Kein Schweizer Geld für antisemitische NGOs? (I)

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Ausschnitt einer antisemitischen Karikatur publiziert auf der Website der NGO Badil. Foto Badil Website / NGO-Monitor
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Ende April hatte ein Nationalrat in einer Motion gefordert, die Schweiz solle keine Nichtregierungsorganisationen mehr finanzieren und unterstützen, die an der BDS-Bewegung beteiligt oder anderweitig antisemitisch tätig sind. Nach Ansicht des Bundesrates tut sie das allerdings schon jetzt nicht. Stimmt das tatsächlich? Erster Teil einer Artikelserie zur Frage, welchen palästinensischen und israelischen NGOs die schweizerische Regierung hilft – direkt und indirekt.

«Die Schweiz unterstützt in keiner Weise Organisationen, die zu Hass, Gewalt, Rassismus oder Antisemitismus aufrufen. Die Schweiz hat sich nie mit der sogenannten ‹BDS-Bewegung› assoziiert und finanziert oder unterstützt keine Kampagnen, die zu einem Boykott israelischer Produkte aufrufen.» So lautet eine der zentralen Aussagen in der Stellungnahme des Bundesrates zur Motion, die der Solothurner Nationalrat Christian Imark (SVP) Ende April dieses Jahres eingereicht hatte. In seiner Eingabe forderte Imark, die Gesetzeslage dahingehend anzupassen, dass keine öffentlichen Mittel mehr an Nichtregierungsorganisationen (NGOs) vergeben werden, die «in rassistische, antisemitische und hetzerische Aktionen oder BDS-Kampagnen (Boykott, Kapitalabzug und Sanktionen) verwickelt sind». Grund für diesen Vorstoss war, wie der Parlamentarier schrieb, dass immer wieder «zweifelhafte Verbindungen» von israelischen und palästinensischen NGOs aufgedeckt würden, die «direkt oder indirekt mit Schweizer Steuergeldern alimentiert werden». Es bestehe daher, wie Imark gegenüber der «Basler Zeitung» sagte, der begründete Verdacht, «dass die Gelder von der Schweiz für Kampagnen eingesetzt werden, die der Friedensfindung mehr schaden als nützen».

Zum Beweis legte der Nationalrat Unterlagen vor, die eine finanzielle Unterstützung fragwürdiger palästinensischer und israelischer NGOs durch die Schweiz zeigen sollten. Dennoch empfiehlt die Schweizer Regierung nun, die Motion abzulehnen – wobei sie auf keinen einzigen von Imarks Belegen eingeht. In ihrer Stellungnahme heisst es lediglich ganz allgemein, dank der «bestehenden Überwachungs- und Kontrollinstrumente» und des «vor Ort präsenten Personals der Schweiz» könnten rasch Massnahmen ergriffen werden, falls Projektpartner – also etwa NGOs – die aussenpolitischen Prinzipien der Schweiz verletzen sollten. Die Projekte der palästinensischen und israelischen Partnerorganisationen würden zudem «laufend begleitet und überwacht», beispielsweise durch Buchprüfungen und Evaluationen. «Was den spezifischen Fall des israelisch-palästinensischen Konflikts anbelangt, auf den die Motion implizit Bezug nimmt, lässt sich festhalten: Im Rahmen ihres Engagements im Nahen Osten setzt sich die Schweiz für die Friedensförderung und die Beachtung des Völkerrechts durch alle Konfliktparteien ein», so der Bundesrat.

Aber stimmt das auch? Ist es wahr, dass der Bundesrat keine palästinensischen und israelischen NGOs finanziell unterstützt, die zum Boykott Israels aufrufen oder anderweitig an der Unterminierung jüdischer Souveränität arbeiten und sich antisemitisch betätigen? In einer mehrteiligen Artikelserie prüft und analysiert Audiatur Online, welche Organisationen in Israel und den palästinensischen Gebieten von der Schweizer Regierung auf direktem und indirektem Weg monetäre Zuwendungen erhalten, welche Ziele diese Vereinigungen haben und wozu die Gelder aus der Schweiz dementsprechend verwendet werden.

