Am 9. November 2015 fand im schwedischen Umeå zum Gedenken an die Kristallnacht eine Demonstration gegen Rassismus statt. Es gab nur einen Haken: Die Juden in Umeå wurden zu der Demonstration nicht eingeladen. Als Grund wurde von Jan Hägglund, einem der Organisatoren, angegeben, dass die Demonstration als „für sie nicht willkommene oder unsichere Situation wahrgenommen“ würde.
Von Nima Gholam Ali Pour
Der Weg in diese surreale Situation, in der eine antirassistische Demonstration in Schweden zum Gedenken an die Kristallnacht von Juden als Bedrohung wahrgenommen werden könnte, hat sich lange Bahn gebrochen. Diese Demonstration hatte einige Bedeutung. Die Menschen dahinter waren keine Extremisten. Vier der acht im schwedischen Parlament vertretenden Parteien waren an der Organisation beteiligt.
Diese antirassistische Demonstration und die seltsamen Ereignisse in ihrem Umfeld stehen für einen Prozess, der in Schweden leider schon seit langem im Gang ist. Eine neue Art schwedischer Antisemitismus ist erstarkt; die Stadt Malmö ist sein Aushängeschild.
Im Januar 2009 wurde ein proisraelische Demonstration in Malmö von Arabern angegriffen, die brüllten: „Sch…juden!“ Die Polizei konnte die proisraelischen Demonstranten nicht vor den Eiern und Flaschen schützen, mit denen sie beworfen wurden. Die Veranstaltung musst zeitweise gestoppt werden, als die Araber anfingen mit Feuerwerkskörpern auf die proisraelischen Demonstranten zu schiessen.
Heute ist Malmö eine Stadt, die für Antisemitismus bekannt ist und von diesem geprägt wird. Juden können in Malmö nicht öffentlich zeigen, das sie Juden sind, ohne Belästigungen ausgesetzt zu werden. Viele jüdische Familien, die seit Jahrhunderten dort waren, sind geflohen. Im Oktober 2015 waren zwei Mitglieder des schwedischen Parlaments an einer propalästinensischen Demonstration in Malmö beteiligt, bei der Leute antisemitische Parolen skandierten und die aktuellen palästinensischen Messerangriffe auf israelische Juden priesen.
Der Grund, dass ein Land wie Schweden plötzlich von extremem Antisemitismus getroffen worden ist, ist zum grossen Teil in der Immigration aus dem Nahen Osten zu finden. Die arabische und muslimische Welt – und seit 1979 die Islamische Republik Iran, die wiederholt mit Völkermord gedroht hat – dämonisieren weiter in ihren staatlichen Medien die Juden. Die arabische und muslimische Welt will vermutlich – zum Teil – ihren Konflikt mit Israel rechtfertigen. Gleichfalls glauben zum Teil vermutlich die Mitglieder von Establishment und Bürgern in diesen Ländern diese antisemitischen Verschwörungstheorien – Verleumdungen, die tagtäglich in ihren Medien und Moscheen wiederholt werden.
Viele Neuankömmlinge behalten ihren nahöstlichen Hintergrund, selbst nachdem sie sich in Schweden niedergelassen haben. Viele, besonders in Immigrantenbereichen wie Rosengård und Malmö, sehen regelmässig arabische Medien, die nonstop antisemitische Botschaften vermitteln.
Gleichzeitig sind Mitglieder dieser Gesellschaften eingeladen bei schwedischen Wahlen abzustimmen, also konzentrieren sich schwedische Parteien auf die arabischen Stimmen. Dieses Hofieren ist eine reine Frage der Demographie. Es gibt in Schweden weniger als 20.000 Juden; allein 2014 erhielten mehr als 20.000 Syrer dort Asyl.
Zudem muss man, um bei wichtigen Lokalwahlen abstimmen zu können, nicht einmal schwedischer Staatsbürger sein. Diese Besonderheit ist der Grund, dass so wenige Politiker in Schweden auch nur über arabischen Antisemitismus reden, obwohl mehrere schwedische Berichte und Dokumentationen zeigen, dass der zunehmende Antisemitismus in Schweden weithin aus dem Nahen Osten importiert worden ist.
Das ist auch der Grund, dass die meisten antirassistischen Organisationen in Schweden lieber über „Islamophobie“ diskutieren wollen. Fast alle schwedischen Antirassismus-Organisationen werden vom Steuerzahlen finanziert oder sind sonst irgendwie mit politischen Parteien verbunden – was bedeutet, dass es ein nur allzu geschäftsmässiges „Verständnis“ zwischen politischen Parteien und antirassistischen Organisationen gibt. Die meisten der politischen Parteien tun Antirassismus-Organisationen, die über arabischen Antisemitismus reden, nicht gerade einen Gefallen. Solche Organisationen haben Probleme Gelder zu bekommen oder bekommen ihre Zuwendungen entzogen oder erleben, dass ihre Vorstandsmitglieder anfangen zurückzutreten.
