Nichtregierungsorganisationen – Waffen im Krieg gegen Israel

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Palästinensische Kundgebung für Ezra Nawi. Foto Twitter
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Eine der grössten Kontroversen in Israel wird zurzeit über die Rolle der mit ausländischen Mitteln finanzierten Nichtregierungsorganisationen bei der Beeinflussung der Innenpolitik des Landes geführt. Wie immer, muss man auch hier dem Weg des Geldes folgen.

Nichtregierungsorganisationen (NRO/NGO) sind in Israel sehr gross im Geschäft. Verschiedene NRO – die meisten von ihnen sind politisch links einzuordnen und geben an, die Menschenrechte und Demokratie fördern zu wollen – sind sehr aktiv in der Knesset und in den Medien sowie darin, Klagen vor dem obersten Gericht einzureichen, um Regierungsbeschlüsse zu kippen. Sie erhalten Millionenbeträge von grossen Stiftungen und ausländischen Regierungen – hauptsächlich europäischen. Während die israelische Rechte die Aktivitäten dieser NRO kritisiert, werden sie vom Grossteil der israelischen Massenmedien unterstützt. Aus diesem Grund ist der „Halo-Effekt“ – der Heiligenschein, der diese NRO vor einer unabhängigen Untersuchung schützt ­– besonders stark.

Doch dieser Heiligenschein bekam kürzlich Risse, als die populäre israelische Nachrichtensendung Uvda Aufnahmen einer versteckten Kamera von der wenig bekannten und von dem Aktivisten Ezra Nawi geführten „Friedensgruppe“ Ta’ayush veröffentlichte. Die Aufnahmen zeigten  Nawi, der zusammen mit Nasser Nawaja, einem palästinensischen Mitarbeiter der NRO B’Tselem, ein Komplott gegen einen Araber schmiedete, der im Westjordanland privaten Grundbesitz an Juden verkaufen wollte. Sie versuchten, den Palästinenser in eine Falle zu locken, wo er von den Sicherheitskräften der Palästinensischen Autonomiebehörde gefangen genommen worden wäre. Wie Nawi im Video kaltblütig anmerkte, wird der Verkauf von palästinensischem Land an Israelis von der PA mit dem Tode bestraft.

Der linke israelische Aktivist Ezra Nawi umgeben von Gefängniswärtern auf dem Weg zum Gericht in Jerusalem am 12. Januar 2015. Foto Yonatan Sindel / Flash90
Der linke israelische Aktivist Ezra Nawi umgeben von Gefängniswärtern auf dem Weg zum Gericht in Jerusalem am 12. Januar 2015. Foto Yonatan Sindel / Flash90

In allen Schlagzeilen wurde über die Ausstrahlung berichtet, die wochenlange Auswirkungen nach sich zog. Nawi wurde bei dem Versuch, aus dem Land zu fliehen, am Ben-Gurion-Flughafen festgenommen. Einige Tage später wurden in einer Nachfolgesendung weitere Aufnahmen von versteckten Kameras veröffentlicht. Darauf sah man Nawi zusammen mit Vertretern von zwei anderen bekannten „Menschenrechts“-NRO – Breaking the Silence (BtS) und Rabbis for Human Rights (RHR). Es wurde gezeigt, wie beide Gruppen Nawi Geld überreichten, der wiederrum Checks an Palästinenser übergab – scheinbar dafür, dass sie an gewalttätigen Demonstrationen teilnahmen. RHR behauptete, dass Nawi für das Bereitstellen von Transportdienstleistungen bezahlt wurde. BtS denunzierte in Anlehnung an den berüchtigten ostdeutschen Geheimdienst alle an der Sendung beteiligten Personen als „Stasispitzel“.

Der Beitrag war besonders explosiv, da Nawi ein ikonischer Held der politischen Linken Israels und darüber hinaus war – ein schwuler Sepharde, Friedensaktivist und Pazifist, der den Mythos des westlichen Orientalisten verkörperte. Prominente Linke wie Noam Chomsky und Naomi Klein beschrieben ihn als „einen der mutigsten Menschenrechtsaktivisten Israels“. David Shulman, der hochkritische Artikel über Israel in der Zeitung The New York Review of Books veröffentlicht und zufällig auch Mitglied von Ta’ayush ist, bezeichnete Nawi als einen israelischen Gandhi. Im Jahr 2009, nachdem Nawi infolge einer Demonstration unter anderem wegen Körperverletzung verurteilt worden war, wurde er zum Mittelpunkt einer internationalen Kampagne, zu der auch ein sympathisches Porträt im Time-Magazin gehörte. Die stark anti-zionistische Jewish Voice for Peace gab an, in einer Petition 20.000 Unterschriften gesammelt zu haben, um ihn vor dem Gefängnis zu bewahren. Doch in nur 37 Minuten zerstörte die Sendung von Channel 2 Nawis Image.

