Lektionen, die wir Palästinenser lernen können

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Foto Thephotostrand /Flickr.com, CC BY 2.0.
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In den vergangenen Wochen verhafteten die Israelis 25 Hamas-Terroristen im Westjordanland, die meisten von ihnen Studenten der Al-Quds Universität in Abu Dis. Nicht etwa Rebellen, die nicht wissen, was sie tun oder ausser Rand und Band geratene Arbeitslose, sondern unsere klügsten Köpfe, die Intellektuellen der zukünftigen akademischen Welt Palästinas! Die für die Rekrutierung und Führung zuständige Gruppe, wurde von Hamas in der Türkei gesteuert und hatte geplant, Selbstmordattentate in Israel durchzuführen.

von Bassam Tawil

Die Führer der Terrorzelle hatten sichere Häuser und Lagerhallen angemietet und dort Labors zur Sprengstoffherstellung eingerichtet. Sie rekrutierten Palästinenser – aus Bethlehem, Hebron, Qalqiliya und sogar aus Jerusalem, sowie Araber aus der israelischen Negev-Wüste – die die Chemikalien und andere für die Herstellung von Autobomben notwendige Ausrüstung für diese Studenten beschaffen sollten, die sich auf den Tod als Selbstmordattentäter vorbereiteten.

Die israelischen Sicherheitskräfte enttarnten das Netzwerk und verhafteten dessen Mitglieder, die auch von der permanenten Aufstachelung der Bevölkerung Palästinas durch die Palästinensische Autonomiebehörde beeinflusst worden waren. Die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) will unsere besten und hellsten Köpfe opfern, indem sie sie Terroranschläge auf Juden ausüben lässt.

Unglücklicherweise verkünden die jüngsten Ereignisse das bevorstehende Ende der Idee zur Errichtung eines unabhängigen Staates für das palästinensische Volk. Die Risse in der Mauer der palästinensischen Geschichte – die kaum einhundert Jahre alt ist – werden immer grösser. Versuche, das Gefüge der palästinensischen Gesellschaft mit Neonfarben zu reparieren, sind gescheitert. Daneben gibt es auch interne Reibereien zwischen den unterschiedlichen Salafisten-Organisationen (Hamas, IS, der Palästinensische Islamische Dschihad) und der PLO und der Fatah sowie anderen Terrororganisationen im Westjordanland.

Ausserdem gibt es das Problem der Nachfolge: Welche Organisation wird die PLO kontrollieren? Was sind die Unterschiede in ihren politischen Programmen? Die Führung der Hamas in Gaza will als Erstes den Gazastreifen wieder aufbauen und dann die Kämpfe mit Israel wieder aufnehmen. Die Al-Qassam-Brigaden, die terroristische, militärische Unterorganisation der Hamas, fordern die sofortige Wiederaufnahme der Kämpfe und Raketenangriffe auf Israel. Beide versuchen, neue Terrornetzwerke im Westjordanland aufzubauen (wie das jüngst zerschlagene). Das doppelte Ziel beider Gruppen ist es, Israelis zu töten und die Palästinensische Autonomiebehörde zu stürzen.

Wir Palästinenser scheinen nicht in der Lage zu sein, uns in den grundlegendsten produktiven und konstruktiven Fragen zu einigen, wie z. B. dem Wiederaufbau von Gebäuden, Bildung, der intelligenten Verwendung von Millionen Dollar von Spendengeldern, der Öffnung der Rafah-Kreuzung und der Verbesserung der Beziehungen zu der arabischen Welt, insbesondere zu Ägypten. Die grösste Tragödie der Palästinenser ist nicht etwa 1948, sondern 2015. Das einzige, worin sich die palästinensische Führung und die Terrororganisationen einig sind, ist ihre Besessenheit, den Staat Israel zu zerstören und auf dessen Ruinen einen palästinensischen Staat aufzubauen; und selbst dabei können sie sich nicht auf einen gemeinsamen Weg, die Etappen oder Mittel, wie dies zustande zu bringen wäre, einigen.