Das «Gaza Community Mental Health Programme»

Ein nicht geringer Teil des Geldes, das an NGOs fliesst, kommt von der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA), die dem Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) untersteht, also dem schweizerischen Aussenministerium. Das erklärte Bestreben der DEZA ist es, zu einem «demokratischen und lebensfähigen palästinensischen Staat in den Grenzen von 1967» beizutragen und dabei «die negativen Effekte der Besatzung und der inneren palästinensischen Teilung» zu reduzieren. Zu diesem Zweck unterstützt die Direktion beispielsweise das «Gaza Community Mental Health Programme» (GCMHP), das – so stellt es die DEZA jedenfalls dar – im Gazastreifen Menschen hilft, die «aufgrund der Blockade» durch Israel und «wegen dreier bewaffneter Konflikte in den vergangenen sechs Jahren» psychisch krank geworden oder traumatisiert sind. Insgesamt 2,2 Millionen Schweizer Franken überwies die DEZA in den Jahren 2011 bis 2013 an das GCMHP, 1,4 Millionen Franken sind es für die Jahre 2015 bis 2017.

Ein genauerer und kritischer Blick auf diese Organisation fördert allerdings zutage, dass sie sich mitnichten nur um psychische Krankheiten und Traumata kümmert. Vielmehr zeigen ihre Stellungnahmen und Aktivitäten regelmässig, dass sie sich als politische Vereinigung zum Zwecke der Dämonisierung Israels versteht. So unterstellt sie dem jüdischen Staat beispielsweise eine «systematische staatlich organisierte Gewalt», «kollektive Bestrafungen», «Massaker», «Kriegsverbrechen» 1 und «Apartheid» 2 zum Nachteil der Palästinenser. Mit teilweise fragwürdigen medizinischen Analysen – etwa der Behauptung, die israelische Luftwaffe erhöhe durch den Überschallknall ihrer tief fliegenden Kampfflugzeuge die Zahl an Fehlgeburten im Gazastreifen – versucht das GCMHP, Israel zu diskreditieren. Sein Generaldirektor Ahmed Abu-Tawahini behauptete überdies gegenüber der Goldstone-Kommission des UN-Menschenrechtsrats im Jahr 2009, israelische Soldaten erschössen palästinensische Kinder vor den Augen ihrer Eltern, weil sie «psychisch instabil» seien. Eyad al-Sarraj, ein Ende 2013 verstorbener Mitbegründer der Organisation, sagte der Kommission, die Soldaten sähen in den Palästinensern keine Menschen. Zudem gebe es «innerhalb von Israel eine Identifizierung mit dem Täter, dem Nazi.» 3

Darüber hinaus unterzeichnete das «Gaza Community Mental Health Programme» nach dem Ende der «Gaza-Flottille» im Mai 2010 einen Aufruf, in dem ein Abbruch der diplomatischen Beziehungen mit Israel und ein Boykott des jüdischen Staates gefordert wurde. Das GCMHP gehörte auch schon zu den Erstunterzeichnern des BDS-Gründungsmanifests im Juli 2005. Mehr noch: Bereits drei Jahre zuvor hatte die Vereinigung betont, es sei «entscheidend, israelische Produkte zu boykottieren, um so effektiv zu verhindern, dass die Wirtschaft die Kriegsmaschinerie hinter den israelischen Massakern finanziert». Mit durchschnittlich immerhin 600.000 Franken pro Jahr unterstützt die Schweiz über ihre Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit das GCMHP und somit eine Gruppierung, die – anders als es der Bundesrat in seiner Stellungnahme gegenüber Nationalrat Imark behauptet – sehr wohl zur BDS-Bewegung gehört, zu einem Boykott israelischer Produkte aufruft und sich auch ansonsten antisemitisch betätigt. 4

Antisemitische Karikatur auf der Website der NGO Badil. Foto Badil Website / NGO-Monitor  http://www.ngo-monitor.org/reports/badil_s_antisemitic_cartoon_questions_for_danchurchaid_trocaire_and_funders/
Antisemitische Karikatur auf der Website der NGO Badil. Foto Badil Website / NGO-Monitor 

Das «Applied Research Institute Jerusalem»

Mehr als 1,4 Millionen Franken flossen derweil von der DEZA zwischen 2012 und 2015 an das «Applied Research Institute Jerusalem» (ARIJ), eine palästinensische NGO, deren Ziel es nach eigenen Angaben ist, «durch eine grössere Kontrolle über die natürlichen Ressourcen die nachhaltige Entwicklung in den besetzten palästinensischen Gebieten und die Selbstständigkeit des palästinensischen Volkes zu fördern». Mit dem Geld aus der Schweiz wurde ein Projekt des ARIJ gefördert, das laut DEZA dazu dienen sollte, «die Rechte der Palästinenser zu schützen, indem die Auswirkungen beobachtet und dokumentiert werden, die die israelischen Besatzungspraktiken – vor allem der ‹Grenzzaun› – auf die Umwelt haben». Die Ergebnisse sollten humanitären und diplomatischen Organisationen sowie Vereinigungen, die mit dem Thema Entwicklung befasst sind, zur Kenntnis gebracht werden.