In einem grösseren Kontext gesehen hat das Timing der Ausstrahlung allen NRO in Israel geschadet. Sie fand statt mitten in einer hitzigen Debatte über die Rolle der israelischen NRO in der weltweiten Kampagne zur Dämonisierung Israels durch die Verwendung von Begriffen wie „Apartheid“, den Aufstieg der Boycott, Divestment and Sanctions (BDS)-Bewegung und einem „Lawfare“, um Israels Offizielle wegen Kriegsverbrechen und anderen vermeintlichen Überschreitungen des internationalen Rechts anzuklagen.

Vor den Ausstrahlungen von Uvda standen BtS und deren Schirmherren im Fokus einer wachsenden Verärgerung vieler Israelis der politischen Rechten, der Mitte und sogar vieler Angehöriger der linken Mitte. Diese Verärgerung folgte auf einen sprunghaften Anstieg der öffentlichen Präsenz von BtS, die das Millionen Dollar umfassende Budget der Gruppe wiederspiegelte. In weltweiten BtS-Veranstaltungen in Kirchen, Universitäten und Nationalparlamenten kam es zu „anonymen Zeugenaussagen“ über die angebliche systematische Unmoral der IDF-Soldaten, jedoch ohne stützende Beweise.

Im Laufe der Zeit haben politische NGO’s in Israel ohne die Kontrollmechanismen des Demokratisierungsprozesses viel Einfluss errungen.

Als Antwort darauf reichten hunderte IDF-Reserveoffiziere eine Petition beim Verteidigungsminister ein und forderten darin, BtS-Aktivisten das Halten von Reden auf Militärstützpunkten zu verwehren. Parallel dazu forderten Angehörige von Terroropfern und gefallenen Soldaten Bildungsminister Naftali Bennett dazu auf, BtS zu verbieten, vor Schülern zu sprechen. Auch NRO wie B’Tselem wurden kritisiert. In der beliebten israelischen Samstagabend-Satiresendung Gav Hauma gab Gastgeber Lior Schleien ein zehnminütiges Programm zum Besten, in dem er hauptsächlich BtS und verwandte NRO verspottete. Es ist eindeutig, dass Uvdas Enthüllungen eine grössere Kontroverse um Israels NRO ins Rollen gebracht hat. Eine Verschwörung zum Mord ist ein entscheidender Beweis, den selbst Israels linke Mitte nicht mehr als mit den Menschenrechtsprinzipien vereinbar ansehen kann. Seitdem werden Begriffe wie Heuchelei und Doppelzüngigkeit häufiger verwendet, und das nicht nur von rechten Kritikern.

Dieser Rückschlag war längst überfällig. Im Laufe der Zeit haben politische NRO in Israel ohne die Kontrollmechanismen des Demokratisierungsprozesses viel Einfluss errungen. Dieser Einfluss wurde häufig dazu genutzt, gegen die Politik der gewählten israelischen Regierung zu opponieren, in erster Linie durch Aktivismus ausserhalb Israels. NRO-Aktivisten verwendeten häufig Begriffe wie „Apartheid“ und beschuldigten israelische Führungskräfte der Begehung von Kriegsverbrechen, systematischer Verletzungen des internationalen Rechts und der Unterdrückung der Menschenrechte.

Es ist wichtig zu verstehen, dass diese Aktivitäten Teil einer viel grösseren, internationalen Kampagne gegen Israel sind. Das berüchtigte NRO-Forum bei der UN-Weltkonferenz im Jahr 2001 gegen Rassismus in Durban, Südafrika, an dem 1.500 Gruppen teilnahmen, brachte eine umfassende Strategie zur Dämonisierung Israels auf Basis des Anti-Apartheid-Modells hervor. Dies war die Geburtsstunde der BDS-Bewegung und vieler „Lawfare“- Kampagnen. Obwohl die meisten israelischen NRO nicht am Forum in Durban teilnahmen, beteiligten sich darauf viele intensiv an diesen Bemühungen.