So lange die Palästinenser dachten, sie könnten durch Verhandlungen und Unnachgiebigkeit das erreichen, was sie wollten, hielten sie ihre wahren Absichten im Verborgenen. In jüngerer Zeit jedoch, als zu erkennen war, dass die Israelis nicht von ihrem Anspruch auf die Anerkennung Israels als jüdischer Staat oder ihrem nachdrücklichen Einspruch gegen das Recht auf Rückgabe der besetzten Gebiete abrücken würden, kam der palästinensische Extremismus zum Vorschein. Dies tritt deutlich zutage in den regelmässigen Ergebnissen der von palästinensischen Meinungsforschungsinstituten durchgeführten Umfragen, die deutlich zeigen, dass die überwältigende Mehrheit der Palästinenser eine bewaffnete Kampagne gegen Israel befürwortet und Israel zerstört sehen will, um auf dessen Ruinen einen palästinensischen Staat zu erbauen. Die Umfragen zeigen ausserdem einen besorgniserregenden Anstieg der öffentlichen Unterstützung der Hamas im Westjordanland, sowie einen Rückgang der Unterstützung von Mahmud Abbas und der PA aufgrund deren bisheriger Unfähigkeit, alle „besetzten Gebiete Palästinas“ wieder für die Palästinenser zurückzugewinnen.

Ich würde mir nur wünschen, wir Palästinenser wären schlau genug, um aus der Geschichte der Juden zu lernen, anstatt sie rigoros abzulehnen. Dann würden wir uns umgehend von der Hamas und den anderen Terrororganisationen befreien. Aber stattdessen benutzen wir sie, weil sie Juden töten.

Unglücklicherweise dachte der verstorbene Yassir Arafat, es wäre einfacher, die Juden zu Zugeständnissen zu zwingen, wenn die Verhandlungen in einer Atmosphäre von Terroranschlägen stattfänden, und daher gab er die Sache in die Hände der Hamas.

Wie Frankensteins Monster wuchs die Hamas und wurde zu einer grossen Terrororganisation, die jetzt nicht nur Israel, sondern auch die PLO und die Palästinensische Autonomiebehörde bedroht. Als Folge daraus sind wir gezwungen, mit den Israelis zusammenzuarbeiten, wenn wir überleben wollen und wenn wir vermeiden wollen, ganz und gar von der Hamas verschluckt zu werden, so wie es in Gaza geschehen ist. Daher sind die Drohungen der Palästinensischen Autonomiebehörde, die Zusammenarbeit mit dem israelischen Geheimdienst einzustellen, blanker Unsinn. Während unsere Rhetorik immer extremistischere Formen annimmt, hegen viele Palästinenser den passiven Wunsch, sich der Hamas zu beugen und immer weniger Menschen trauen sich, sich gegen die Hamas aufzulehnen und stattdessen beide, sowohl die Hamas als auch die Muslimbruderschaft, abzulehnen und das Vertrauen anderer, weitaus stärkerer Unterstützer zu gewinnen: der Welt, des Westens und in gewisser Weise sogar der Israelis. Stattdessen saugen wir den destruktiven Extremismus der Hamas auf. Wir erlauben der Hamas, mit ihrem fanatischen – und unproduktiven – Gespinst aus Hass, Zerstörung und Tod Gehirnwäsche an unserer jungen Generation zu betreiben.

