Bringen Sie Rouhani in Ihr Holocaustmuseum

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Hassan Rouhani, Präsident der islamischen Republik Iran. Foto UN Photo/Sarah Fretwell
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Im vergangenen Monat, am 22. September, stand der iranische Präsident Hassan Rouhani auf dem Podium vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen. Viele erwarteten die Worte des sogenannten Reformers, auf dem so viele Hoffnungen ruhen.

von Jonathan A. Greenblatt

Doch anstatt einen moderateren Iran zu präsentieren, der bereit ist, eine verantwortungsvolle Rolle auf der Weltbühne zu spielen, begann Rouhani eine gewundene Rede, in deren Verlauf er eine Reihe von Anschuldigungen erhob. Unter anderem behauptete er, „zionistische Lobbygruppen“ hätten den Kongress kürzlich „veranlasst“, Gesetze zum Nachteil des Irans zu erlassen.

Vor den Staatsoberhäuptern der Welt, vor den globalen Medien beschuldigte dieser Staatschef in einer schamlosen Zurschaustellung konspirativen Antisemitismus Juden der Manipulation und Kontrolle von Organen der US-Regierung.

War ich schockiert? Überhaupt nicht. Zahlreiche iranische Führer, insbesondere der frühere Präsident Mahmoud Ahmadinejad, haben viele Male vor den UN gestanden und hasserfüllte, antisemitische Anschuldigungen und Verschwörungstheorien von sich gegeben. Solcher Müll liegt der Ideologie der islamischen Republik zugrunde und ist zentrales Element ihrer Propaganda.

Allerdings hatte ich eine Reaktion erwartet – von jenen, die in dieser grossen Halle versammelt waren, von den Medien, die über dieses Treffen der Nationen berichteten. Doch kein Würdenträger der Generalversammlung, kein Mitglied der P5+1 (ständige Mitglieder des Sicherheitsrats und Deutschland), die sich dauernd wegen des Nuklearabkommens mit dem Iran befassen, fand diesen Fanatismus auch nur erwähnenswert, geschweige denn, verurteilte ihn. Denke ich an die jüngste absurde UNESCO-Entscheidung, in der viele Weltmächte gegen die Realität abstimmten, war ich womöglich naiv, solche Hoffnungen zu hegen.

Grosse Nachrichtenagenturen in den USA und Europa berichteten über Rouhanis Beschwerden in seiner UN-Rede und in nachfolgenden Pressekonferenzen hinsichtlich Beschränkungen des Handels und des Zugriffs auf Vermögenswerte, wobei er behauptete, dies verstiesse gegen das Nuklearabkommen.

Keine Erwähnung in der Presse fand hingegen jene Partei, die Rouhani direkt verantwortlich machte, hinter der amerikanischen Zuwiderhandlung zu stehen – „zionistische Lobbygruppen“, also Juden. Die einzige öffentliche Erwähnung dieses Vorfalls erfolgte in israelischen und jüdischen Medien.

Warum? Stimmt die internationale Gemeinschaft diesem jahrhundertealten, antisemitischen Tropus der jüdischen Kontrolle über die Regierung etwa zu? Natürlich nicht, allerdings glaube ich, dass Präsident Rouhanis antijüdische Anschuldigungen nicht zu dem Bild passen, das Regierungen und Experten häufig zeichnen und das oft in den Medien dargestellt wird, nämlich dass Rouhani und das Regime moderater seien.

Seine Feindseligkeit fügt sich nicht nahtlos in das Narrativ eines freundlicheren und gemässigteren Iran ein, das viele Medien übernommen haben, nachdem im vergangenen Jahr der JCPOA (Joint Comprehensive Plan of Action, Anm. d. Red.) eingeführt worden war. Die P5+1 und andere in der internationalen Gemeinschaft zogen es vor, sich auf die Vorteile des Nuklearabkommens, den aufkommenden Handel oder sogar die Rolle des Iran im Kampf gegen den IS zu konzentrieren. Die antisemitische Staatspropaganda des Iran, staatsfinanzierter Terrorismus und laufende Menschenrechtsverletzungen werden gelegentlich erwähnt, jedoch in der Regel pro forma, sozusagen als „Ja, wir wissen es“.

In Wirklichkeit, und insbesondere seit dem JCPOA, stehen der rhetorische Extremismus des Iran – einschliesslich Antisemitismus und staatlich unterstütztem Holocaust-Leugnen – und gewaltsame Aggressionen in der Region im Mittelpunkt jedes Gesprächs über das Land und seine Fähigkeit, sich wieder in die Gemeinschaft der Nationen zu integrieren. Diese Elemente demonstrieren, was die islamische Republik ist, welche Überzeugungen und Werte sie hat und welche Politik sie betreibt, um ihre Ziele zu fördern.

Nun da der Iran versucht, seine Beziehungen zum Westen zu normalisieren und in dessen multilaterale Institutionen wie die Welthandelsorganisation einzutreten, muss die internationale Gemeinschaft verlangen, dass er mit der Förderung antisemitischer Verschwörungstheorien aufhört. Da einige befürworten, Handelsbeschränkungen mit dem weltweit grössten staatlichen Förderer des Terrors zu lockern, sollten wir umso deutlicher auf Teheran einwirken, konkrete Massnahmen zu ergreifen, seine Illiberalität einzudämmen und sich wie ein vernünftiger Akteur auf der Weltbühne zu verhalten.

Ein aktiver Weg, wie europäische Staatschefs – insbesondere in Deutschland, Frankreich, Italien, Dänemark und Polen – diese Botschaft vermitteln können, wäre darauf zu bestehen, dass sich iranische Beamte vor jedem Treffen in Europa die Zeit nehmen müssen, eine Holocaust-Gedenkstätte, ein Museum oder einen historischen Ort zu besuchen. Das ist etwas, was viele ausländische Staatschefs routinemässig machen, wenn sie Länder besuchen, wo die Endlösung der Nazis realisiert wurde. Jetzt ist es an der Zeit, dass iranische Führer das ebenfalls tun.

Eine solche Massnahme wäre mehr als eine Geste. Sie wäre ein wichtiges Symbol, der Welt zu beweisen, dass der Iran sich wie ein normales Land verhält, dass er nennenswerte Schritte unternimmt, die Schrecken des Holocaust offiziell anzuerkennen, eine unwiderlegbare und prägende Tatsache des 20. Jahrhunderts.

Nun da der diplomatische Umgang mit dem Iran zunehmend Routine wird, darf die internationale Gemeinschaft nicht wegsehen, wenn es um Aggressionen und Hass seitens des iranischen Regimes geht.

Ein grosser Schritt wäre es, den Empfang iranischer Führer davon abhängig zu machen, dass sie sich der Geschichte stellen und den sechs Millionen in der Shoah ermordeten Juden ihren Respekt bezeugen. Damit könnte man die Frage beantworten, ob der Iran bereit ist, sich wie ein verantwortungsvoller Akteur in der Weltgemeinschaft zu verhalten.

Dann hätten Rouhani und der Rest der Welt etwas, worüber es sich 2017 bei den UN tatsächlich zu sprechen lohnt.

Auf englisch zuerst erschienen bei The Times of Israel. Jonathan A. Greenblatt ist CEO und nationaler Direktor der Anti-Defamation League.