Als die Beteiligung von NRO an BDS und anderen Kampagnen deutlicher wurde, wuchs die Kritik in Israel, besonders nach der Veröffentlichung des diffamierenden und mittlerweile diskreditierten Goldstone-Berichts der UN über die Operation „Cast Lead“ („Gegossenes Blei“) im Jahr 2009. Der Bericht basierte auf hunderten Behauptungen von NRO, darunter B’Tselem und BtS, von denen sich viele als falsch oder nicht nachweisbar herausstellten. Diese Behauptungen, die nun die Imprimatur der UN hatten, wurden bei Festnahmeversuchen von Israelis als vermeintliche „Kriegsverbrecher“ zitiert, darunter die ehemalige Aussenministerin Tzipi Livni und eine Vielzahl von Militäroffizieren.

Als Antwort darauf führten Politiker der israelischen Rechten Gesetze ein, die den Einfluss der NRO auf die Politik Israels einschränkten. Informationen zum Umfang der finanziellen Mittel dieser Gruppen wurden von meiner Organisation NGO Monitor veröffentlicht und zeigen den Prozess, durch den die Europäische Union und Einzelstaaten diese NRO als Instrumente für ihre eigene Politik nutzten.

Diese Aktivität ist in den Beziehungen zwischen Demokratien einzigartig. Wenn Europa die amerikanische Politik, Politiker und Gesellschaft auf diese Art beeinflussen wollte, würde dies einen jährlichen Transfer von Milliardenbeträgen an amerikanische NRO voraussetzen, die sich auf kontroverse Fragen wie Abtreibung, Waffenkontrolle, Rassismus oder Einwanderung stürzen würden. Selbst eine kleine von ausländischen Regierungen finanzierte Kampagne zu diesen Themen würde einen sofortigen und breiten amerikanischen Widerstand zur Folge haben.

Die israelische Debatte flammte nach dem Krieg in Gaza im Jahr 2014 wieder auf, als sich der Kreislauf aus Angriffen der NRO und UN-Berichten mehr oder weniger wiederholte. Dann, im November 2015, gab die Europäische Union eine „Interpretationshilfe“ für ihre Import-Richtlinien heraus, in denen empfohlen wurde, dass die Mitgliedsstaaten eine Kennzeichnung von Produkten aus den besetzten Gebieten (also aus dem Westjordanland, Ostjerusalem und den Golanhöhen) fordern sollten. Diese Geste, auch als „BDS light“ bekannt, wurde schon seit vielen Jahren von einem in Brüssel sehr aktiven NRO-Netzwerk vorangetrieben, so z. B. in einem Bericht aus dem Jahr 2012 mit der Überschrift „Handelt den Frieden weg“ (Trading Away Peace), der von 22 grossen Gruppen gesponsert wurde, von denen viele Fördergelder von der EU und Einzelstaaten erhalten. Wie Steven J. Rosen im Januar in The Tower schrieb, arbeiten diese NRO eng mit „der komplexen Bürokratie der EU und ihren Mitgliedsstaaten zusammen – den Funktionären, die umgangssprachlich als ‚Eurokraten‘ bekannt sind. Es stehen eher stufenweise Massnahmen als ein vollständiger Boykott Israels im Fokus, und dies hat sich als weitaus erfolgreicher erwiesen als die radikale Version.“

Diese Vorkommnisse setzten die NRO wieder an die Spitze der israelischen Tagesordnung, und Ende 2015 kündigte Justizministerin Ajelet Schaked ein neues Bestreben an, das sich hauptsächlich auf die ausländische Finanzierung der NRO fokussiert. Sollte das Gesetz verabschiedet werden, müssten – laut der veröffentlichten Vorversion – NRO, die mehr als 50 % ihres Budgets aus Zuwendungen ausländischer Regierungen beziehen, dies in ihren Veröffentlichungen, Briefen an Regierungsbeamte und Protokollen von Stellungnahmen der Knesset ausweisen.

