Wer Christen verfolgt, der hasst auch Juden

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Foto Open Doors
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Das überkonfessionelle christliche Hilfswerk Open Doors, das sich in rund 60 Ländern für verfolgte Christen einsetzt, hat heute den Weltverfolgungsindex 2016 veröffentlicht. Er stellt die Rangfolge der 50 Länder dar, in denen Christen aufgrund ihres Glaubens am stärksten verfolgt und benachteiligt werden.

Von Stefan Frank

Wieder auf Platz eins ist Nordkorea. Das ist berechtigt, denn die kommunistische „Volksrepublik“ ist der einzige Staat der Welt, in dem es herrschende Praxis ist, dass jemand, der beschuldigt wird, Christ zu sein, mitsamt seiner Familie (Eltern, Grosseltern, Kinder und Enkel) in den Gulag deportiert wird. Die nordkoreanische Führerdiktatur, in der es ein vererbtes Kastenwesen gibt, ist auch sonst ein Fall für sich. Die meisten anderen Staaten, die Christen verfolgen, gehören der Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC) an. „In 35 der 50 Länder des Weltverfolgungsindex ist der islamische Extremismus die Haupttriebkraft der Verfolgung von Christen“, so Open Doors. Die Rangliste von Platz zwei bis zehn lautet: Irak, Eritrea, Afghanistan, Syrien, Pakistan, Somalia, Sudan, Iran, Libyen.

Die Palästinensergebiete stehen auf Platz 24 (Vorjahr: Platz 26). Besonders verfolgt würden dort Christen, die vormals Muslime waren, heisst es in dem Bericht. „Konvertiten aus dem Islam erfahren in ihrem Privatleben enormen Druck, besonders gefährlich ist ihre Lage in Gaza. Der kleinste Hinweis an ihr Umfeld, dass sie sich dem christlichen Glauben zugewandt haben, kann ernste Konsequenzen für sie haben.“

Auch im Westjordanland erlebten Konvertiten seitens ihrer Familien „starken Druck“, selbst ihre Kinder würden „schikaniert“, und Christen, die mit einem Muslim verheiratet waren und geschieden wurden, werde grundsätzlich das Sorgerecht für die Kinder entzogen. Für nicht registrierte protestantische Gemeinschaften im Westjordanland sei es „schwierig“, eine Baugenehmigung für ein Kirchengebäude zu erhalten, in Gaza „praktisch unmöglich“. Auch das Einführen von christlicher Literatur oder Bibeln in das Westjordanland könne „problematisch“ sein; in Gaza sei es gesetzlich verboten.

Nicht nur die Hamas, sondern auch die von Mahmoud Abbas geführte Palästinensische Autonomiebehörde – die aus schwer verständlichen Gründen von manchen christlichen Kirchen der Welt politisch unterstützt wird – beteiligt sich also an der Unterdrückung von Christen. Nicht einmal mehr der Geburtsort Jesu ist von der antichristlichen Hatz ausgenommen: „Die Organisation Middle East Concern berichtet von einem Vorfall in Bethlehem, bei dem der zuständige Gouverneur im Mai 2015 eine Versammlung [von Christen] unter freiem Himmel kurzfristig aufgrund von ‚erheblichem politischen und religiösen Druck’ absagen liess“, heisst es in dem Bericht von Open Doors.

Auch Gewaltakte gegen Christen gebe es in den Palästinensergebieten, vor allem gegen solche muslimischer Herkunft:

„Die Täter kommen aus dem familiären oder gesellschaftlichen, gelegentlich auch aus dem behördlichen Umfeld. In Gaza ist der psychische Druck auf Christen, sich zum Islam zu bekehren, beständig hoch, vor allem während des Ramadan. Ihnen werden Arbeitsplätze, Häuser, Frauen und Studienabschlüsse versprochen, falls sie konvertieren. Mehrere Christen muslimischer Herkunft und andere Christen mussten deshalb aus Gaza fliehen und in das Westjordanland umsiedeln, aber auch innerhalb des Westjordanlandes mussten Christen umziehen.“

Open Doors weist zudem auf die sich häufenden terroristischen Anschläge auf Kirchen hin: „Im September 2015 gab es einen Brandanschlag auf das maronitische Kloster St. Charbel in Bethlehem, mit beträchtlichem Schaden. Dem Kanzler des maronitischen Patriarchats in Jerusalem zufolge wurde die Kirche gezielt durch eine Gruppe von Tätern mit islamistischer Prägung angegriffen.“

Im Iran drohen Christen Folter und Vertreibung
Auch das Ayatollahregime im Iran, der neue Freund und Geschäftspartner der USA und Europas, hat die Verfolgung von Christen weiter verschärft: Die Regierung versuche, alle Farsi-sprachige Christen aus dem Land zu vertreiben, berichtet Open Doors:

„Der Trend hat sich fortgesetzt, dass fast alle Kirchengemeinden, die ihre Gottesdienste in Farsi abhalten, geschlossen werden. Infolgedessen gehen immer mehr Gemeinden in den Untergrund. Mindestens 108 Christen wurden verhaftet und/oder kamen ins Gefängnis, ein Anstieg im Vergleich zum Vorjahr.“

Im Gefängnis hätten Christen brutale Verhörmethoden zu gewärtigen, dabei komme es auch zu sexuellen Übergriffen.

