Araber müssen ein neues Kapitel mit Israel anfangen

0
Der ägyptische Präsident Anwar Sadat (links) und der israelische Premierminister Menachem Begin (rechts) während einer gemeinsamen Sitzung des Kongresses, in welcher der US-amerikanische Präsident Jimmy Carter die Ergebnisse des Camp-David-Abkommens verkündete, 18. September 1978. Foto Warren K. Leffler/Library of Congress
Lesezeit: 9 Minuten

Es gibt viel, was wir (Araber, Anm.d. Red.) tun können, um unser Verhältnis zu Israel zu verbessern – falls wir es wollen. Und es gibt genug Anlässe zu der Annahme, dass dies sowohl kurz- als auch langfristig in unserem Interesse wäre.

von Fred Maroun

Die wichtigste Änderung liegt in der Herangehensweise. Eine Änderung unserer Herangehensweise würde die Grundlagen des Verhältnisses reparieren und eine Basis für gegenseitigen Respekt und Vertrauen schaffen, ohne die jede Lösung instabil bleiben wird.

Israel verstehen

Wir müssen das echte Israel sehen, anstatt der Ungeheuerlichkeit, die Araber sehen, weil ihnen dies so eingeredet wurde. Wir haben so viel Angst davor, Israel bei seinem echten Namen zu nennen, dass wir es als die „zionistische Entität“ bezeichnen. Der Name lautet „Israel“; wie in Haaretz geschrieben wurde „ist Israel der Name einer mindestens 3200 Jahre alten ethnischen Gruppe in der Levante“.

Die arabische Standardhaltung zu Israel ist, dass es das Ergebnis des westlichen Kolonialismus ist. Diese Art zu reden haben auch viele übernommen, die behaupten, dass „der Siedlerkolonialismus mit der Nakba … im Jahr 1948 begann“, was impliziert, dass ganz Israel eine Kolonie ist. Diese Behauptung ist nicht wahr und es kann kein gesundes Verhältnis aufgebaut werden, während eine Seite immer wieder Lügen über die andere wiederholt.

Israel ist der Nationalstaat des jüdischen Volks, eines Volks mit einer langen und komplexen Geschichte auf diesem Land. Über die Jahrhunderte hinweg wurde oft versucht, sie zu vernichten oder zu vertreiben, unter anderem von den Assyrern, den Babyloniern, den Römern und den Kreuzfahrern. Dies sind historische Fakten.

Israels damalige Premierministerin Golda Meir sagte im Jahr 1973, „Wir Juden haben eine geheime Waffe in unserem Konflikt mit den Arabern – wir können nirgendwo hin”. Egal, wie viel Druck Araber auf Juden ausüben, um sie zum Gehen zu bewegen – sie gehen nicht, dieser Druck stärkt nur noch ihren Willen. Israel ist ihre Heimat.

Wir dürfen Israel nicht als fremde Präsenz betrachten, was es nicht ist, sondern als einzigartigen und beachtlichen Bestandteil des Nahen Ostens, der die Region bereichert.

Nicht unser Feind

Wir müssen aufhören, Israel unseren Feind zu nennen. Wir haben uns bewusst dazu entschieden, Israel zu unserem Feind zu machen, als wir das Land angegriffen haben, anstatt die Existenz eines winzigen jüdischen Staates in unserer Mitte zu akzeptieren.

Israel (einschliesslich der annektierten Golanhöhen und Ostjerusalem) entspricht nur 19% des britischen Mandatsgebiets Palästina (das Jordanien mit einbezog), auf dem Grossbritannien im Jahr 1924 versprach, eine „jüdische Heimstatt“ aufzubauen. Israel ist so klein, dass es 595-mal vervielfältigt werden müsste, um die gesamte arabische Welt auszufüllen.

In unserem Verhältnis zu Israel treffen wir Entscheidungen, durch die wir uns selbst behindern und die auf dem Glauben basieren, dass Israel unser Feind ist und dass wir diesem Land nur mit Gewalt begegnen können – doch der winzige Staat Israel ist keine Gefahr für die arabische Welt.