Es sollte klar sein, dass die Folgen dieser Massnahmen vorwiegend symbolischer Natur sein würden. In Israel jedoch hat diese Symbolik eine grosse Bedeutung, da sie den Stellenwert der nationalen Souveränität und Selbstbestimmung wiederspiegelt, der ein zentrales Element der zionistischen Ideologie darstellt. Viele Israelis nehmen ausländischen und vor allem europäischen Regierungen ihre Bemühungen übel, Israels Zivilgesellschaft und Politik zu manipulieren. NRO-Aktivisten glaubten, dass das Kennzeichnen der ausländischen Finanzierung, unter dem Deckmantel der Transparenz, die Macht und die Legitimität ihrer Organisationen grundsätzlich einschränken würde. Aus diesem Grund löste Schakeds Initiative eine Flut von Schlagzeilen in den israelischen Medien und zahlreiche dringende Knessetsitzungen aus, die die Initiative teilweise unterstützten und teilweise auch rigoros ablehnten. NRO-Vertreter und ihre Verbündeten attackierten Schaked und die Unterstützer des Gesetzes als „McCarthyisten“ und „Faschisten“, die versuchen würden, die Demokratie zu zerstören. In Kommentaren und öffentlichen Stellungnahmen verglichen NRO und ihre Unterstützer den Gesetzesentwurf mit den Massnahmen, die in der Türkei und in Putins Russland ergriffen wurden.

Justizministerin Ajelet Schaked. Foto Alex Kolomoisky / Flash90
Justizministerin Ajelet Schaked. Foto Alex Kolomoisky / Flash90

Schaked schlug natürlich zurück. Sie wies die Analogie mit Russland und der Türkei zurück und argumentierte, dass der vorgeschlagene Gesetzesentwurf vollkommen mit den Prinzipien der Demokratie übereinstimme. Sie verglich ihren Entwurf vor allem mit dem U.S. Foreign Agents Registration Act (FARA), den der Kongress im Jahr 1938 verabschiedet hatte. Das Ziel von FARA war die Offenlegung von Bemühungen ausländischer Regierungen, Einfluss auf den US-Kongress zu nehmen. Schaked zufolge sei ihr Gesetz „weniger streng als die von den USA ähnlichen Aktivitäten auferlegten Bestimmungen unter dem Foreign Agents Registration Act.“

Diese Behauptung eröffnete eine weitere Front, und der Vergleich wurde von den NRO-Vertretern und einem Beamten des US-Aussenministeriums umfassend abgelehnt und denunziert. Dann, in einer ungewöhnlichen Stellungnahme, lehnte Daniel Shapiro, der Botschafter der Vereinigten Staaten in Israel, die FARA-Analogie ab. Er behauptete, dass – im Gegensatz zum israelischen Vorschlag, der sich nur auf NRO bezieht – das „US-Gesetz keinerlei Grenzen, Einschränkungen oder Transparenzbestimmungen bezogen auf die ausländische Förderung von in den Vereinigten Staaten operierenden NRO erhebt, abgesehen von denen, die im Allgemeinen für alle Amerikaner gelten. … Daraus ergibt sich, dass es nicht die gleiche abschreckende Wirkung auf NRO-Aktivitäten hat, die uns beim Betrachten des Entwurfs für das israelische NRO-Gesetz Sorgen bereitet.“ Schapiros scharfe Antwort liess jedoch den  wichtigsten Punkt aus – die Bedrohung in Israel geht nicht von deutschen Spionen oder sowjetischen Agenten aus, sondern von aus dem Ausland geförderten Organisationen, die die Sprache der Menschenrechte nutzen, um den jüdischen Staat zu dämonisieren. Schakeds Vergleich mit FARA sollte nicht wörtlich gesehen werden – er wurde als Analogie für die Einflussnahme ausländischer Staaten genutzt.

Darüber hinaus behauptete Schapiro, dass FARA, im Unterschied zur Situation in Israel, für US-amerikanische Entitäten gilt, die „sich an bestimmten spezifizierten Aktivitäten beteiligen, die auf Anweisung, Wunsch oder unter der Leitung oder Kontrolle eines ausländischen Auftraggebers geschehen.“ Mit anderen Worten gesagt, gibt es einen Unterschied zwischen FARA und dem NRO-Gesetz, da israelische NRO nicht verpflichtet sind, nach den Vorgaben ihrer Förderer zu handeln. Und doch zeigen sich häufig enge Verbindungen zwischen den Programmen der israelischen NRO und den politischen Zielen und Interessen ihrer Schirmherren. Wie oben bereits angemerkt, führen die NRO bestimmte Leistungen für ausländische Regierungen aus und legitimieren damit ihren Widerstand gegenüber der Politik der israelischen Regierung. Beispielsweise werden von israelischen, durch EU-Regierungen geförderte NRO verfasste Berichte regelmässig in den EU-Grundsatzerklärungen zu Themen wie dem Status Jerusalems oder des Westjordanlandes zitiert.

