Gedenken an Shira Banki beim Jerusalem March for Pride and Tolerance

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Teilnehmer legen Blumen nieder an der Gedenkstätte für Shira Banki, die im März 2015 erstochen wurde. Foto Andrew McIntire/TPS
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Bereits zum 15. Mal fand gestern unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen die Gay-Pride-Parade in Jerusalem statt. Schätzungsweise 25.000 Menschen nahmen an der Parade in Jerusalem teil, mehr als je zuvor in der Geschichte der Veranstaltung, um ihrer Solidarität mit der LGBT-Community Ausdruck zu verleihen.

von Michael Zeff/TPS

Der Marsch wurde wie bereits in der Vergangenheit von dem Jerusalem Open House for Pride and Tolerance (JOH) organisiert. Er begann mit einer alternativen Trauungszeremonie für Homosexuelle im Liberty Bell Park und endete im Independence Park. Während der Parade legten Teilnehmer Blumen an der Stelle nieder, wo während der Veranstaltung im vergangenen Jahr die 16-Jährige Shira Banki in der Keren HaYesod Street niedergestochen wurde.

„Ein Jahr nach dem schrecklichen Mord an Shira Banki sind wir hier wieder aus dem gleichen Grund zusammen gekommen, nämlich um für eine pluralistische, offene und gleichberechtigte Gesellschaft in Israel zu demonstrieren“, so der offen homosexuelle Anhänger der Likud-Partei und Knesset-Mitglied Amir Ohana in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Tazpit (TPS).

Unter den Teilnehmern der Parade befand sich eine grosse Gruppe religiöser Juden, die auf diesem Weg ihre Unterstützung für die Gleichberechtigung der LGBT-Community kundtun wollten.

„Es ist mir sehr wichtig, meine Meinung zu äussern, auch wenn ich gläubig und heterosexuell bin. Und dies um so mehr nach den jüngsten, erschütternden Äusserungen einiger Rabbis“, sagte ein Teilnehmer und Student der militärnahen orthodoxen Akademie in Tekoa gegenüber TPS. „Es ist möglich, eine Diskussion zu führen und unterschiedlicher Meinung zu sein, aber am Ende sind wir doch alle nur Menschen. Immerhin sagen wir über niemanden, der den Sabbat nicht einhält, er sei ‚pervers‘. Warum also sollten wir Homosexuelle so nennen?“

Er fügte hinzu: „In diesem Jahr waren viele Orthodoxe dabei, die klipp und klar deutlich machen wollten, dass wir diese Ansichten nicht teilen. Nach dem Mord an Shira Banki war es nicht nur mein Wunsch, sondern ich fühlte mich verpflichtet, an dem Marsch teilzunehmen.“

Vor der Eröffnungszeremonie trafen sich viele orthodoxe Teilnehmer am Startpunkt der Parade zum jüdischen Nachmittagsgebet, während konservative und reformierte Juden ein gemeinsames Gebetstreffen für alle Geschlechter abhielten.

Jerusalem Gay Pride Parade. Foto Hillel Maeir/TPS
Jerusalem Gay Pride Parade. Foto Hillel Maeir/TPS

Anders als die Gay-Pride-Parade in Tel Aviv, die den Karnevalsumzügen in New York oder Rio de Janeiro ähnelt, muss man sich unter der Veranstaltung in Jerusalem eher eine geordnete Kundgebung vorstellen, deren Teilnehmer israelische und Regenbogenfahnen tragen und Anti-Hass- beziehungsweise Pro-Toleranz-Slogans rufen oder singen.

Die von der Polizei ergriffenen Sicherheitsvorkehrungen waren in diesem Jahr so hoch wie nie zuvor. Mehr als 2.000 Polizeibeamte, Grenzschützer, verdeckte Ermittler, Rekruten im Bereitschaftsdienst und Freiwillige waren unter der Leitung des Polizeichefs von Jerusalem, Yoram Halevy, im Einsatz, um die Marschstrecke abzusichern und die Teilnehmer zu schützen.

„Wir haben in den vergangenen Monaten sehr eng mit der Polizeibehörde von Jerusalem zusammengearbeitet“, so der stellvertretende Leiter des JOH Tom Canning gegenüber TPS. „Die Polizei war wirklich sehr feinfühlig und rücksichtsvoll und hat ihr Bestes getan, damit sich die Teilnehmer durch die Sicherheitsmassnahmen geschützt und wohl fühlen konnten.“

Kundgebung von Gegnern der Parade. Foto Hillel Maeir/TPS
Kundgebung von Gegnern der Parade. Foto Hillel Maeir/TPS

Während der Veranstaltung wurden 30 Personen unter dem Verdacht festgenommen, die Parade stören und die Teilnehmer gefährden zu wollen. Mehrere Dutzend Gegner der Parade hatten sich zu einer Protestkundgebung in der Nähe der Eröffnungsveranstaltung versammelt. Die Teilnehmer der Kundgebung beschuldigten die Polizei, viele von ihnen nur deswegen festgenommen zu haben, weil sie wie orthodoxe Juden aussahen.

Während einer Vorbesprechung erklärte Polizeichef Halevy gegenüber den Beamten: „Die Pride-Parade ist ein Ausdruck des Rechts auf freie Entfaltung und Meinungsäusserung. Jeder, der sich dem in den Weg stellt, wird verhaftet.“

Während der von Gila Almagor, einer prominenten israelischen Schauspielerin, moderierten Abschlussveranstaltung wurde eine Schweigeminute zum Gedenken an Shira Banki abgehalten sowie ein Video zum Andenken an sie gezeigt. Im Anschluss an den Gedenkgottesdienst wandten sich Shiras Eltern Ori und Mika von der Hauptbühne aus an die Anwesenden.

„Unsere Tochter wurde vor einem Jahr ermordet, weil sie der Überzeugung war, jeder Mensch solle so leben dürfen wie er will, ohne für seine Lebensweise gedemütigt zu werden“, so ihr Vater Ori Banki. „Angesichts all der Extremisten Schweigen zu bewahren und zuzulassen, dass die Auseinandersetzung in der Öffentlichkeit gewaltsame Formen annimmt, bedeutet eine Schmälerung unserer Lebensqualität und manchmal auch den Verlust eines Lebens. Lassen Sie nicht zu, dass die Welle des Hasses, der Ignoranz und der Vorurteile Sie überrollt. Setzen Sie sich konsequent für Ihr Recht ein, in einer toleranten und gemässigten Gesellschaft zu leben.“