Die palästinensische Führung hat die bitteren Konsequenzen unserer erfolglosen Terroranschläge gegen Israel noch immer nicht verinnerlicht. Die Führung verwendet ihre Medien, um falsche Propaganda über Messerattentate, Steinewerfer und Angriffe durch rammende Autos sowie Drohungen einer weiteren Intifada zu verbreiten. Sie wollen einfach nicht verstehen, dass nichts die Israelis von ihrem Kurs abbringen wird. Nichts wird sie dazu veranlassen, abzuziehen; nichts wird sie dazu veranlassen, auch nur einen Zentimeter Land aufzugeben – und ganz bestimmt wird auch kein Terrorismus dazu in der Lage sein. All das stärkt nur ihre Entschlossenheit. Und wir begehen weiterhin den verhängnisvollen und möglicherweise nicht wiedergutzumachenden Fehler, unsere Kinder Generation für Generation dahin zu erziehen, die Juden und Israelis zu hassen und den Staat Israel zerstören zu wollen. Gleichzeitig können wir sehen, dass die Israelis und die Amerikaner jede unserer Bewegungen verfolgen und unsere Hass-Propaganda dokumentieren. Schritt für Schritt wird unsere Glaubwürdigkeit demontiert, während sie gleichzeitig ihr Vertrauen in uns verlieren.

Wir übertragen in unserem staatlich finanzierten – und von der Regierung unterhaltenen – palästinensischen Fernsehen Kinderprogramme, die Gewalt und Hass fördern und erwarten zur gleichen Zeit, dass die Israelis uns gegenüber Zugeständnisse machen, die ihre eigene Sicherheit gefährden. Wie dumm ist das? Dann gehen wir auch noch hin und unterziehen die Zuschauer einer Gehirnwäsche, indem wir ihnen den Unfug erzählen, dass mit Hilfe Allahs der Staat Israel nur vorübergehend ist und letzten Endes irgendwann nicht mehr bestehen wird. Wem oder was sollten die Israelis vertrauen? Dem in die Jahre gekommenen Mahmud Abbas, der ohne Unterstützung in seinem eigenen Land ist und darauf wartet, bis die jüngere Generation, die mit Hass und Krieg gross geworden ist, ihn aus dem Amt drängt? Wir haben das Programm „Children Speak“, das am 11. November 2015 mit absoluter Sicherheit erklärte, dass das Ende Israels kurz bevorstehe und dass das gesamte Land Palästinas von 1948, „vom Jordan bis ans Meer“, einschliesslich israelischer Städte wie Haifa, Jaffa, Akkon und Nazareth, „uns gehört“ und „wieder an uns zurückfallen wird.“ Wenn Sie die israelische Regierung wären, wären Sie auch misstrauisch.

Daher ist es rätselhaft, warum das griechische Parlament gerade jetzt symbolisch (unverbindlich) einen palästinensischen Staat anerkennen will – und somit die tatsächliche Souveränität Palästinas in weitere Ferne rückt als je zuvor. Offensichtlich versucht Abbas solche wertlosen Bestätigungen einzusammeln, zweifellos in der Hoffnung, dass, wenn es ihm gelingt ausreichend viele davon zu ergattern, eine Menge international bindender Verträge umgangen werden kann, und dass, ohne irgendwelche Zugeständnisse machen zu müssen, ein tatsächlicher, palästinensischer Staat plötzlich wie von Zauberhand da steht.

Ist es keinem Mitglied der Geheimdienste beider Länder aufgefallen, dass laut palästinensischem Fernsehen (vom 4. Dezember 2015), einige Palästinenser, die seit 1948 auf palästinensischem Boden leben, immer noch dort sind und jetzt das Land vor dem Missbrauch durch die „rassistische Besatzung“ verteidigen? Die blosse Tatsache, dass sie trotz der vollständigen Kontrolle der Besatzer immer noch auf unserem Grund und Boden leben, bedeutet, dass sie die palästinensische Existenz bewahren und das Land als palästinensisch bewachen und daran glauben, dass das gesamte Land wieder unter palästinensische Kontrolle geraten und Teil des Staates Palästina sein wird.

Nun ja. „Die Palästinenser, die seit 1948 auf palästinensischem Boden leben“ sind das, was der Rest der Welt „israelische Araber“ nennt.