Das von Schaked vorgebrachte Gesetz fördert die unbedingt notwendige Transparenz bei den israelischen NRO

In diesem Sinne ähnelt das von Israel vorgeschlagene NRO-Gesetz den Richtlinien, die das US-Repräsentantenhaus im letzten Jahr erliess und die es erforderlich machen, dass Zeugen vor einem Komitee in einer „nichtstaatlichen Kapazität“ aussagen, um „die Höhe und das Ursprungsland von jedweder Zahlung oder jedwedem Vertrag, welche mit dem Gegenstand der Anhörung zusammenhängt und von einer ausländischen Regierung stammt“ offenzulegen. Diese Bestimmungen wurden nach der Veröffentlichung eines Artikels in der New York Times verabschiedet, in dem enthüllt wurde, dass Länder wie Katar und Norwegen Millionen von Dollar an amerikanische Denkfabriken wie die Brookings Institution spendeten. Die dort erstellten Berichte wurden dann genutzt, um auf die Politik der Kapitalgeber ihrer Regierung Einfluss zu nehmen. Die neuen Richtlinien versuchten eindeutig, ausländische Regierungen davon abzuhalten, geheimen und unzulässigen Einfluss auf demokratische Prozesse zu nehmen. Kein Leitartikel der Washington Post hat bisher den Kongress mit Putins Russland verglichen.

Das von Schaked vorgebrachte Gesetz fördert zudem die unbedingt notwendige Transparenz bei den israelischen NRO. In den meisten Fällen sind die Entscheidungsprozesse für ausländische Zuschüsse streng geheim, und es gibt – wenn überhaupt – nur eine geringe parlamentarische Überprüfung oder öffentliche Diskussion in Israel oder den Geberländern. Die Namen der involvierten Personen, ihre Expertise und beruflichen Qualifikationen, potenzielle Interessenskonflikte und andere Aspekte bleiben der breiten Öffentlichkeit verborgen. Ebenso sind alle Evaluierungen, die am Ende eines Förderungszeitraums erstellt werden, nicht zugänglich, auch nicht nach einem Antrag gemäss dem Informationsfreiheitsgesetz. Diese Heimlichtuerei, die nicht vereinbar ist mit den Transparenzbestimmungen demokratischer Gesellschaften, schützt eine kleine Gruppe von Funktionären, darunter auch EU-Vertreter Christian Berger, die Berichten zufolge israelische NRO instrumentalisieren, um europäische Ziele durchzusetzen.

Dies sind langjährige Bemühungen. Ende der 1990er-Jahre begann die Unterstützung der israelischen NRO durch Mittel der europäischen Regierungen im grossen Stil, erleichtert durch die im Jahr 1995 bei der EU-Konferenz in Barcelona eingeführte euro-mediterrane Partnerschaft (EUROMED). Die beiden – wenn auch nicht explizit genannten – Ziele des euro-mediterranen Programms waren 1) die Entwicklung von Wirtschaftsprogrammen in Nordafrika zur Vermeidung einer umfangreichen Migration nach Europa (ein kompletter Misserfolg) und 2) das Konkurrieren mit den USA in Bezug auf die Friedensverhandlungen zwischen Israel und Palästina. Um das zweite Ziel zu erreichen, schuf die EU einen Finanzierungsmechanismus, der ursprünglich als das „People-to-People“-Programm bekannt war und das später zum Rahmenwerk „Partnerschaft für den Frieden“ (engl. Partnership for Peace; PfP) wurde, mit jährlichen Budgets zwischen 5 und 10 Millionen Euro. Dadurch wurden 20 bis 40 NRO unterstützt.

Viele Jahre lang waren die Details über Zuschüsse der PfP an diverse NRO geheim und die einzigen Informationen stammten aus einer durchgesickerten Zusammenfassung eines Treffens des „Ad-hoc-Auswahlkomitees für People to People/Projekte zu Fragen des dauerhaften Status zur Unterstützung des Friedensprozesses im Nahen Osten, Budgetlinie B7-4100, Europäische Kommission, Generaldirektion Auswärtige Beziehungen“ im Jahr 1999. Unter anderem stellte das Komitee der linken israelischen Gruppe Peace Now 400.000 Euro zur Verfügung, mit der Auflage, die politischen Ansichten von israelischen Juden aus Russland zu beeinflussen. Je 250.000 Euro wurden der Organisation „The Four Mothers Movement to Leave Lebanon in Peace” und einer Rand-NRO zugewiesen, die sich selbst „Israeli Committee Against House Demolitions“ (ICAHD) nennt und deren Ziel eine „gemeinsame israelisch-palästinensische öffentliche Aufklärungskampagne und konkrete Handlungen gegen die Praxis der Landaneignung und die Zerstörung von Häusern durch die israelische Armee im Westjordanland“ sind. Auf seinen Reisen durch die Welt bezeichnet Jeff Halper, Kopf von ICAHD, Israel regelmässig als „Apartheidsstaat“.

