Eine moralisch und politisch dysfunktionale Regierung

1
Benjamin Netanyahu (rechts), Avigdor Liberman (mitte) und Moshe Ya'alon in der Knesset . Foto Miriam Alster/FLASH90
Lesezeit: 6 Minuten

Die Tricksereien, die der kürzlichen Erweiterung der Regierung vorangingen, widern sogar jene an, die sich damit abgefunden hatten, dass seit der Zeit von Menachem Begin auf der politischen Bühne in Israel ein vollkommener Mangel an Moral herrscht.

Von Isi Leibler

Premierminister Netanjahu ist es gelungen, seine Regierung zu konsolidieren, und er hat so wahrscheinlich dafür gesorgt, dass sie die gesamte Legislaturperiode übersteht – was ihn dann zum am längsten amtierenden Premierminister Israels macht.

In diesem Fall hielt sich Netanjahu nicht an Machiavelli. Wie bei jedem Politiker war sein wichtigstes Ziel verständlicherweise, seine hauchdünne parlamentarische Mehrheit zu erweitern, um die Macht zu erhalten. Aber es bestehen wenig Zweifel, dass er auch darauf abzielte, eine Regierung zu schaffen, die die Einheit der Nation in Fragen der Sicherheit widerspiegelt und die weder von unseren Gegnern noch unseren Verbündeten als extreme Rechte abgetan werden kann. Ich glaube, dass ihm tatsächlich daran gelegen war, die Zionistische Union oder den Grossteil ihrer Parlamentarier in seine Regierung einzubinden. Letztlich erkannte er jedoch – wie Herzog selbst anschliessend zugab – dass er nicht in der Lage war, die Unterstützung der Israelischen Arbeitspartei zu gewinnen. Selbst wenn Herzog eine Reihe von Knessetmitgliedern der Arbeitspartei zusammengebracht hätte, wäre die Koalition sehr instabil gewesen und hätte jederzeit auseinanderbrechen können.

Avigdor Lieberman, dem klar wurde, dass seine politische Zukunft auf dem Spiel stand, wenn er in einer Opposition verbliebe, die von der Vereinigten Arabischen Liste geführt wird, signalisierte seinem politischen Erzfeind, dass er bereit sei, der Regierung beizutreten und in weniger als 24 Stunden war die Vereinbarung zusammengeschustert.
Netanjahu rettete durch dieses Wendetheater seine Regierung. Das könnte sich jedoch noch als Pyrrhussieg herausstellen.

Da die Weltgemeinschaft mehr Druck ausüben will – einschliesslich Resolutionen des UN-Sicherheitsrates, die uns zur Akzeptanz nicht vertretbarer Grenzen zwingen sollen – werden wir nun wahrgenommen, als hätten wir eine noch rechtsextremere Regierung. Präsident Obama wird das zweifellos ausnutzen, bei anti-israelischen Sicherheitsratsresolutionen kein US-Veto einzulegen.

Innenpolitisch hinterlässt Netanjahus leichtfertiger Umgang mit seinen früheren politischen Verbündeten zur Förderung seiner eigenen Ziele durch Erweiterung der Regierung – um jeden Preis – einen bitteren Geschmack.

Die Art, wie Mosche Jaalon als Verteidigungsminister durch Lieberman ersetzt wurde, war beinah surrealistisch. Als Lieberman Aussenminister war, missbrauchte er seine Position und stellte Israel falsch dar. Ihn als Verteidigungsminister zu ernennen, der über keinerlei militärische Erfahrung verfügt, ist völlig unpassend und gemahnt an die Pleiten, die man mit Amir Peretz verbindet.

Mosche Jaalon hingegen war ein vorbildlicher israelischer Verteidigungsminister. Er wurde als Mann von aussergewöhnlicher Integrität betrachtet, einer der wenigen, die dafür bekannt waren, die nationalen Interessen anstelle persönlicher Ambitionen zu fördern. Dass er im nächsten Sicherheitskabinett fehlt, ist ein grosser Verlust für unsere nationale Sicherheit.

Im vergangenen Monat wurde Jaalon zu Recht für eine Reihe unbedachter Aussagen kritisiert, mit denen er für Spannungen sorgte, als er Mitarbeiter der Streitkräfte aufforderte, sich gegen politische Entscheidungen, die sie für unpassend hielten, auszusprechen.

Jaalons umstrittene Aussagen hatten jedoch keinen Einfluss auf die spätere Einwilligung Netanjahus, Lieberman das Verteidigungsministerium zu überlassen. Klar ist jedoch, dass Jaalon – über viele Jahre hinweg einer von Netanjahus loyalen Verbündeten – nicht als loyaler Partner behandelt oder angemessen konsultiert wurde. Ergebnis war, dass er explodierte und sich trotz des verspäteten Angebots, Aussenminister zu werden, aus der Regierung und der Knesset zurückzog und ankündigte, er werde zu einem späteren Zeitpunkt in die Politik zurückkehren und sich um die Führung bewerben.

