Der kitschig bunte Fussboden im Tempel des Herodes

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Foto Temple Mount Sifting
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Prof. Gabi Barkai von der Bar Illan Universität ist sich “100% sicher”, die Reste eines bunten Fussbodens aus dem Jerusalemer Tempel der Zeit des Königs Herodes gefunden zu haben. Der jüdisch-römische Historiker Josephus Flavius gilt als zuverlässiger Zeitzeuge: Der hat die Fussböden des Tempels als „sehr bunt“ beschrieben. Abfällig schmunzelnd redete Barkai von einem „modisch teuren Baustil“.

Die Relikte sind nicht bei ordentlichen Ausgrabungen gefunden worden, weil Moslems jegliche Erforschung der heiligsten Stätte des Judentums in Jerusalems unterbinden. Vielmehr wurden die 600 Steinfragmente im Abraum gefunden, der beim Aushub eines Zugangs zu den „Ställen des Salomo“ im Süden des Tempelbergs vor fast 20 Jahren mit Bulldozern auf Lastwagen geladen und im Kidrontal als Schutt entsorgt worden ist. In den rund 2000 Jahre alten Sälen der traditionellen „Ställe Salomons“ haben die Moslems seitdem die grösste unterirdische Moschee der Welt eingerichtet.

Seit 2004 ist Barkai damit beschäftigt, Tausende Tonnen Aushub dieser Schutthalde zu sieben. Sie erweist als archäologische „Goldgrube“. Denn im rücksichtslos entsorgten „Schutt“ sind Münzen, Speerspitzen, Schmuck und Marmorfragmente aus über 3.000 Jahren gefunden worden.

Foto Temple Mount Sifting Project
Foto Temple Mount Sifting Project

Fragmente von fein geschliffenem Marmor stammen eindeutig aus Italien. König Herodes hat sie auch in seinen Palästen, etwa in Jericho und auf Massada, als Boden- und Wandschmuck verwendet. Bei einer Pressekonferenz erklärte Barkai, dass der römische Fuss als Maass verwendet worden sei, um die Marmorteile zu bunten Fliesen zusammen zu fügen. „Die Hohen Priester des Tempels und auch Jesus sind über diese bunten Fussböden gewandelt“ sagte Barkai.

Für ihn bestehen keine Zweifel. In keiner anderen Periode wurden derartige bunte Marmorfliesen von Italien in das Heilige Land importiert. Die Beschreibung des Tempels bei Josephus ist für Barkai eine zusätzliche Bestätigung für das, was er im Schutt des Tempelbergs gefunden hat.

Der Tempel in Jerusalem wurde erstmals unter König Salomo um 900 v.Chr. errichtet und im Jahr 586 v. Chr. vom assyrischen König Nebukadnazer II dem Erdboden gleichgemacht. Der Tempel wurde nach der Rückkehr des Volkes Israel aus dem babylonischen Exil wiedererrichtet, aber erst unter König Herodes ab 21 v. Chr. zu einem Prachtbau ausgeweitet. Im Jahr 70 plünderten und schliffen die Römer den von Herodes ausgebauten Tempel.

Die heutige Klagemauer ist nicht ein Überrest des herodianischen Tempels, wie oftmals behauptet. Sie gehört zu der teilweise erst nach dem Tod des Herodes errichteten Umfassungsmauer des Moria-Berges, auf dem der Tempel mutmasslich an der Stelle des heutigen muslimischen Felsendoms gestanden hat. An der Süd- und Ostmauer sind noch Tore zu erkennen, durch die vor 2.000 Jahren die jüdischen Pilger in den Tempel gelangten. Unzugänglich sind heute noch erhaltene Gewölbe unter der El Aksa Moschee, mit Stuckdecken aus der Zeit des Herodes. Allein Moslems dürfen die 2000 Jahre alten Stufen herabsteigen, wobei fotografieren streng verboten ist.

Über Ulrich W. Sahm

Ulrich W. Sahm, Sohn eines deutschen Diplomaten, belegte nach erfolgtem Hochschulabschluss in ev. Theologie, Judaistik und Linguistik in Deutschland noch ein Studium der Hebräischen Literatur an der Hebräischen Universität in Jerusalem. Seit 1975 ist Ulrich Sahm Nahost-Korrespondent für verschiedene deutschsprachige Medien und berichtet direkt aus Jerusalem.

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