Diese Enthüllungen führten jedoch zu keinerlei Massnahmen, weder in Israel noch in Europa, und diese Praxis wurde abseits jeder öffentlichen Überprüfung oder Debatte sogar fortgeführt und erweitert. Im Jahr 2004 zitierte ich während eines Treffens mit einer Delegation des Europäischen Parlaments in Jerusalem die durchgesickerten Protokolle bezüglich der PfP-Finanzierung. Der damalige EU-Botschafter in Israel, Gianne Carlo Chevelard, sprang auf und versuchte, die Diskussion abzubrechen.

Zur gleichen Zeit begann ein weiteres EU-Rahmenwerk – das Europäische Instrument für Demokratie und Menschenrechte (EIDHR) – mit der Auszahlung von Millionen von Euro an israelische und palästinensische NRO. Darunter waren auch Zuschüsse an Gruppen, die ebenfalls Zahlungen der PfP erhielten. Auch hier war der Entscheidungsprozess vollkommen geheim und ein unverhältnismässig hoher Anteil der Gelder ging an das politisierte israelische NRO-Netzwerk. EU-Funktionäre rechtfertigten die mangelnde Transparenz mit den Gefahren für die „öffentliche Sicherheit“, ohne jedoch irgendwelche Details zu nennen.

Diese und andere EU-Mechanismen, sowie ähnliche Rahmenbedingungen in Einzelstaaten, trichterten grosse Summen an die israelischen NRO, zu deren Aktivitäten BDS, das Ausrufen der „Einstaatenlösung“, die die Auflösung Israels zur Folge hätte, „Anti-Normalisierungskampagnen“ gegen Israel und die Blockierung der Gerichte durch eine Überschwemmung von Verfahren wegen „Kriegsverbrechen“ gehören.

Die Kombination aus der massiven europäischen Finanzförderung der NRO, der Rolle dieser Gruppen bei der Förderung der politischen Kriegsführung gegen Israel und der Verschwiegenheit, in die sie sich hüllen, liess Israels Besorgnis und Kritik wachsen. Dies wurde durch die aktuellen Enthüllungen weiter verstärkt, denen zufolge die EU BtS im August 2015 mit weiteren 250.000 Euro unterstützte, während eine ähnliche Organisation, der Europäische Demokratiefonds, B’Tselem 30.000 Euro zuwies, um damit explizit „anti-demokratische Gesetze zu bekämpfen, die die Opposition zum Schweigen bringen sollen.“ Wie schon in der Vergangenheit weigerten sich die EU und die involvierten Einzelstaaten, diese israelischen Sorgen zu diskutieren und unterstützten damit noch weiter die vorgeschlagene NRO-Gesetzgebung.

Unter den bekanntesten Gegnern des NRO-Gesetzes befindet sich der New Israel Fund (NIF), eine mächtige US-Finanzierungsorganisation mit einem jährlichen Budget von über 30 Millionen Dollar, der viele der in der Diskussion stehenden NRO mit dem notwendigen Startkapital und weiterführender Unterstützung versorgt. Der NIF hat keinen offiziellen Status in Israel, ist nicht als gemeinnützige Organisation registriert und wäre nicht von dem Gesetzesentwurf betroffen. Doch die Förderung durch europäische Regierungen ist ein wichtiger Verstärker für die Arbeit des NIF in Israel, die zunehmend politischer wird. Gruppen wie Breaking the Silence, B’Tselem, Rabbis for Human Rights, das öffentliche Komitee gegen Folter in Israel und viele andere sind Teil des NIF-Netzwerks und erhalten Millionen von Euro aus Europa.

In vielerlei Hinsicht ist der NIF eine NRO-basierte Schattenregierung. Er wurde als Antwort auf die israelischen Wahlen im Jahr 1977 gegründet, als der Anführer der politischen Rechten, Menachem Begin, Premierminister wurde und eine Ära der linken Führung beendete. Im Laufe der Jahre hat der NIF ein grosses Netzwerk aus israelischen NRO aufgebaut, die er ermächtigt, sich innerhalb und ausserhalb Israels gegen die Regierungspolitik zu stellen, auch bei den Vereinten Nationen und in ausländischen Hauptstädten. Zwei NIF-gestützte NRO haben Büros oder Niederlassungen in den USA – Adalah und B’Tselem. Die für beide US-Büros verantwortlichen Vertreter veröffentlichten Artikel, in denen sie den NRO-Gesetzesentwurf attackierten.