Wie hat sich das auf die Innenpolitik ausgewirkt? Der grösste Verlust des Landes ist Jaalon, dessen kluger Rat und militärisches Fachwissen unersetzlich sind. Der andere Verlierer ist Jizchak Herzog, der wirklich den Zionismus zurück in die Arbeitspartei bringen und die illusionären Linken, die seine Partei gekapert haben, an den Rand drängen wollte. Zu diesem Zweck bekämpfte er seine eigenen Parteikollegen; es gelang ihm aber nicht, eine nationale Einheitsregierung zu schaffen. Seine Partei ist nun in einem desolaten Zustand, bis sie sich wieder geordnet hat und einen neuen Führer wählt.

Grosser Gewinner in dieser neuen Regierung ist neben Lieberman, Yair Lapid, der in den Wahlen enorm profitieren und bei der nächsten Wahl wahrscheinlich eine alternative Führung darstellen wird.

Die Haredim sind ebenfalls begeistert, weil Lieberman in seinem Machthunger kein Problem damit hatte, sein leidenschaftliches Engagement für Reformen im religiösen Bereich und das Bestreben, den Würgegriff der Ultraorthodoxen in Bezug auf Konversion, Ehe und Wehrpflicht zu lockern, ruhen zu lassen.

Viele Israelis sind über ihren Premierminister verärgert. Hätte er aber nicht so gehandelt, wie er es getan hat, wäre seine Regierung am Rande des Kollapses. Unentschuldbar ist jedoch, wie er Jaalon gedemütigt hat, der nicht einmal angemessen informiert war, bis hin zu dem Punkt, wo er es sogar ablehnte, der aktuellen Regierung weiter anzugehören – ein grosser Verlust für die Nation.

Es stellen sich mehrere Fragen. Welchen Preis wird Netanjahu für die Festigung seiner Führung zahlen? International sieht er sich dem stärksten diplomatischen Druck ausgesetzt, der je auf Israel ausgeübt wurde, nun, da ein amerikanischer Präsident, dem nachgesagt wird, er wolle als Vermächtnis Israel isolieren, vor dem Ende seiner Amtszeit steht.

Wie wird er mit Lieberman zusammenarbeiten, der bis vor wenigen Tagen noch eine offene persönliche Abneigung gegen ihn zur Schau trug? Es war schon ernst genug, als Lieberman als Aussenminister unabhängig Randale machte. Wie soll das funktionieren, wenn er Verteidigungsminister ist?

Und doch ist Lieberman kein Narr. Obwohl er sich als gewöhnlicher Hardliner darstellt, hat er in der Vergangenheit Pragmatismus gezeigt und oft und unerwartet seine Position geändert. Vielleicht wird er uns ja überraschen, mit dem Premierminister kooperieren und sich mit Hilfe der richtigen Berater als kompetenter Verteidigungsminister erweisen. Doch wir sollten nicht zu viel erwarten.

Gleichzeitig sollten wir die Medienhysterie mit Vorsicht geniessen. Bis vor einer Woche, als Lieberman noch Netanjahus schärfster Kritiker war, war er der Liebling der Medien. Der gleiche Lieberman, der die Regierung angeblich weiter nach rechts treibt, wurde vor den letzten Wahlen als Pragmatiker gelobt, der sich mit der Linken verbünden würde, um Netanjahu abzusetzen.

Trotz unseres Ärgers und unserer Frustration über die neueste Demonstration unseres dysfunktionalen politischen Systems hat es keine fundamentale Änderung der Regierungspolitik gegeben. Wir müssen uns hinter die Sicherheitspolitik der Regierung stellen und der Welt zeigen, dass es trotz des Verhaltens unserer Politiker einen stabilen Konsens der gesamten Nation zugunsten einer Trennung von den Palästinensern gibt – vorausgesetzt, wir behalten vertretbare Grenzen und finden einen echten palästinensischen Partner für den Frieden. Das ist nicht nur die Politik der Regierung, sondern auch die aller zionistischen politischen Parteien.

Diese Kolumne wurde in englisch auch in der Jerusalem Post und Israel Hayom veröffentlicht. Isi Leibler ist ehemaliger Vorsitzender der australischen jüdischen Gemeinde und ehemaliger Vorsitzender des Verwaltungsrates des Jüdischen Weltkongresses. Leibler lebt in Israel und ist regelmässiger Kolumnist für die Jerusalem Post und Yisrael Hayom.

1 Kommentar

  1. Die Regierung ist weder „moralisch und politisch dysfunktional“ (im
    Gegenteil: sie funktioniert wunderbar zum Nutzen des jüdischen Volkes)
    noch sollte man Lieberman unterschätzen, Israel braucht keine
    Fachidioten, sondern politische Führer und Gestalter, die der
    bescheuerten Welt, insbesondere dem amerikanischen Noch-Präsidenten
    trotzen können.

Kommentarfunktion ist geschlossen.