„In zahlreichen Fällen wurden Christen körperlich und mental schwer misshandelt. Es kam zu Razzien bei mehr als 10 Hauskirchen und mehrere Besucher wurden verhaftet. Aufgrund der Verfolgung halten sich viele Christen im Land verborgen oder sie fliehen ins Ausland.“

Türkei: Diktatur mit EU-Anbindung
Die Türkei, die als „EU-Beitrittskandidat“ gilt, ist, wie der Bericht wieder einmal vor Augen führt, auf dem Weg zum totalitären Staat:

„Es ist nahezu unmöglich, eine neue Kirche zu registrieren, auch wenn sich kleinere Gemeinden als Verein registrieren können. Der türkische Geheimdienst MIT beobachtet diese christlichen Gruppen und ihre Aktivitäten sehr genau. Es ist unmöglich, Kirchengebäude zu reparieren oder zu renovieren. Kirchengebäude, Bibelschulen oder Schulen, die in der Vergangenheit konfisziert wurden, werden nicht wieder zurückgegeben. Aktivitäten ausserhalb der Kirche zu organisieren, gilt als evangelistische Tätigkeit und wird daher verhindert. Konvertiten können kaum offen in Gemeinden integriert werden. Griechisch-orthodoxe und armenisch-apostolische Leiter werden nur mit staatlicher Erlaubnis anerkannt, besonders wenn diese Leiter von religiösen Gemeinschaften sind, die laut Gesetz nicht existieren und deren persönliche Position gesetzlich nicht anerkannt wird. Die Ausbildung christlicher Leiter ist unmöglich. 15 protestantische Leiter haben vom IS Todesdrohungen erhalten. Es gibt christliche Materialien in türkischer Sprache, aber ihre Verteilung ist äusserst risikoreich. Der Aufbau von Stiftungen, die neue religiöse Gemeinden unterstützen wollen, ist gemäss Artikel 101 des türkischen Bürgerlichen Gesetzbuchs verboten.“

Club der Verfolger
Wie eine Regierung Christen und andere religiöse Minderheiten behandelt, ist einer der wichtigsten Gradmesser für die Freiheit in einem Land. Ein Staat, der Christen verfolgt, der benachteiligt und schikaniert fast immer auch Frauen und nationale Minderheiten, lässt keine Presse- und Parteienfreiheit zu und duldet keine Kritik an der Regierung. Die Christen sind oft diejenigen, die die Verfolgung am stärksten trifft, aber so gut wie nie die einzigen.

Ein anderer Zusammenhang fällt auf: Unter den 50 Staaten im Weltverfolgungsindex von Open Doors ist nur ein einziger, der nicht als antiisraelisch gelten kann: Kolumbien. Dass das Land in der Liste auftaucht, liegt dazu einzig und allein an den Guerillas und Mafiabanden, die einen Teil des kolumbianischen Territoriums beherrschen, nicht an der Regierung.

Die 49 Staaten, die sich durch aktive Christenverfolgung einen Platz im Weltverfolgungsindex von Open Doors gesichert haben, vereint neben ihrem totalitären Charakter noch etwas anderes: Sie alle haben 2012 in der UNO-Generalversammlung für die Aufnahme „Palästinas“ in die UNO gestimmt, und sie alle unterstützen automatisch jede Resolution gegen Israel, die in ein UN-Gremium eingebracht wird. Man kann also sagen: Wer Christen verfolgt, der hasst auch Juden (eine Regel, die nicht automatisch auch im Umkehrschluss gilt).

Über Stefan Frank

Stefan Frank ist freischaffender Publizist und lebt an der deutschen Nordseeküste. Er schreibt regelmässig über Antisemitismus und andere gesellschaftspolitische Themen, u.a. für die „Achse des Guten“, „Factum“, das Gatestone Institute, die „Jüdische Rundschau“ und „Lizas Welt“. Zwischen 2007 und 2012 veröffentlichte er drei Bücher über die Finanz- und Schuldenkrise, zuletzt "Kreditinferno. Ewige Schuldenkrise und monetäres Chaos."

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