In der Folge stellte sich der NIF sehr aktiv gegen jegliche Gesetzgebung in Bezug auf NRO-Förderungen, da er fürchtet, dass dadurch seine Möglichkeiten zur Einflussnahme auf Politik und politische Strategien gemindert werden. Im Jahr 2009 bezeichnete der NIF ein vorgeschlagenes Gesetz, wonach Empfänger von Förderungen durch ausländische Regierungen alle drei Monate über ebendiese Bericht erstatten müssten, als „McCarthyismus“ und anti-demokratisch. Das Gesetz wurde 2011 verabschiedet und die NRO erhalten weiterhin Zuschüsse ohne sichtbare Verletzung der israelischen Demokratie.

Die Führungsriege des NIF spielt eine zentrale Rolle in der Kampagne gegen Schakeds Vorschlag. Naomi Paiss, die für die Öffentlichkeitsarbeit des NIF verantwortlich ist, schrieb einen Zeitungskommentar, der von der Jewish Telegraphic Agency mit folgender Überschrift veröffentlicht wurde: „Entwurf für israelisches NRO-Gesetz ist ein heuchlerischer Angriff gegen die Linke“. CEO Daniel Sokatch verschickte zahlreiche E-Mails, in denen er das Gesetz angriff, und schrieb: „Die Hardliner, die derzeit in Israel an der Macht sind, wollen alle Israelis, die ihre Agenda weiterer Siedlungen und einer etablierten Besatzung infrage stellen, zum Schweigen bringen oder kaltstellen.“

New Israel Fund CEO Daniel Sokatch. Foto Hadas Parush / Flash90
New Israel Fund CEO Daniel Sokatch. Foto Hadas Parush / Flash90

Sokatch hat sich als besonders hysterisch in Bezug auf dieses Thema erwiesen. Als die Geschäftsräume von B’Tselem am 11. Januar 2016 in Brand gerieten, schrieb Sokatch unmittelbar, dass „es wahrscheinlich Brandstiftung war“ und dass „ultranationalistische Gruppen … ein Klima schaffen, in dem schreckliche Dinge geschehen können. Regierungsbeamte auf höchster Ebene haben sich nicht nur geweigert, diese Aufhetzung zu verurteilen, sondern haben sich dem Kampf sogar angeschlossen.“ Das Feuer war durch einen elektrischen Defekt ausgelöst worden. Und nachdem eine Organisation am rechten Rand  Im Tirtzu ein Video veröffentlichte, in welchem sie mit dem NIF in Verbindung stehende Funktionäre als „Maulwürfe“ bezeichnete, konterte der NIF mit einem Video, in dem Im Tirtzu fälschlicherweise für die Ermordung des Premierministers Rabin vor zwanzig Jahren verantwortlich gemacht wurde. Die harte Rhetorik des NIF spiegelt seine ernsthafte Sorge wider, dass die Organisation durch die Hervorhebung der massiven Förderung ihres angegliederten NRO-Netzwerks mit EU-Geldern, ihren Status und ihren Einfluss auf die israelische Mitte und linke Mitte verlieren wird. Aus dieser Perspektive gesehen steht weitaus mehr auf dem Spiel als die Frage nach der ausländischen Förderung von NRO. Der NIF und seine Schirmherren glauben, dass das NRO-Gesetz eine politische Struktur bedroht, die sie im Laufe von fast vier Jahrzehnten aufgebaut haben.

Für Israel selbst steht jedoch noch viel mehr auf dem Spiel. Infrage gestellt wird Israels Recht, seine nationale Souveränität angesichts ausländischer Manipulationen zu behaupten, Transparenz von nicht gewählten Gruppen zu verlangen, die intensiv gegen die Politik ihrer gewählten Regierung ankämpfen und einer internationalen Hass- und Diffamierungskampagne entgegenzutreten, die möglicherweise die komplette Existenz Israels bedroht.

Ironischerweise sind es die NRO und ihre Schirmherren, die diese Kontroverse unvermeidbar gemacht haben. Sie müssen sich nur gegenüber sich selbst verantworten, halten ihre internen Angelegenheiten vollständig unter Verschluss, in einer Art, die sie an der israelischen Regierung aufs Schärfste verurteilen würden und greifen fast schon reflexartig auf eine hysterische und oft verleumderische Rhetorik zurück, wenn irgendjemand ihre Aktivitäten oder Ideologie infrage stellt. Angesichts dessen sind die wachsende Wut und das Misstrauen ihnen gegenüber vollkommen verständlich.

