwischen wohl schon über 100.000.

Der Libanon behandelt dieses und andere Flüchtlingslager wie exterritoriales Gebiet; von der Polizei und Armee wird es in der Regel nicht betreten, in den Medien ist darum auch von einer „gesetzlosen Zone“ die Rede.

Für „Sicherheit“ zu sorgen, obliegt der Fatah, die versucht, Gruppen wie den Islamischen Staat oder Al-Nusra aussen vor zu halten und zu diesem Zweck ein Bündnis mit bewaffneten Splittergruppen eingegangen ist, das sich „Gemeinsame Palästinensische Sicherheitskräfte“ nennt.

Vereinzelt aber dringt die libanesische Armee doch in solche Gebiete ein, um bestimmte gesuchte Terroristenführer zu verhaften, zuletzt im September 2016, als sie in Ain al-Hilweh den Gründer der Terrorgruppe Jund al-sham, Imad Yasmin, verhaftete. 2007 wurde das nördliche „Flüchtlingslager“ Nahr al-Bared in Gefechten zwischen der Armee und einer Dschihadistengruppe namens Fatah al-Islam zerstört.

Rivalitäten zwischen der Fatah und anderen Terrorgruppen haben sich seit Ausbruch des syrischen Bürgerkriegs verschärft; im Juni 2015 wurde Talal Balawna, ein hochrangiger Milizenführer der Fatah, in Ain al-Hilweh ermordet. Die libanesische Regierung fürchtet, dass von Lagern wie Ain al-Hilweh aus Anschläge im Land geplant und verübt werden könnten. Bei den verheerenden Terroranschlägen vom 12. November 2015 – einen Tag vor denen in Paris – waren 44 Menschen getötet und mehr als 200 verletzt worden.

Wie die Jerusalem Post meldet, sollen der Bau der Mauer und der Wachtürme in 15 Monaten abgeschlossen sein; beides sei Teil einer Vereinbarung zwischen der libanesischen Armee und den von der Fatah gesteuerten Sicherheitskräften. Deren Chef, Munir al-Maqdah, sagte laut der Jerusalem Post dem Fernsehsender Sky News Arabia: „Die Mauer wird ausserhalb des Lagers gebaut und weit weg von den Wohngebieten.“ Das Militär habe die palästinensischen Führer im Libanon darüber informiert, dass „die Mauer und die Wachtürme aus Sicherheitsgründen gebaut werden, was wir akzeptiert haben“. Er gab zu, dass dies negative Folgen für die Bewohner haben könne. „Die psychologischen Implikationen einer Mauer sind negativ und schwer abzubauen.“

Immer wieder sorgen palästinensische Flüchtlingslager für Spannungen in Israels Nachbarstaaten. Als die PLO im September 1970 den jordanischen König Hussein stürzen wollte, liess dieser die Lager bombardieren, es gab Tausende Tote. Anders als bei Gefechten, an denen Israel beteiligt ist, bekommen solche Ereignisse international kaum Aufmerksamkeit. Das gilt auch für das Flüchtlingslager Jarmuk in Damaskus, das durch Gefechte und Belagerung weitgehend zerstört wurde.

Die palästinensischen „Flüchtlinge“ im Libanon geben ihren „Flüchtlings“-Status von Generation zu Generation weiter. So wollen es auch die Statuten der UNRWA, dem Palästinenserhilfswerk der Vereinten Nationen, das für die Versorgung der „Flüchtlinge“ zuständig ist: Eine Eingliederung in die Gesellschaft gehört ausdrücklich nicht zu seinem Auftrag; vielmehr sollen die „Flüchtlinge“ eines Tages nach „Palästina“ „zurückkehren“. Im Libanon sind sie völlig rechtlos: Sie dürfen nicht arbeiten, keine Häuser und keinen Grundbesitz erwerben, nicht zur Schule gehen. Sie dürfen nicht einmal das Wenige, das sie besitzen, an ihre Kinder vererben. Da sie und ihre Kinder keine registrierten Bürger sind, kann laut libanesischem Recht nichts vererbt werden; alles, was sie haben, wird nach ihrem Tod vom Staat konfisziert.

Auf Facebook, das zeigt ein Screenshot der Jerusalem Post, machen Bewohner von Ain al-Hilwah indessen ihrem Ärger Luft. Einer hat Fotos vom Bau der Mauer gepostet und dazu geschrieben: „Diese Fotos stammen nicht aus dem besetzten Palästina. Das Unternehmen, das das Projekt ausführt, ist kein zionistisches. Die libanesischen Behörden bauen eine Mauer rund um Ain al-Hilwah, das nur 1 km² gross ist.“

Zuerst veröffentlicht auf MENA-Watch – Der unabhängige Nahost-Thinktank.

Über Stefan Frank

Stefan Frank ist freischaffender Publizist und lebt an der deutschen Nordseeküste. Er schreibt regelmässig über Antisemitismus und andere gesellschaftspolitische Themen, u.a. für die „Achse des Guten“, „Factum“, das Gatestone Institute, die „Jüdische Rundschau“ und „Lizas Welt“. Zwischen 2007 und 2012 veröffentlichte er drei Bücher über die Finanz- und Schuldenkrise, zuletzt "Kreditinferno. Ewige Schuldenkrise und monetäres Chaos."

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