Bei dem Vorgenannten handelt es sich um zwei Beispiele offizieller palästinensischer Propaganda, die von der palästinensischen Führung, ihren Medien und ihrem Bildungssystem Tag für Tag rund um die Uhr in den palästinensischen Territorien verbreitet wird. Der offiziellen palästinensischen Tageszeitung  Al-Hayat Al-Jadeeda vom 10. Dezember 2015 zufolge besuchte der militärische Verbindungsoffizier der Palästinensische Autonomiebehörde, Jihad Jayyusi, eine Klasse für kreatives Schreiben in der Al-Awda-Mädchenschule in Bethlehem und präsentierte ihnen eine Schautafel von „Palästina“, das nun das gesamte Territorium des Staates Israel, das Westjordanland und den Gazastreifen umfasst. Laut einem Bericht vom 17. November 2015 in der gleichen Tageszeitung ging der erste Preis eines vom „Prisoner Department“ der PLO ausgeschriebenen Fotowettbewerbs an eine „Palästina“-Landkarte, die die gleichen Gebiete aufwies.

Es ist besonders enttäuschend, dass wir weiterhin versuchen, die Israelis und Amerikaner mit fiktiven Friedensbotschaften und dem Slogan „Zwei Staaten für zwei Völker“ hinters Licht zu führen. Wir unterstellen ihnen damit, dass sie über keinerlei Intelligenz verfügen, die arabische Sprache nicht verstehen und nicht in der Lage sind, unsere Facebook-Seiten zu lesen, einschliesslich der Seite der nationalen Palästinensischen Sicherheitskräfte, auf der Akkon und Jaffa als „besetzt“ bezeichnet werden. Wir unterstellen, dass die Menschen aus dem Westen nie die Al-Hayat Al-Jadeeda  lesen, die am 30. November 2015 ein Foto veröffentlichte, auf dem zwei Schlüssel und eine Karte von „Palästina“ zu sehen waren, welche die gesamten israelischen und palästinensischen Territorien umfasste und auf der zu lesen war: „Eine Erinnerung, die nie verrostet“ – oder dass sie, wenn sie es lesen, nicht verstehen, was sie da vor sich haben.

Wenn es je Frieden zwischen Israel und den Palästinensern geben soll, dann besteht der erste Schritt darin, dass die Palästinenser ihre eigenen Erwartungen koordinieren. Unsere Führer müssen verstehen, dass sich der Nahe Osten in einem ständigen Prozess des Wandels befindet, dass die Nachkommen der Flüchtlinge von 1948 eindeutig nie in den Staat Israel „zurückkehren“ werden, Jerusalem niemals die Hauptstadt von Palästina sein wird und dass wir (aufgrund der leider gerechtfertigten Sicherheitsbedenken Israels) niemals das Jordantal kontrollieren werden.

Ausserdem wird in einer Welt, die unter der Last des islamistischen Terrorismus ins Wanken geraten ist, der palästinensische Terrorismus voraussichtlich im Laufe der Zeit nur die Unterstützung des Westens für die Sicherheit und Existenz Israels weiter stärken.

Wir hätten schon vor langer Zeit einsehen müssen, dass es in Palästina Juden gibt und dass sie für immer hier bleiben werden und dass es überhaupt nichts ändert, wenn wir sie auf der Strasse ermorden. Die Zeit ist reif, um – zum ersten Mal in der Geschichte – zu versuchen, einen friedlichen und entmilitarisierten palästinensischen Staat zu gründen; ein Versuch, von dem die Israelis schon seit Jahrzehnten sagen, dass sie ihn nur allzu gerne unterstützen würden. Ich hoffe und bete, dass es noch nicht zu spät dafür ist.

Bassam Tawil via Gatestone Institute. Bassam Tawil lebt als Wissenschaftler und Journalist im Nahen Osten.

1 Kommentar

  1. Vorausgesetzt, diese Worte sind EHRLICH, sage ich “BRAVO” und mögen sie gute Frucht bringen. Mein Vater überwies viele Jahre monatlich Geld nach Bethlehem an ein Werk, das Bildung und Friedenswillen unter den arab. Kindern bewirken soll. Es gibt noch Hoffnung,trotz allem, was uns traurig macht. Salaam alejkum, Shalom, der Allmächtige segne Euchalle.

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