Jedes Jahr halten Palästinenser Kundgebungen ab, die oft gewalttätig sind, um an die Nakba („Katastrophe“) zu erinnern, wie sie den arabischen Verlust des Krieges von 1948/49 nennen. Sie tragen Schlüssel, welche die Schlüssel zu den Häusern symbolisieren, aus denen ihre Vorfahren während dieses Krieges flohen. Dieser Gedenktag ist, wie dies bei der arabischen Haltung zu Israel oft der Fall ist, eine einseitige Sichtweise, die Israel dämonisiert und Araber gleichzeitig von jeglicher Verantwortung für einen von ihnen begonnenen und weitergeführten Konflikt freispricht, der zu Jahrzehnten der Gewalt sowie zu Vertreibungen sowohl von Arabern als auch von Juden geführt hat.

Diese falsche Denkweise lässt nicht viel Raum für Frieden mit Israel. Wie kann Frieden für Araber akzeptabel sein, die wiederholt mit der falschen Information gefüttert werden, dass alles Israels Schuld ist, wenn tatsächlich nicht „alles“ „Israels Schuld“ ist?

Es ist nie einfach, Fehler zuzugeben, aber wenn wir sie nicht zugeben, schaffen wir eine falsche Geschichte, die den historischen Tatsachen widerspricht. Eine positive Zukunft kann nur geschaffen werden, wenn wir akzeptieren, dass die Vergangenheit vorbei ist und nicht zurückgeholt werden kann.

Trotz des Holocaust gehört Deutschland heute zu Israels engsten Freunden, doch dies war nur möglich, weil Deutschland sein moralisches Versagen zugegeben hat. Obwohl unsere Weigerung, Israel zu akzeptieren, moralisch nicht mit dem Holocaust zu vergleichen ist, handelt es sich zweifellos um moralisches Versagen und wenn wir dies überwinden würden, könnten wir eine konstruktive Beziehung zu Israel aufbauen.

Die Lösung der palästinensischen Frage

Um die palästinensische Frage erfolgreich lösen zu können, müssen wir die grundlegenden Aspekte kennen lernen, bei denen Israel keinen Kompromiss eingehen kann. Heutzutage zeigt die arabische Welt und besonders die Palästinenser ein so geringes Verständnis für Israels wichtigste Grundsätze, dass das Vertrauen der israelischen Öffentlichkeit in Friedensverhandlungen gering ist. Wie in der Jerusalem Post berichtet, „glauben die meisten Israelis (67,7%) nicht, dass Verhandlungen in den kommenden Jahren zu Frieden führen werden, und weniger als ein Drittel (29,1%) denken, dass ein solches Ergebnis jemals erzielt wird“.

„Wenn Europa Millionen muslimische Flüchtlinge aufnehmen kann, warum können wir das nicht?“

Israels Fähigkeit, ein jüdischer Staat und ein Zufluchtsort für Juden aus der ganzen Welt zu bleiben, ist das wichtigste existentielle Bedürfnis des Staates. Israel wäre sonst nur ein Name. Aus diesem Grund hat der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu unmissverständlich erklärt, dass es „keinen Raum für Verhandlungen“ hinsichtlich des palästinensischen Anspruchs auf ein „Rückkehrrecht“ für die Nachfahren palästinensischer Flüchtlinge gebe. Es ist vielleicht unverhältnismässig, von so kleinen und schwachen Ländern wie dem Libanon, Syrien und Jordanien zu erwarten, dass sie alle dort lebenden Flüchtlinge aufnehmen, aber die reichen Golfstaaten können helfen. Wenn Europa Millionen muslimische Flüchtlinge aufnehmen kann, warum können wir das nicht?

