Solange sich Selbstmordattentäter in Kabul, Bagdad oder Aleppo sprengen und Hunderte mit sich in den Tod reissen, geht das Wort Terror leicht über die Lippen. Nicht aber in Deutschland.
Dort hat es in den vergangenen Tagen keine „Terroranschläge“ gegeben. Würzburg, München, Reutlingen und eine Messerattacke im Metronom nach Bremen waren alles nur „Amokläufe“ psychisch labiler „Einzeltäter“. Und selbst bei dem Selbstmordanschlag in Ansbach muss erst noch geprüft worden, ob es sich bei dem „Verdächtigen“ oder „mutmasslichen Täter“ um einen „radikalisierten Extremisten“ handelte, und ob er wirklich anderen Menschen schaden wollte, als er seinen mit Metallstücken versetzten Sprengsatz inmitten einer Menschenmenge zündete. Ein Machtwort für effektive Terrorbekämpfung hat jetzt immerhin der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter gesprochen. Er brachte ein Rucksackverbot für das Oktoberfest ins Gespräch.
Man gewinnt den Eindruck, dass bei der Berichterstattung in Deutschland politische Korrektheit federführend ist.
In München erzählte eine Augenzeugin namens Lauretta im McDonalds dem CNN-Reporter Dugald McConnell: „Ich kam aus der Toilette und hörte Bum, Bum, Bum. Er tötete die Kinder… Die Kinder sassen dort und assen. Sie konnten nicht weglaufen. Der Mann rief Allahu akbar!”. In Reutlingen handelte es sich um einen Asylbewerber aus Syrien, der mit einer Machete eine Frau ermordete, ehe die Polizei ihn stellen konnte (nachdem ein Autofahrer ihn offenbar bewusst angefahren hatte).
Der Attentäter vom Regionalzug in Ochsenfurt, Riaz Khan Ahmadzai, aus Afghanistan oder Pakistan, hatte laut Spiegel eine bemerkenswerte Perspektive: Ein Jahr nach seiner Ankunft in Passau hatte er eine Aufenthaltsgenehmigung, ein Praktikum, eine Lehrstelle in Aussicht. „Der junge Flüchtling Riaz Khan Ahmadzai galt als vorbildlich integriert“, heisst es beim Spiegel im Untertitel. Als er mit der Axt erst auf eine Touristengruppe aus Hongkong und dann noch auf eine deutsche Spaziergängerin auf einem Parkplatz einschlug, rief er „Allahu Akbar“, wie die Polizei während eines Notrufs mitgeschnitten hatte. Dennoch wurde seine Tat nicht als „Terrorismus“ definiert. Das alles gilt umso mehr für den Anschlag in München, wo der mutmassliche, aus Iran stammende Täter angeblich den norwegischen Massenmörder Breivik zum Vorbild genommen hatte. Unausgesprochen steht dabei auch im Hintergrund die Frage, ob der Islamismus hier eine Rolle spielte. Der Name des Täters, Ali David Sonboly, mutiert daher je nach politischer Einstellung des Berichterstatters von „Ali S.“ zu „David S.“
Seit dem Attentat in Nizza sagt man auch gerne, dass es sich um einen „schnell selbstradikalisierten“ Jugendlichen handelte. Inzwischen stellt sich heraus, dass der Täter von Nizza seine Tat Monate im Voraus geplant hatte, rechtzeitig den Lastwagen gemietet, Waffen beschafft und mindestens fünf Helfer hatte. Auch der Attentäter von München hatte keineswegs spontan gehandelt. Er besuchte Winnenden und Erfurt, wo Schüler Amokläufe gemacht hatten. Ali David S. soll ein Jahr lang gewaltsame Spiele im Internet geübt und die Waffe, eine Glok-Pistole, im Darknet besorgt haben.
In Israel hat man keine Probleme, von Terror zu reden. Heute ist organisierter Terror mit vielen Hintermännern und einer Organisation, etwa der Hamas, relativ selten geworden, weil es dem Geheimdienst gelungen ist, solche Seilschaften zu durchdringen und aufzudecken. Seit vergangenem Oktober erfordern sogenannte „einsame Wölfe“ neue Herausforderung. Einzeltäter greifen sich ein Messer und ziehen los, „Juden abzustechen“. Unter den Tätern sind Kinder, junge Frauen und wohlsituierte junge Männer, die offensichtlich den eigenen Tod suchen, etwa, wenn sie auf Gruppen schwerbewaffneter Polizisten oder Soldaten losgehen.
Es stellt sich auch heraus, dass es keine „schnelle Radikalisierung“ gibt. In Deutschland stellte man fest, dass sich die „spontanen Amokläufer“ monatelang vorbereitet haben. In Israel wird auf die ständige palästinensische Propaganda hingewiesen, darunter aggressive Kinderstunden im Fernsehen und die Ehrung von Attentätern, ihre Finanzierung im Gefängnis oder Renten für die Hinterbliebenen. Die Fronten sind vermeintlich klar gezeichnet.
Doch dann gibt es auch noch radikale Siedler, jüdische Extremisten, die mit einem Brandsatz im Dorf Duma eine ganze palästinensische Familie ausgelöscht oder den Jungen Muhammad Abu Khadeir entführt und lebendigen Leibes verbrannt haben. Palästinenser und Israelis sind sich in diesem Fall sogar einig: Es handelte sich bei den Tätern um „Terroristen“.
Gerne spricht man von „nationalistischen Motiven“. Die gelten für Palästinenser, wenn sie Juden, Siedler oder Israelis bekämpfen und genauso für Juden, wenn sie gegen Araber oder Palästinenser losgehen. Von nationalistischen Motiven sprach man auch bei Breivik, aber wie will man da den Attentäter von München einordnen?
„Terror, lat. „Schrecken“, nennt man laut Uno – Resolution 1566 von 2004: „Straftaten, namentlich auch gegen Zivilpersonen, die mit der Absicht begangen werden, den Tod oder schwere Körperverletzungen zu verursachen, oder Geiselnahmen, die mit dem Ziel begangen werden, die ganze Bevölkerung, eine Gruppe von Personen oder einzelne Personen in Angst und Schrecken zu versetzen, (…)“
Der Begriff ist bekannt seit dem alten Rom, wo man im Übrigen auch Erfahrung im Antiterrorkampf hatte. Wenn wir in Europa heutzutage den Kampf gegen den Terrorismus aufnehmen wollen, dann sollten wir, wenn schon nicht vom modernen Israel, wenigstens von den alten Römern lernen, die Dinge beim Namen zu nennen.