Die antisemitischen Verunglimpfungen des George Galloway

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George Galloway an der "Rage Against Israel" Kundgebung in London. Foto Maddy Cozins / Flickr.com, CC BY 2.0.
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Die Annahme der Antisemitismus-Definition der Internationalen Holocaust-Gedenkallianz (IHRA) im Mai 2016 hat viele wichtige Aspekte. Dazu gehört, dass sie das Lehren von Antisemitismus stark vereinfacht. Eine Art das zu tun kann über Fallstudien von Menschen erfolgen, die antisemitische Verunglimpfungen äussern.

Von Dr. Manfred Gerstenfeld und Leah Hagelberg

Eine solche auf der IHRA-Definition basierende Analyse wurde bereits über Lady Tonge veröffentlicht, eine ehemals liberale MP und heute unabhängiges Mitglied des britischen Oberhauses.

Ein zweiter naturgegebener Kandidat aus dem Vereinten Königreich für eine solche Analyse ist der ehemalige Parlamentarier George Galloway. Er sass von 1987 bis 2005 für die Labour Party für zwei Glasgower Wahlbezirke im Parlament. 2003 warf ihn die Partei hinaus. 2004 wurde die Partei Respect gegründet, deren Parteichef er wurde. Er wurde 2005 für Respect in Bethnal Green and Bow und 2012 für Bradford West ins Parlament gewählt.

Das IHRA-Dokument beinhaltet als ein Beispiel für Antisemitismus die Äusserung dämonisierender Beschuldigungen bezüglich des Mythos einer jüdischen Weltverschwörung oder dass Juden die Medien, die Wirtschaft, die Regierung oder andere gesellschaftlichen Institutionen kontrollieren. Galloway äussert solche Beschuldigungen regelmässig. In einer Sendung von Al-Jazira über eine Rede, die er 2008 in Amman hielt, sagte er: “Es gibt in dieser Region eine Verschwörung, richtig – aber es ist eine amerikanisch-israelische Verschwörung.”

In einem Internetvideo aus dem Jahr 2013 über gegen syrische Zivilisten eingesetzte Chemiewaffen sagte Galloway, ohne Beweise zu haben: „Wenn Chemiewaffen eingesetzt worden sind, dann war es Al-Qaida, die sie benutzt hat. Wer gab Al-Qaida die Chemiewaffen? Meine Theorie lautet: Israel gab ihnen die Chemiewaffen.“

Einige der antisemitischen Verleumdungen fallen in mehr als eines der Beispiele, die die IHRA-Definition begleiten. Die folgenden zwei falschen Anschuldigungen der Verschwörung entsprechen ebenfalls dem IHRA-Beispiel „Juden als Volk zu beschuldigen für reale oder eingebildete Verbrechen verantwortlich zu sein, die ein einzelner Jude oder eine einzelne jüdische Gruppe oder gar Taten, die von Nichtjuden begingen wurden, verantwortlich zu sein“.

Das erste geschah, als Galloway in einer Fernsehsendung sagte: „die Zionisten schickten Bewaffnete auf den Maidan in Kiew, um eine Revolution zu unterstützen… die von unverblümten Nazi-Antisemiten gemacht war… wenn diese Nazis in Kiew an die Macht kommen und sie hassen die Juden derart, dann werden die übrig gebliebenen ukrainischen Juden das Gefühl haben, sie müssten das Land verlassen und in Palästina siedeln.“

Das zweite Beispiel involviert Baroness Oona King of Bow, die 1997 bis 2005 die Labour-Abgeordnete für Bethnal Green and Bow war. Galloway besiegte sie 2005. Sie sagte während des Wahlkampfs: „Galloway ist wie ein Ausschlag überall auf mir. Die Respekt-Typen gehen hin und deuten meiner muslimischen Gemeinschaft an, ich würde muslimischen Babys zwischen die Augen schiessen. Sie haben sogar meinen Kopf in ein Foto auf einem Panzerfahrer eingearbeitet. Das ist in alle Briefkästen gesteckt worden. Und sie deuten an, dass ich jüdisch bin, es eine jüdische Weltverschwörung gibt und ich Teil davon sein muss. Ständig brüllen sie ‚Mörder! Mörder!‘“ King selbst machte antisemitische Behauptungen, als sie den Gazastreifen mit dem Warschauer Ghetto gleichsetzte, nachdem sie 2003 mit Lady Tonge dorthin reiste.

Das IHRA-Dokument erwähnt als antisemitisch ebenfalls „das Ziehen von Vergleichen gegenwärtiger israelischer Politik zu der der Nazis“. In einem Artikel mit dem Titel „Dunkle Echos des Holocaust“ schreibt Galloway, dass die israelische Regierung es abgelehnt hat irgendjemanden dafür zur Verantwortung zu ziehen, „dass Mini-Mengele mit palästinensischen Gefangenen in israelischen Gefängnissen zu spielen“. Auf einer Demonstration zum Protest gegen den Gaza-Krieg von 2009 sagte er: „Heute sind die palästinensischen Menschen im Gazastreifen das neue Warschauer Ghetto und die, die sie ermorden, sind das Äquivalent derer, die 1943 Juden in Warschau ermordeten.“

Es gibt mehr: Das IHRA-Dokument beinhaltet als weiteres Beispiel von Antisemitismus: „Dem jüdischen Volk sein Recht auf Selbstbestimmung abzustreiten, z.B. durch die Behauptung, dass die Existenz des Staates Israel ein rassistisches Unterfangen ist.“ Galloway sagte bei einer Kundgebung gegen den Gaza-Krieg im August 2014: „Der gesamte Staat Israel ist ein völlig illegitimes Unternehmen.“ In einem Fernsehinterview 2014 auf Al-Jazira sagte er einem israelischen General: „Der Gangster-Terrorstaat Israel … seine Tage sind gezählt.“ Dass Galloway den Begriff „Gangster-Terrorstaat“ verwendet, ist ebenfalls ein Beispiel für „bösartige Stereotype und negative Charakterzüge“ für Israel und Israelis. Das wird in der IHRA-Definition erwähnt, wo diese sich auf Juden als Zielobjekte bezieht.