Doch auch hinter dem vermeintlich honorigen Forschungsinstitut verbirgt sich eine politische Organisation, die die Kampagne für einen Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen gegenüber Israel von Beginn an unterstützt hat. Das ARIJ wirft der israelischen Regierung überdies vor, ein rassistisches Regime zu sein, und behauptet, der jüdische Staat betreibe in Jerusalem eine Politik der «ethnischen Säuberungen». Ausserdem bezichtigt es Israel, auf Apartheid zu setzen. In seinen Publikationen finden sich im Zusammenhang mit dem jüdischen Staat darüber hinaus immer wieder Begriffe wie «Landraub» 5, «Bevölkerungstransfer» und «Kolonialismus» sowie die Vorhaltung, Israel übe «unverhältnismässig», ja, «exzessiv» Gewalt aus 6. Die Organisation «NGO Monitor», die sich seit Jahren intensiv mit der Tätigkeit israelischer und palästinensischer Nichtregierungsorganisationen beschäftigt 7, zählt das «Applied Research Institute Jerusalem» – den Kooperationspartner der DEZA – zu den treibenden Kräften bei der Kampagne zur Dämonisierung und Delegitimierung Israels.

Im nächsten Teil: Welche NGOs vom Schweizer Aussenministerium und von der Botschaft unterstützt werden und was es mit dem Sekretariat für Menschenrechte und Humanitäres Recht, das von der Schweiz mitfinanziert wird, auf sich hat.

Weiterführende Lektüre:

1. Zur Kriegsführung Israels und der Hamas:

  • Warum der Schabas-Report genauso voreingenommen sein wird wie der Goldstone-Bericht, Audiatur Online, 19. März 2015
  • Die vorläufigen Ergebnisse der hochrangigen internationalen militärischen Gruppe zum Gazakonflikt, High Level International Military Group, 12. Juni 2015
  • What to Make of the UN’s Special Commission Report on Gaza?, Lawfare Blog, 24. Juni 2015
  • Die UN muss Goldstones Bericht zurückziehen, Die Welt, 3. April 2011
  • Judge Goldstone expresses regrets about his report into Gaza war, The Guardian, 3. April 2011
  • Uno-Bericht belegt Raketenabschuss aus UNRWA-Schulen, Audiatur Online, 6. Mai 2015

2. Zur Behauptung, Israel sei ein Apartheidstaat:

  • Myths & Facts: «Israel’s treatment of Palestinians is similar to the treatment of blacks in old South Africa», Jewish Virtual Library
  • Die Mär von der Apartheid, Lizas Welt, 23. Mai 2015
  • Response To Common Inaccuracy: Israel is an Apartheid State, Anti-Defamation League

3. Zur Behauptung, Israel verhalte sich wie früher die Nationalsozialisten:

  • Myths & Facts: «Israel is pursuing a policy of genocide toward the Palestinians that is comparable to the Nazis’ treatment of the Jews», Jewish Virtual Library
  • Die debile Moralität der Holocaustvergleiche, Audiatur Online, 31. Mai 2016

4. Zur BDS-Bewegung:

5. Zum Vorwurf, Israel raube den Palästinensern das Land:

6. Zum Vorwurf, Israel handle unverhältnismässig:

7. Zur Finanzierung antiisraelischer NGOs und zu den Hintergründen:

  • Steuergelder für Israel-Boykotteure, Die Weltwoche, 27. April 2014
  • Eine Baisse für das NGO-Business?, Lizas Welt, 30. Dezember 2015
  • Über die Finanzierung antiisraelischer Hetzpropaganda, Audiatur Online, 15. Juli 2016

Über Alex Feuerherdt

Alex Feuerherdt ist freier Autor und lebt in Köln. Er hält Vorträge zu den Themen Antisemitismus, Israel und Nahost und schreibt regelmässig für verschiedene Medien unter anderem für die «Jüdische Allgemeine» und «Mena-Watch». Zudem ist er der Betreiber des Blogs «Lizas Welt». Gemeinsam mit Florian Markl ist er Autor von »Vereinte Nationen gegen Israel«, erschienen bei Hentrich & Hentrich 2018.

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