Ein zweites existentielles Bedürfnis für Israel sind zu verteidigende Grenzen, wie in einem ausführlichen Bericht erklärt wird. Israel verteidigt seine Existenz seit sieben Jahrzehnten gegen Angriffe von arabischer Seite. Es wurde von allen Seiten mit allen erdenkbaren Methoden angegriffen, von Raketen über Sprengstoffgürtel bis hin zu Tunneln. Israel sieht die Fronten des Waffenstillstands von vor 1967 als nicht zu verteidigen, wie bereits 1977 von dem damaligen Premierminister Yitzhak Rabin erklärt wurde, der weithin als gemässigter Friedensbefürworter angesehen wird.

Ein dritter grundlegender Punkt ist der Zugang der Juden zu heiligen Stätten, allen voran die wichtigste, die Altstadt in Ostjerusalem. Juden sehen ihren Sieg in Ostjerusalem im Krieg von 1967 nicht als Eroberung, sondern als Befreiung und Wiedervereinigung ihrer historischen Heimat seit der Zeit von König David, um 1000 v.Chr. Obwohl die israelische Regierung sowohl 2000 als auch 2008 anbot, die Kontrolle über Teile von Jerusalem aufzugeben, sollte man nicht annehmen, dass ein ähnliches Angebot in der Zukunft wahrscheinlich ist. Im Juni dieses Jahres gelobte Premierminister Netanjahu, dass „wir nie mehr zur Idee einer geteilten, verwundeten Stadt zurückkehren werden.“ Andere Probleme wie die Grenzen, Kompensierungen für Flüchtlinge, Abbau einiger Siedlungen und der Umfang der palästinensischen Souveränität erscheinen verhandelbar. Netanjahu sagte darüber hinaus: „Israel will Frieden. Ich will Frieden. Ich will den diplomatischen Prozess erneuern, um Frieden zu erlangen.”

Doch wir Araber müssen verstehen, dass dies nur im Rahmen der Erfüllung der drei grundlegenden Aspekte möglich sein kann.

Die Friedensinitiative der Arabischen Liga

2002 und erneut im Jahr 2007 wurde eine Friedensinitiative von der Arabischen Liga unterstützt, doch diese Initiative ist auf zwei unterschiedliche Weisen unzureichend, erstens in ihrer Substanz und zweitens in ihrer Form.

Die Initiative fordert, dass Israel sich zu den Fronten des Waffenstillstands von vor 1967 zurückzieht. Israel betrachtet diese Grenzen nicht nur als nicht zu verteidigen, sondern hat auch in den seitdem vergangenen fünfzig Jahren grosse Siedlungsblöcke in der Westbank gebaut. Wir Araber hatten die dort einheimischen Juden zuvor vertrieben und es ist unrealistisch zu erwarten, dass Israel zustimmen würde, dass seine eigenen jüdischen Bürger wieder zu Opfern werden.

Die Initiative verkündet, dass arabische Staaten „alle Formen palästinensischer Staatenbildung, die im Konflikt zu den besonderen Umständen der arabischen Gastländer stehen” ablehnen, wodurch impliziert wird, dass Israel und der neue palästinensische Staat dafür verantwortlich wären, die Nachfahren aller palästinensischen Flüchtlinge aufzunehmen. Für den neuen palästinensischen Staat wäre dies eine enorme Belastung zusätzlich zur Aufgabe des Aufbaus eines neuen Staats, da dies bedeuten würde, dass die Bevölkerung des Landes von 6 auf 9 Millionen Menschen anwächst. Daher müsste Israel die Flüchtlinge aufnehmen, was es nicht tun wird.

Genauso unrealistisch ist der kausale Verweis der Initiative auf „die Gründung eines souveränen, unabhängigen palästinensischen Staates“. Die Gründung eines solchen Staates unter den heutigen Bedingungen würde mit grosser Wahrscheinlichkeit in einen von der Hamas dominierten Staat münden, mit einer stark feindlichen Haltung gegenüber Israel. Die palästinensische Autonomiebehörde muss in eine friedliche und stabile Einheit umgewandelt werden, bevor man von ihr erwarten kann, dass sie einen Staat regiert.