Ein weiteres Beispiel für Antisemitismus aus dem IHRA-Dokument besteht darin „das Töten oder schädigen von Juden im Namen einer radikalen Ideologie oder einer extremistischen religiösen Sicht zu fordern, Hilfe zu leisten oder zu rechtfertigen“. Galloway twitterte 2015: „In Palästina könnte eine neue Intifada begonnen haben. Oder wird nicht lange auf sich warten lassen. Wann immer sie kommt, werde ich sie mit jedem Atemzug unterstützen, den Gott mir gibt.“

In der schon erwähnten Rede in Amman sagte Galloway: „Dieser Terrorstaat Israel paradiert als legitime Regierung um die Welt… während Hamas, vom Volk Palästinas gewählt, Terroristen genannt wird… Mein ganzes Leben glaubte ich, dass Palästina allein von der Kalaschnikow und dem bewaffneten Kampf befreit wird… wir brauchen den bewaffneten Kampf, das ist der Hammer. Der Hammer ist nötig, um sich zu verteidigen, den Feind zu schlagen; man darf nie davon ablassen.“ Er äusserte sich auch rühmend über Hisbollah-Führer Hassan Nasrallah und in Unterstützung der Terrororganisationen Hamas und Hisbollah.

Viele weitere Äusserungen Galloways bewegen sich in der Peripherie der Antisemitismus-Definition. Eine von Galloways Techniken besteht darin Zionisten und Leute über einen Kamm zu scheren, die allgemein als bösartig wahrgenommen werden. Nach dem Verlust seines Parlamentssitzes für Bradford West an Labour-MP Naz Shah sagte er in der Rede, mit der er seine Niederlage eingestand: „Es wird andere geben, die bereits feiern: die Korrupten, die Widerwärtigen, die Rassisten und die Zionisten werden alle feiern. Die Hyäne kann ausgelassen hüpfen auf dem Grab des Löwen, aber sie kann nie ein Löwe sein und überhaupt liege ich nicht in meinem Grab. Tatsächlich ist es sogar so, dass mich ich daran mache meinen nächsten Wahlkampf zu planen.“

Eine der Arten Israel zu dämonisieren besteht darin es als Apartheidstaat zu bezeichnen, was Galloway machte, als er es ablehnte in Oxford mit einem israelischen Studenten zu diskutieren. Diese Verleumdung hätte wahrhaftig in die IHRA-Definition antisemitischer Verleumdungen gehört. Die Lüge, dass Israel ein Apartheidstaat sei, ist bis ins Kleinste vom ehemaligen israelischen aussenpolitischen juristischen Berater Robbie Sabel sowie auch anderen demontiert worden. Ebenfalls in der Peripherie der Antisemitismus-Definition liegt Galloways Verteidigung von Ken Livingstone, der sagte, Hitler habe „den Zionismus unterstützt.“

Man sollte glauben, dass Galloway sich am äussersten Rand der Gesellschaft befindet, allerdings hat er die Unterstützung der Wähler zweier Wahlkreise mit beträchtlicher muslimischer Bevölkerung.

Die IHRA-Definition sagt: „Antisemitische Diskriminierung ist die Weigerung Juden die Möglichkeiten oder Dienste zu geben, die anderen zur Verfügung stehen.“ Galloway machte genau dies mit den Israelis, als er erklärte, dass Israelis in Bradford kein Zutritt gewährt werden sollte; er sagte: „Wir erklären Bradford zur israelfreien Zone. Wir wollen keine israelischen Waren, wir wollen keine israelischen Dienstleistungen, wir wollen, dass keinerlei israelische Akademiker an die Universität oder das College kommen, wir wollen nicht einmal, dass israelische Touristen nach Bradford kommen, selbst wenn irgendeiner von ihnen daran gedacht haben sollte, das zu tun. Wir lehnen diesen illegalen, barbarischen, unzivilisierten Staat ab, der sich Israel nennt. Und ihr müsst genau dasselbe tun.“

Man sollte glauben, dass Galloway sich am äussersten Rand der Gesellschaft befindet, allerdings hat er die Unterstützung der Wähler zweier Wahlkreise mit beträchtlicher muslimischer Bevölkerung – in Bradford West besiegte er Labour mit mehr als 10’000 Stimmen Vorsprung und er gewann Bethnal Green and Bow als er gewählt wurde, mit 15’801 Stimmen. Bei den Londoner Bürgermeisterwahlen erreichte er 37’007 Stimmen. Seine Twitterseite hat 256’000 Follower. Das zeigt, dass selbst ein solch extremer Erzeuger antisemitischer Verleumdungen immer noch Unterstützung in Grossbritannien hat, die weit davon entfernt ist unbedeutend zu sein.

Wenn Antisemitismus gelehrt wird, dann ist es wünschenswert mit der Analyse extremer Beispiele derer zu beginnen, die antisemitische Verleumdungen in Umlauf bringen – mit Leuten wie Tonge und Galloway. Von diesen können diejenigen, die Antisemitismus bekämpfen wollen, am einfachsten lernen, indem sie diese Methodologie auf andere anwenden, die solche Verleumdungen generieren.

Dr. Manfred Gerstenfeld ist Publizist und ehemaliger Vorsitzender des Präsidiums des Jerusalem Center for Public Affairs. Auf Deutsch zuerst erschienen bei heplev.