Der strategische Verbündete des Islamismus: das Leugnen

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Kundgebung von Islamisten in Sydney. Foto Jamie Kennedy - http://www.flickr.com/photos/49283475@N00/7991807923/in/set-72157631548624094/, CC BY 2.0, Wikimedia Commons.
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“Man wird nie betrogen”, sagt Goethe, “man betrügt sich selbst”. Diese schmerzliche Wahrheit, die vielen in ihrem eigenen Leben schon begegnet ist, ist auch bei historischen Ereignissen am Werk – insbesondere bei Kriegen.

Jeder wusste, dass Hitler auf Krieg aus war, doch es musste erst der Einmarsch in Polen kommen, damit die Leute aufhörten, sich vorzumachen, dieser Krieg könne irgendwie abgewendet werden. Roosevelt wusste, dass Japan Absichten im Pazifik verfolgte, doch so richtig begriff er die Situation erst, als seine Schiffe in Pearl Harbor versenkt wurden. Und Stalin leugnete die nahende Operation Barbarossa noch, als man ihm Luftaufnahmen von Panzerdivisionen an seiner Grenze zeigte – ja, sogar dann noch, als die Panzer bereits in sein Reich eindrangen.

Heutzutage gibt es eine solche Geisteshaltung des Leugnens im Hinblick auf den Krieg des Islamismus gegen den Rest der Welt.

In seinem Streben nach globaler Herrschaft des Islam, wie es sie im Mittelalter gab, führt der Islamismus einen Krieg gegen die Welt und ahmt dabei Lenins und Hitlers Versuche nach, die ganze Welt ihrer jeweiligen Ideologie zu unterwerfen.

Gleichwohl sind die Waffen und Kriegsschauplätze des Islamismus neuartig.

Der Islamismus setzt keine Langstreckenbomber, Fallschirmjäger, U-Boote oder Kampfjets ein, und die Schlachtfelder, auf die er seine Feinde manövriert, sind keine verlassenen Orte wie El-Alamein oder die Midway-Inseln, sondern das genaue Gegenteil: Flughäfen, Bahnhöfe, Einkaufspassagen, Theater und andere urbane Einrichtungen, wo seine Truppen auf ein Minimum an Soldaten und ein Maximum an schutzlosen Zivilisten treffen.

Der Mangel an intensiven Gefechten und die Ausgedehntheit der Schlachtfelder sind die Gründe, warum viele Menschen leugnen, dass sie sich in einem Krieg befinden, ganz zu schweigen von einem Weltkrieg.

Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 bildete sich in den USA zwar auf vielfältige Weise ein Bewusstsein für den hereingebrochenen Krieg; und doch vermeidet es Präsident Barack Obama auch heute – 15 Jahre später und nachdem es von Kalifornien bis Florida grosse Terroranschläge gegeben hat – noch, den Islamismus als den Feind zu benennen, und beharrt darauf, dass der “Terror” der Feind sei. Es ist, als hätte man dem amerikanischen Volk 1944 gesagt, es stünde nicht im Krieg gegen den Faschismus, sondern gegen Kamikaze.

Dieser Unwille, die Dinge beim Namen zu nennen, ist den Israelis nur allzu gut bekannt.

Während der sieben Jahre zwischen der Unterzeichnung des Osloer Abkommens 1993 und dem Beginn der zweiten Intifada im Jahr 2000 pflegten Politiker zu sagen, die israelischen Opfer palästinensischer Terroranschläge würden “dem Frieden geopfert”.

„Opfer des Krieges“

Wie alle Formen des Leugnens konnte das nur eine begrenzte Zeit funktionieren. Als die Israelis im letzten Jahrzehnt bei 138 Selbstmordanschlägen und Dutzenden von Schusswaffenangriffen mehr als tausend Todesopfer zu beklagen hatten, kamen die meisten von ihnen zu dem Schluss, dass die Toten nicht “dem Frieden geopfert” worden, sondern Opfer des Krieges waren. Und sobald das Volk begriffen hatte, dass es sich in einem Krieg befand, war der Sieg schon halb errungen.

Besonders augenfällig wurde dieser Geisteswandel während der Operation Schutzschild im Jahr 2002, als es einen Überschuss von Reservisten gab, die ihre Jobs und Familien zurückliessen, um sich freiwillig für den Angriff der israelischen Verteidigungsstreitkräfte (IDF) auf die Terrornester in der Westbank zu melden. So gross war die Zahl derer, die sich zum Dienst an der Waffe meldeten, dass viele von ihnen wieder nach Hause geschickt werden mussten.

