Es gibt mehr als nur eine Art, ein Gen zu unterdrücken – und eine neue Entdeckung der Wissenschaftler des Israel Institute of Technology (Technion) könnte zu einem bahnbrechenden neuen Verfahren zur Regulierung der Genaktivität führen.
Von David Shamah, The Times of Israel
In einer in der Wissenschaftszeitschrift „Nature Communications“ veröffentlichten Studie beschrieb Assistenzprofessor Roee Amit, Mitarbeiter der Fakultät für Biotechnologie und Lebensmitteltechnik am Technion, gemeinsam mit seinen Kollegen ein Verfahren, bei dem ein Protein physisch in die Interaktion zwischen einem Gen und dem Element, das dieses zu aktivieren versucht, eingreifen kann.
Dieser bislang unbekannte Mechanismus könnte Wissenschaftler in die Lage versetzen, Methoden zur Unterdrückung bestimmter Krankheiten zu entwickeln, wie z. B. Mukoviszidose und Sichelzellenanämie, aber auch anderer, häufigerer Krankheiten, die von Genaktivitäten oder -mutationen verursacht werden, so wie viele Formen von Krebs.
„Wir haben dieses Model durch Experimente an 300 synthetischen regulatorischen Gensequenzen bei Bakterien verifiziert, und diese Untersuchungen haben uns dazu veranlasst, dieses neue Konzept zu entwickeln“, erklärte Amit. „Wir glauben jetzt, dass sich dieser Mechanismus zu einem effektiven Verfahren zur Stilllegung bestimmter Gene entwickelt hat.“
Genunterdrückung ist ein biologischer Begriff, der sich auf die Unterdrückung der genetischen Aktivität durch die Zelle bezieht. Durch die direkte Funktion von Proteinen wissen lebende Zellen, wie sie Gene durch einen als Genregulation bekannten Vorgang aktivieren können und wie sie diesen „ausschalten“ oder eben durch den Prozess der Unterdrückung zurückhalten können. Forscher experimentieren schon seit einiger Zeit an der Aktivierung oder Deaktivierung von Genen zum Zweck der Kontrolle von Krankheiten. Da jedoch jedes Gen auf ganz individuelle Art und Weise aktiviert wird, stellte die Entwicklung einer allgemeingültigen Methode zur Genregulierung durch diese Intervention bislang eine grosse Herausforderung dar.
Bei der Erforschung der unmittelbaren Proteinfunktion entdeckte das Team, dass es noch andere Faktoren gab, die offenbar die Genexpression durch physische Verdeckung verhinderten, sprich, durch ein Protein, das die Interaktion zwischen dem Gen und dem Faktor, der dieses zu aktivieren versucht, verhindert.
„Das verdeckende Protein kann man sich wie einen grossen Mann vorstellen, der im Kino vor einem sitzt“, erklärte Amit. „Ein anderer Vergleich wäre der einer Sonnenfinsternis. Tatsächlich kann man diesen Vorgang als eine Art ‚Gen-Finsternis‘ bezeichnen, bei der sich einige Proteine auf einem DNA-Segment festsetzen und zwar an einer Stelle des Gens, die den Faktor verdeckt, der das Gen eigentlich aktivieren soll und es dadurch effektiv unterdrückt.“
Wenn dies tatsächlich der Fall ist, sollte dieser physische Mechanismus der Genunterdrückung vorhersehbar sein, da sich die physischen Konturen der Gene – im Gegensatz zu ihrer Funktion – ähneln. Um diese Theorie zu überprüfen, führte das Forscherteam ein Experiment durch: Es berechnete die Wahrscheinlichkeit, dass ein proteingebundenes DNA-Molekül „eine Schleife bildet“ (ein Prozess, der die DNA-Transkription – den ersten Schritt der Genexpression – in Gang setzt) und verwendete synthetische Verstärker (Mutationen, die genetische Veränderungen hervorrufen), um die Prognosen des Modells an Bakterien zu testen. Nachdem sie Hunderte solcher Verstärker überprüft hatten, wandten sie diese auf native Genome an, indem sie ein Computerprogramm benutzen, welches untersuchte, inwieweit der Mechanismus bestimmte Gene beeinflusste.
Da diese Methode der Genunterdrückung noch sehr jung ist, ist selbstverständlich weitere Forschung erforderlich – dennoch reichten diese ersten Forschungsergebnisse aus, um dem Team eine Förderung in Höhe von 4 Millionen Euro aus dem Programm der EU-Kommision Horizon 2020, Future and Emerging Technologies (FET), zu verschaffen. Das Team wird sich auf fünf Forschungsgruppen vergrössern, die zusammenarbeiten, um die grundlegenden Regulationscodes von Bakterien, Hefen, Säugetierzellen und Fliegen zu entschlüsseln und so den Vorgang der physischen Genunterdrückung besser verstehen zu lernen – und wie dies zur Vorbeugung von Krankheiten beim Menschen genutzt werden kann.
„Der Code zur Genregulation ist eine Art Programmiersprache, durch die das Genom in der Lage ist, die Genexpression hinsichtlich Ort, Timing und Intensität zu kontrollieren“, erklärte Amid. „Die Studie wird sich innovative DNA-Druckverfahren zunutze machen, um den Code umzuschreiben und die Ergebnisse synthetischer Anwendungen in lebenden Zellen zu untersuchen.“
Die Forscher hoffen, durch das Schreiben von Abertausenden synthetischer Kontrollsequenzen die genomische Syntax lebender Zellen zu entschlüsseln.