Grab Jesu ist einsturzgefährdet

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Das eingerüstete Grab von oben. Foto US
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Mit einer mehrstündigen Absperrung des Grabes Jesu in Jerusalems durch die Polizei hat Israel den Anstoss zur Beilegung einer uralten Fehde unter den grossen christlichen Kirchen gegeben. Ein Jahr verhandelten sie über eine rundum-Renovierung des akut einsturzgefährdeten Grabmals Jesu, das 1810 über dem kaum mehr erkennbaren Originalgrab errichtet und 1947, nach dem Erdbeben von 1947, von den Briten mit einem hässlichen stählernen Korsett versehen worden ist. Die Kirchen einigten sich, jeweils zu einem Drittel die Kosten zu tragen. Doch jetzt hat sich der Haschemitische König Abdullah von Jordanien gemeldet, die Kosten aus eigener Tasche tragen zu wollen.

Das Grab Jesu, die heiligste Stätte des Christentums, ist einsturzgefährdet. Die Schritte Tausender Pilger haben den Mörtel zwischen den dunkelroten Marmorplatten zerstört. Die Platten lösen sich aus den Fugen. Die Vertreter der drei grossen Kirchen vor Ort achten zwar akribisch darauf, dass nur ja keiner seinen jeweiligen christlichen Gottesdienst auch nur um 5 Minuten verlängert – Prozessionen und Heilige Handlungen werden nach der Stoppuhr eingeteilt, aber Griechen, Lateiner und Armenier sind hoffnungslos zerstritten.

Am 17. Februar 2015 hatte Israel genug von der Dauergefährdung ahnungsloser Touristen: israelische Polizisten sperrten einige Stunden lang das Grab und warfen kurzerhand die  darin wachenden Priester raus. Israels klare Botschaft:  einigt Euch, um das Ädikül über dem traditionellen Grab einvernehmlich zu renovieren. „Israel wollte nicht abwarten, bis Pilger und Priester durch den Einsturz des Grabgebäudes erschlagen werden, um dann zu sehen, ob auch sie von den Toten wieder auferstehen“, hiess es zynisch zu der Forderung, an dieser Stätte eine Katastrophe zu vermeiden.

Ein Jahr lang verhandelten die drei grossen Kirchen und einigten sich am 22. März auf eine gemeinschaftliche Finanzierung der Renovierungsarbeiten. Die sollen von einem griechischen Team ausgeführt werden und bis Anfang 2017 abgeschlossen sein.

Die Kosten für die Renovierung wurden mit etwa 4 Millionen Euro angegeben, wobei es hiess, dass die drei Kirchen jeweils ein Drittel der Summe spenden wollten. Eine griechische Bank verspach zudem 50.000 Euro für die Gerüste, unter Bedingung, dass auf allen Baumaschinen ihr Namensschild prangern sollte.

Jetzt meldete sich der jordanische König Abdullah mit einem „königlichen Segen“ („Makruma“), die Kosten für die Renovierung aus eigener Tasche zu bezahlen. Der griechische Patriarch der Heiligen Stadt Jerusalem, ganz Palästina und Jordanien, Kyrios Kyrios Theophilos III, lobte die Rolle seiner Majestät als Hüter der christlichen wie muslimischen Heiligen Stätten im Heiligen Land. Abullahs Vater, König Hussein, hatte 1993 aus eigener Tasche die Vergoldung der Kuppel des Felsendoms finanziert, ein anderes Wahrzeichen Jerusalems.

Welchen Anteil der jordanische König, ein direkter Nachkomme des Propheten Mohammad, beisteuern oder ob er die gesamten Kosten übernehmen will, ging aus einer Meldung der Nachrichtenagentur Petra nicht hervor.

