Westsahara: Europas Fischzug, Wallströms Wahn

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Foto Janwikifoto. Lizenziert unter CC BY-SA 3.0 über Wikimedia Commons.
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Schwedens Aussenministerin Margot Wallström erklärte letzte Woche, dass Schweden die Westsahara – anders als „Palästina“ – nicht als eigenständigen Staat anerkennen werde. Wie ihre europäischen Amtskollegen unterstützt sie nur Unabhängigkeitsbewegungen, die sich gegen Juden richten.

Von Stefan Frank

Ein unabhängiger „Palästinenserstaat“ werde ein „Garant der Stabilität“ im Nahen Osten sein, predigt der deutsche Aussenminister Frank-Walter Steinmeier weitab jeglichen Realitätssinns – dem kurdischen Volk hingegen spricht er das Recht auf Eigenstaatlichkeit ab, mit der Begründung, eine solche gefährde die „Stabilität“. Bei ihren Versuchen, die Welt nach den Vorstellungen der EU zu modellieren, verheddern sich Europas Führer immer wieder in Widersprüche, die sie nicht erklären können, weil sie die – oft schäbigen – Ziele ihres Handelns natürlich nicht offen legen dürfen.

Dass die EU-Diplomaten mit zweierlei Massstäben messen, zeigt sich auch immer wieder am Fall Westsahara. Das Gebiet an der nordwestafrikanischen Atlantikküste, das etwas grösser ist als Grossbritannien und gut eine halbe Million Einwohner hat, war 1975 nach dem Abzug der spanischen Kolonialtruppen von Marokko und Mauretanien besetzt worden, wogegen eine Guerilla der sich Sahauris nennenden Bevölkerung, die Polisario-Front, Widerstand leistete. 1979 unterzeichneten die Polisario-Front und Mauretanien einen Friedensvertrag, Mauretanien zog sich aus dem bis dahin besetzten südlichen Teil der Westsahara zurück, woraufhin Marokko auch dieses Gebiet besetzte. Die Souveränität Marokkos über die Westsahara ist international ebenso wenig anerkannt wie die türkische Herrschaft über Nordzypern; die UNO fordert ein Referendum.

Zu der 1976 von der Polisario-Front ausgerufenen Sahaurischen Arabischen Demokratischen Republik (SADR) unterhalten derzeit 37 Länder der Welt volle diplomatische Beziehungen. Die hätte laut einem Beschluss des schwedischen Parlaments von 2012 auch Schweden aufnehmen sollen. Doch letzte Woche erklärte die schwedische Aussenministerin Margot Wallström, ihr Land werde die Westsahara nicht als eigenständigen Staat anerkennen: Die „Bedingungen“ dafür seien „nicht gegeben“.

Im Falle „Palästinas“ waren sie es augenscheinlich aus Sicht der schwedischen Regierung. Im einen Fall unterstützt sie die Eigenstaatlichkeit eines umstrittenen Territoriums, im anderen lehnt sie es ab. Trotzdem gibt es eine gewisse Konsistenz: In beiden Fällen schlägt sich Stockholm auf die Seite desjenigen, der die international geforderte Verhandlungslösung blockiert. Im einen Fall auf die der PLO, die es seit Jahren ablehnt, überhaupt mit der israelischen Regierung zu reden, im anderen Fall auf die der marokkanischen Monarchie, die das von der UNO verlangte Referendum von Anfang an und bis jetzt unter fadenscheinigem Vorwand blockiert hat. In beiden Fällen also ist Schweden auf der Seite des hauptverantwortlichen Konfliktverursachers.

Lena Thunberg, die Redakteurin von “Västsahara”, einer schwedischen Solidaritätszeitschrift, sagt: „Das ist extrem traurig und extrem überraschend. Es gibt einen Parlamentsbeschluss, damals haben die Sozialdemokraten sehr auf die Anerkennung der Westsahara gedrängt, warum lassen sie jetzt keine Taten folgen?“ Offenbar stehe die Regierung „unter starkem Druck anderer EU-Länder und natürlich Marokkos“, mutmasst Thunberg.

Vor dem Hintergrund der schwedischen Debatte hatte die marokkanische Regierung Ende September die Eröffnung einer IKEA-Filiale in Marokko verboten. Gleichzeitig entsandte sie eine Delegation nach Stockholm und warnte, dies sei die „letzte Chance“, die guten Beziehungen zwischen Marokko und Schweden zu wahren. Es geht um nationalistische Grossmannssucht des marokkanischen Herrscherhauses, aber auch wirtschaftlich steht viel auf dem Spiel. Marokko baut in den besetzten Gebieten Phosphat ab und pflanzt Tomaten, die es mit der Herkunftsbezeichnung „Marokko“ versehen in die EU exportiert. Der wohl wichtigste Schatz der Westsahara aber sind die fischreichen Gewässer an der Atlantikküste.

Das Fischereiabkommen zwischen der EU und Marokko, das alle vier Jahre verlängert wird, besagt in seiner im Oktober 2013 vom Europäischen Parlament ratifizierten Fassung, dass die EU jährlich 30 Millionen Euro an Marokko zahlt; dafür erhalten Fischer aus elf EU-Staaten das Recht, vor der „marokkanischen“ Küste zu fischen. Eine Minderheit von Parlamentariern verschiedener Parteien hat 2013 gegen das Abkommen gestimmt, da es auch den Fischfang vor dem illegal von Marokko besetzten Gebiet der Westsahara erlaubt.