Derselbe mentale Wandel war in diesem Jahrzehnt bei der Reaktion auf Gazas Raketenangriffe auf israelische Städte zu beobachten. Die Einsicht, dass es sich um einen Krieg handelt, führte dazu, dass israelische Erfinder das Raketenabfangsystem Iron Dome produzierten, während Israels Soldaten in Gaza kämpften, mit der einhelligen Unterstützung der Heimatfront.

Derzeit herrscht weithin Einvernehmen darüber, dass Israel den Feind in die Enge getrieben hat, doch niemand gibt sich der Illusion hin, dass dieser Krieg zu Ende wäre; denn in diesem Krieg – das haben die Israelis im letzten Jahrzehnt erkannt – geht es nicht um Nationalismus, sondern um Islamismus: die Ideologie, die ebenso hinter den Selbstmordanschlägen der Hamas steht wie hinter der globalen islamistischen Bewegung.

Es stimmt: Auf den ersten Blick ist dieser Krieg kaum als Weltkrieg zu erkennen. Die Waffen sind andere, die Schauplätze sind andere und glücklicherweise kommt die Zahl der Opfer bei weitem nicht an die der vorangegangenen Weltkriege heran. Und doch ist es ein Weltkrieg, und zwar aus zwei Gründen:

Erstens, was das Ziel betrifft: dem Islamismus geht es um die ganze Welt. Zweitens ist dieser Krieg auch in seiner Ausdehnung ein globaler, sowohl geografisch als auch politisch.

Was die Geografie betrifft, so hat der Islamismus bereits fast überall zugeschlagen, von Buenos Aires über Peking, Ottawa und Bali bis nach Madrid, Nairobi, Moskau und Nizza. Politisch betrachtet schlägt der Islamismus im demokratischen Indien ebenso zu wie im autokratischen Ägypten; in der muslimischen Türkei ebenso wie im buddhistischen Thailand und auf den christlichen Philippinen.

Dass Europa den Feind erkennt, ist ein Prozess, der – wie im letzten Jahrzehnt in Israel – langsam, aber kontinuierlich voranschreitet.

In Frankreich sagte der Präsident François Hollande nach den Anschlägen vom Herbst 2015: “Frankreich ist im Krieg”; den Dschihadismus benannte er als den Feind. Für die Regierung bedeutete dies das Ende des Leugnens; für die Bevölkerung, die nach Einschätzung der Demoskopen bei den nächsten Wahlen mehrheitlich für entschlussfreudigere Alternativen stimmen wird, kam Hollandes Sinneswandel zu zaghaft und zu spät.

„Ende des Leugnens bedeutet noch nicht Beginn des Sieges“

In Deutschland muss eine ähnliche Wende im Zuge der jüngsten islamistischen Anschläge im Land noch heranreifen – doch betrachtet man die in den letzten Wochen einbrechenden Umfragewerte für Bundeskanzlerin Angela Merkel, dann scheint die Erwartung der Öffentlichkeit klar zu sein.

Keine Frage: Das Ende des Leugnens bedeutet noch lange nicht den Beginn des Sieges.

Grosse Umstellungen in den Staatshaushalten und tiefgreifende Änderungen in den alltäglichen öffentlichen Abläufen müssen folgen. Die Stärke der Geheimdienste und Spezialeinheiten muss massiv ausgebaut werden, ebenso die Überwachungstechnologie und die Finanzkontrolle; stetige und unerschrockene präventive Schläge sind erforderlich, dazu ein unmissverständliches und zügiges juristisches Handeln.

Gleichzeitig müssen die vielen Feinde des Islamismus den Austausch von Geheimdienstinformationen intensivieren, zudem müssen Anstrengungen zur Aufklärung unternommen werden, um zukünftigen Islamisten klarzumachen, dass ihre Sache zutiefst verwerflich ist; dass die islamistischen Gehirnwäscher sie nicht näher zu Gott bringen, sondern zu einem Krieg gegen seine Schöpfung – und dass die Zivilisation den Islamismus ebenso besiegen wird, wie sie den Kommunismus und den Faschismus besiegt hat.