Das (leere) Grab Jesu hat eine bewegte Geschichte.
Jesus wurde in einem rund 3.000 Jahre alten Steinbruch in der Grabhöhle des Josef von Arimatea bestattet. Den Steinbruch hatte König Salomon für die Gewinnung von Bausteinen für seinen Tempel angelegt. In der Zeit Jesu wurden die Toten in Tücher gewickelt in offenen Gräbhöhlen auf Steinbahren gelegt. Nach sechs Monaten wurden die Knochen eingesammelt, und in Ossuarien (steinernen Grabkästen) gepackt. Um einen „Diebstahl“ der Leiche Jesu zu verhindern, standen römische Legionäre Wache. Nach drei Tagen kamen die Frauen aus der Gefolgschaft Jesu und entdeckten, dass die Grabhöhle leer war. Jesus war von den Toten wieder auferstanden und hatte sich unbemerkt aus seinem Grab herausgeschlichen.

Unklar ist, wie diese Grabhöhle ausgesehen haben könnte, zumal keine 10 Meter von dem traditionellen Grab Jesus entfernt tatsächlich 2.000 Jahre alte jüdische Grabstätten in der Felswand des Steinbruchs gefunden worden sind. Sie können in einer stark vernachlässisgten syrisch-armenischen Kapelle besucht werden, die sich hinter dem Grab Jesu befindet, gegenüber dem von syrisch-orthodoxen Priestern bewachten „Eingang“ zum Grab Jesu. Unklar ist, ob das Grab Jesu ein separater Bau war oder auch in den Fels gehauen war.

Eisenträger am Grab als Kerzenständer. Foto US
Eisenträger am Grab als Kerzenständer. Foto US

Im 3. Jahrhundert „entdeckte“ Helena, die Mutter des Kaisers Konstantin, die Grabstätte und liess ein erstes Gebäude darüber errichten. Davon ist nichts mehr zu sehen. Dieses erst Grabmal wurde vom ägyptisch-schiitischen Herrscher Al-Hakim im Jahr 1009 zerstört und von den Kreuzfahrern neu überbaut. Nach einem Brand, der die darüber errichtete Grabeskirche fast völlig zerstörte, wurde 1810 ein mit roten Marmorplatten und geschmacklos kitschigen Türmchen ein neues Grabmal errichtet, das bis heute dort steht und wegen Baufälligkeit einzustürzen droht. Wegen schweren Beschädigungen durch das grosse Erdbeben 1927 haben die Briten dem ganzen Bauwerk ein hässliches Korsett aus grau angestrichenen Stahlträgern verpasst.

Im Rahmen der Renovierungsarbeiten sollen die britischen Stahlgerüste und die Marmorplatten aus dem 19. Jahrhundert abgetragen, und für eine mögliche Wiederverwendung gesäubert werden. Ob dabei tatsächlich Reste des Kreuzfahrerbaus und des ursprünglichen Grabmals der Helena freigelegt werden können, ist noch unklar.

Christliche Archäologen wie Bargil Pixner forderten schon vor Jahren, sämtliche Überbauten ab der Epoche der Helena abzutragen, um vielleicht gar Überreste des Originalgrabes aus der Zeit Jesu zu finden.

Weil sich Griechisch-Orthodoxe, Franziskaner, Armenier, Syrer, Äthiopier und ägyptische Kopten ständig streiten und Mönche wie Popen gelegentlich mit Altarkerzen und Kruzifixen aufeinander einprügeln, liegt die Schlüsselgewalt zu dem einzigen Kirchentor der Grabeskirche bei zwei muslimischen Familien. Die werden von den Christen für ihren Dienst bezahlt, was bedeutet, dass die Christen an ihrer heiligsten Stätte Untermieter von Moslems sind. Für die Sicherheit sind zudem israelische Polizisten zuständig. Sie müssen immer wieder zwischen den streitenden Parteien schlichten

Über Ulrich W. Sahm

Ulrich W. Sahm, Sohn eines deutschen Diplomaten, belegte nach erfolgtem Hochschulabschluss in ev. Theologie, Judaistik und Linguistik in Deutschland noch ein Studium der Hebräischen Literatur an der Hebräischen Universität in Jerusalem. Seit 1975 ist Ulrich Sahm Nahost-Korrespondent für verschiedene deutschsprachige Medien und berichtet direkt aus Jerusalem.

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