Das grösste Problem mit der Friedensinitiative der Arabischen Liga ist jedoch die Art und Weise, wie sie der anderen Seite vorgestellt wurde. Sie wurde als vollendete Tatsache präsentiert und Israel ohne Diskussion unterbreitet. Die Arabische Liga antwortete noch nicht einmal auf das Angebot des damaligen israelischen Premierministers Ariel Sharon, am Gipfel der Arabischen Liga im Jahr 2002 teilzunehmen. Kürzlich schlug Netanjahu einen neuen Ansatz vor, damit die Friedensinitiative funktionieren kann, doch der Generalsekretär der Arabischen Liga Nabil al-Arabi wies diesen kurzerhand ab. So baut man keine harmonischen Beziehungen zwischen Nationen auf, besonders nicht nach Jahren arabischer Feindseligkeit gegen Israel.

Es war überhaupt nicht nötig, dieses Dokument zu schreiben. Alles, was die Arabische Liga hätte machen müssen, war zu erklären, dass arabische Staaten offen gegenüber einer Friedenschliessung mit Israel sind, Sharons Angebot zur Teilnahme akzeptieren und dann eine Delegation als Zeichen des guten Willens nach Israel zu senden. Eine solche Geste wäre keine Verpflichtung, würde jedoch zeigen, dass die Arabische Liga es ernst meint. So ging der ägyptische Präsident Anwar as-Sadat an den Frieden mit Israel heran.

„Wir schulden es dieser und kommenden Generationen, in unserem Streben nach Frieden nichts unversucht zu lassen.“

Sadat in seinen eigenen Worten

Als Vorbild und Inspiration für uns alle sollte Sadat dienen, eine arabische Führungspersönlichkeit, die einen mutigen Schritt in Richtung Frieden getan und ein Friedensabkommen erreicht hat, das selbst die Muslimbruderschaft von Ägypten 35 Jahre später respektierte.

Sadat wusste, dass eine Annäherung an den Frieden mehr erfordert, als nur Dokumente zu schreiben und aus der Ferne zu kommunizieren, weshalb er nach Israel ging, um seine Vision vorzustellen. Er sagte vor der israelischen Knesset: „Im Leben von Nationen und Menschen gibt es Momente, wo es denen, die für ihre Weisheit und klare Sichtweise bekannt sind, obliegt, die Vergangenheit mit all ihren Komplexitäten und schweren Erinnerungen ruhen zu lassen und neuen Horizonten zuzustreben.“

Sadat zeigte, dass er einige der grundlegenden Bedürfnisse Israels verstand, als er sagte: „Was ist Frieden für Israel? Es bedeutet, dass Israel in der Region mit seinen arabischen Nachbarn in Sicherheit lebt“.

Sadat verstand den Nutzen des Friedens für alle Menschen im Nahen Osten, einschliesslich der Araber, und er verstand die Verantwortung von Führungspersönlichkeiten bei der Umsetzung des Friedens. Er sagte: „Wir schulden es dieser und kommenden Generationen, in unserem Streben nach Frieden nichts unversucht zu lassen … in unserer Region sind Frieden und Wohlstand eng miteinander verknüpft.“

Ein neues Kapitel

Die arabische Welt hat eine katastrophale Bilanz, was Menschenrechte angeht, ist in interne Konflikte verstrickt und schürt weiterhin die sinnlose Feindseligkeit gegen Israel, einen Nachbarn, der uns wissenschaftlich und wirtschaftlich weit überlegen ist und von dem wir stark profitieren könnten.

Wir müssen Verantwortung für unsere Handlungen in der Vergangenheit gegen Israel übernehmen und wir müssen die erforderlichen Änderungen vornehmen. Um es mit den Worten von Sadat zu sagen: „Wir müssen uns alle von allen Formen des Fanatismus, Selbstbetrugs und den veralteten Theorien der Überlegenheit freimachen.” Es liegt an uns.

Auf Englisch zuerst erschienen bei Gatestone InstituteFred Maroun ist ein Kanadier arabischer Herkunft, der bis 1984 im Libanon lebte. Er hat Kolumnen unter anderem für New Canadian Media und The Times of Israel verfasst.