Letztendlich ist das vorgeschlagene NRO-Gesetz, entgegen der Behauptungen vieler Personen innerhalb und ausserhalb Israels, im vollen Umfang mit den Normen der Demokratie vereinbar, und vielleicht ist dies auch der wichtigste Punkt. Es schränkt die Rede- oder die Versammlungsfreiheit dieser Gruppen in keiner Weise ein. Staaten wie die USA oder Indien haben ähnliche Gesetze, die dort ohne Kontroversen befolgt werden. In Israel wurden ähnliche Gesetze verabschiedet, die den NRO und ihren Aktivitäten nicht geschadet haben. Und es gibt keinen Grund, aus dem Organisationen sich vor einfacher Transparenz fürchten müssten; wenn sie die Demokratie und eine offene Regierung unterstützen, sollten sie diese vielmehr willkommen heissen.

Der NRO-Krieg wird zweifellos weitergehen, da sowohl das israelische Volk als auch die NRO ihre Rhetorik weiter eskalieren und sich hinter ihren Standpunkten verschanzen. Der Anblick von Ezra Nawi, der eine Verschwörung zum Mord an einem Palästinenser anzettelte, war ein mächtiger Schlag gegen das NRO-Netzwerk, doch möglicherweise wird es noch mehr Enthüllungen geben und das Netzwerk wird ohne Frage weiterhin gegen seine Kritiker ankämpfen. Die Debatte sollte jedoch auf Fakten basieren und nicht auf wilden und ungerechtfertigten Vorwürfen des McCarthyismus und der Unterdrückung der Regierung. Das NRO-Gesetz wäre ein Gewinn für die israelische Demokratie, und gerade die Gruppen, die behaupten, dass ihnen diese so sehr am Herzen liegt, sollten es willkommen heissen.

Über Gerald Steinberg

Gerald M. Steinberg ist ein israelischer Politologe und Hochschullehrer. Er ist Lehrstuhlinhaber für Politikwissenschaften an der Bar-Ilan-Universität sowie Gründer der Organisation NGO Monitor.

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1 Kommentar

  1. Es gibt den Austausch von Meinungen in jeder Gesellschaft
    – und dieser Austausch darf nicht behindert werden.

    Aber man muss auch fragen dürfen – gehört die Verabredung zum Mord noch zum Meinungsaustausch?

    Und wenn NGO`s eine vermeintliche Kritik in und an Israel äussern – in Wirklichkeit aber gewalttätige Ziele fördern, dann muss dem Einhalt geboten werden.
    Wie soll ein junger Palästinenser, im Hass auf Juden erzogen, es denn anders verstehen, wenn sich viele “respektierte” Männer hinstellen und ihm sagen, wie fürchterlich gemein es von Israel sei, ihm sein gottgegebenes Land vorzuenthalten und seine Rechte zu unterminieren.

    Woher soll der junge Palästinenser sich in Staatsrecht auskennen, wissen, dass die Staatsgründung Israels ein rechtmäßiger Akt war?
    Wenn selbst die Schule ihm sagt, dass er unter einer grausamen Besatzung leiden würde.
    Dann muss das doch stimmen!

    Und genau mit diesem Mangel an Unterscheidungsvermögen spielen die NGO`s ein gefährliches Spiel – ein lebensgefährliches!

    Was kein Artikelschreiber sagen darf
    als Kommentator darf ich es sagen:
    dass die beständige Erziehung zur Gewalt von seiten der PA und der NGO`s dazu geführt haben, dass der Großteil der Palästinenser in Israel nicht mehr geduldet werden kann – wegen deren schlechter Bildung und ihrer latenten Gefährlichkeit bezüglich Terror und Gewalt.
    Es würde Generationen dauern, diese Erziehungsfehler, die Israel nicht zu verantworten hat (!), wieder auszubügeln – das ist eindeutig eine arabische Verantwortung.

    Israel sollte seinen rabiaten Untermietern endlich die Kündigung überreichen!
    Den radikalen Palästinensern, radikalen Palästinenser-Führern und den pseudo-friedlichen NGO`s.
    Wenn es richtig war, einen Julius Streicher zu hängen, dann kann es nicht falsch sein, radikalismus-fördernde NGO`s vor die Tür zu setzen.

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