In einem kürzlich in einer juristischen Fachzeitschrift veröffentlichten Beitrag geht der ehemalige UN-Sekretär für Rechtsfragen, Hans Corell, hart mit der Westsaharapolitik der EU ins Gericht und fordert den UN-Sicherheitsrat zum Eingreifen auf. Im Hinblick auf die Bodenschätze der Westsahara dürfe es dieser nicht dulden, „dass die Lage so bleibt, wie sie derzeit ist“:

„Eine sehr ernste Frage sind in diesem Zusammenhang die Fischereiabkommen zwischen der EU und Marokko. Sie enthalten kein einziges Wort darüber, … dass Marokkos ‚Rechtshoheit’ in den Gewässern der Westsahara durch die völkerrechtlichen Regeln über Selbstbestimmung eingeschränkt ist. Stattdessen wimmelt es in den Vereinbarungen und Protokollen von Bezügen auf ‚die marokkanischen Fischereizonen’. Um rechtsgültig zu sein, müsste ein Abkommen dieser Art die Fischereizone vor der Westsahara ausdrücklich erwähnen und durch Koordinaten definieren.“

Der Prozess der Erteilung von Fischereilizenzen vor der Westsahara müsse zudem völlig getrennt sein von dem zur Erteilung von Fischereilizenzen vor der marokkanischen Küste, so Corell. Ausserdem dürften die Erlöse nicht in die marokkanische Staatskasse fliessen, sondern müssten den Interessen der Bevölkerung der Westsahara dienen. Das alles ist nicht der Fall. Mithin ist die EU bei der Plünderung des von Marokko widerrechtlich besetzten Gebiets Komplize und Nutzniesser. Kein Wunder, dass ihr die Rechte der staatenlosen, unter der jahrzehntelangen illegalen Besatzung leidenden Sahauris schnuppe sind und sie die Diskussion über die Anerkennung des Staates Westsahara als störend empfindet.

Schwedens Aussenministerin Margot Wallström ist bekannt dafür, für jedes Problem die Juden verantwortlich zu machen. Als sie nach den Terroranschlägen von Paris am 13. November gefragt wurde, ob die Radikalisierung schwedischer Muslime, die sich entscheiden, für den IS zu kämpfen, ihr Sorge bereite, antwortete sie: „Um der Radikalisierung entgegen zu treten, müssen wir uns der Situation im Nahen Osten zuwenden. Die Palästinenser erkennen, dass es dort für sie keine Zukunft gibt, und suchen den Ausweg aus ihrer verzweifelten Lage in der Gewalt.“

Israel ist schuld, wenn Terroristen in Paris im Namen des Islamischen Staates ein Massaker verüben? In ihrem Irrsinn wirkt Wallström oft wie ein Spielzeugroboter, der nur eine kleine Zahl von Sätzen kann. Sie kann auf Juden schimpfen, das qualifiziert sie für das Amt der Aussenministerin. Das Eingreifen der israelischen Polizei gegen Messerterroristen nannte Wallström “aussergerichtliche Hinrichtungen”; auf dieser verzerrten Darstellung beharrte sie auch dann noch, als man sie darauf hingewiesen hatte, dass die israelische Polizei nicht anders verfährt als die schwedische Polizei in ähnlichen Situationen. Das kann sich Frau Wallström nicht vorstellen. Sich und ihre Regierung sieht sie als Kämpfer gegen das Böse, welches ihrer Meinung nach allein vom jüdischen Staat ausgeht. Und da es in der Sahara weit und breit keine Juden gibt, sieht sie auch keinen Grund, dort einzugreifen. In ihren Worten: „Die Bedingungen sind nicht gegeben.“

Über Stefan Frank

Stefan Frank ist freischaffender Publizist und lebt an der deutschen Nordseeküste. Er schreibt regelmässig über Antisemitismus und andere gesellschaftspolitische Themen, u.a. für die „Achse des Guten“, „Factum“, das Gatestone Institute, die „Jüdische Rundschau“ und „Lizas Welt“. Zwischen 2007 und 2012 veröffentlichte er drei Bücher über die Finanz- und Schuldenkrise, zuletzt "Kreditinferno. Ewige Schuldenkrise und monetäres Chaos."

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1 Kommentar

  1. Gerade kommen dazu passend zwei aktuelle Nachrichten aus Schweden:

    1. Die schwedische Regierung hat die Schaffung eines neuen „Ministry för Israelkritik“ (MfIK) bekanntgegeben. Ein schon bezugsfertiges Gebäude ist in unmittelbarer Nähe des Außenministeriums errichtet worden.

    2. Die amtierende Außenministerin Margot Wallström hat angekündigt, von ihrem jetzigen Posten zurückzutreten und die Leitung des neuen Ministeriums zu übernehmen. In einem Interview mit „Svenska Dagbladet“ meinte sie: „Ich habe angeboten, beide Ministerien in Personalunion zu führen. Dem wurde wegen der zu befürchtenden Arbeitsüberlastung nicht entsprochen. Daraufhin habe ich mich entschlossen, in das MfIK zu wechseln. Man muss Prioritäten setzen können.“

    [Na gut, die Nachrichten sind nicht ganz korrekt.
    Aber sie könnten stimmen.]

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