Obwohl mehr Muslime nach Schweden kommen und mehr Juden aus Schweden fliehen – oder vielleicht ist das der Grund dafür – betrachtet die Mehrheit der antirassistischen Aktivisten in Schweden „Islamophobie“ als grösseres Problem. Die einflussreiche Antirassismus-Organisation Expo hat mehrere Kartierungen zu „Islamophobie“ erstellt, aber ungeachtet der Bigotterie nicht eine einzige zu Antisemitismus.
Sehen Sie, wenn man Antisemitismus in Schweden kartieren will, muss man über die Immigration aus dem Nahen Osten diskutieren. In Schweden wollen viele das nicht tun: Diejenigen, die über arabischen Antisemitismus diskutieren, werden als Rassisten bezeichnet.
Statt einer Diskussion über den neuen schwedischen Antisemitismus bekommt man nervtötende Kolumnen mit der Botschaft, dass die Menschen in schwedischen Schulen weniger über den Holocaust reden sollten, damit arabische Jugendliche nicht vor den Kopf gestossen werden. Helena Mechlaoui, Lehrerin für Geschichte, Religion und Philosophie an einer Oberschule, kritisierte die Regierung für wegen eines Vorschlags den zunehmenden Antisemitismus mit verstärkter Holocaust-Bildung zu bekämpfen. Sie schrieb:
„Wenn wir über Schüler aus dem Nahen Osten reden, dann wohl deshalb, weil viele von ihnen traumatische Erfahrungen gemacht haben, die entweder mit israelischer oder amerikanischer Politik verbunden sind. Sie könnten ein oder mehrere Geschwister, Cousins, Eltern oder Gleichaltrige bei israelischem oder amerikanischem Beschuss verloren haben. Ein grosser Anteil ist hier in Schweden, weil sie gezwungen waren, ihr Zuhause wegen der Besatzung, Krieg oder der Notlage in einem Flüchtlingslager zu verlassen. Sie könnten verletzte Eltern haben, die nicht wirklich mit dem Leben klar kommen und sie könnten immer noch Familie in den Konfliktbereichen haben. Wahrscheinlich haben sie in Schweden Feindseligkeit erlebt. In diesem Zusammenhang ist es vielleicht nicht wünschenswert anzufangen vom Holocaust zu reden.“
Immigration aus arabischen Ländern hat die Art und Weise gehörig beeinflusst, wie die Mehrheit der Schweden Antisemitismus betrachtet. Antisemitismus wird von der schwedischen Gesellschaft nicht länger verurteilt. Mehrere schwedische Prominente haben gerade antisemitische Äusserungen abgegeben und ihre Karrieren haben nicht im Geringsten gelitten. Der schwedische Rapper Dani M verbreitet antisemitische Verschwörungstheorien, sowohl in sozialen Medien als auch in seinen Liedern. Nachdem mehrere Medienorgane in Schweden Ende 2014 und Anfang 2015 detailliert darüber berichteten, wie Dani M antisemitische Verschwörungstheorien verbreitet, erschien er im September in einer Reality-TV-Sendung in einem der grössten und bekanntesten schwedischen Sender, TV4. Als TV4 kritisiert wurde,antwortete der Produktionsleiter der Sendung, Christer Andersson:
„Die Werte von TV4 sind Null Rassismus und das ist immer so gewesen, so lange ich mich erinnern kann, aber wir können Leute nicht abschalten, die nicht genauso empfinden. TV4 ist ein Portal, das Menschen mit unterschiedlichen Meinungen durchlaufen und wir müssen einen breiten Grad an Akzeptanz haben.“
Hier haben wir eines der wichtigsten schwedischen Medienorgane und dieses beschreibt Antisemitismus schlicht als eine „andere Meinung“. Zu derselben Zeit benutzte eine andere Beschäftigte von TV4 in einem YouTube-Video das „N-Wort“ und wurde innerhalb von 2 Monaten gefeuert. Also ist Antisemitismus akzeptabel, aber Rassismus gegen Afro-Schweden nicht.
In einem weiteren Beispiel schrieb die schwedische Fernsehgrösse Gina Dirawi – sie ist palästinensischer Herkunft – 2010 auf ihrem Blog, Israels Handeln könnte mit dem Hitlers gleichgesetzt werden. Dann riet sie 2012 den Menschen, wieder auf ihrem Blog, ein Buch zu lesen, das den Holocaust infrage stellte. Die Botschaft des Buches war: Als die Nazis die Juden verfolgten, handelten sie in Selbstverteidigung. Das waren nur zwei der vielen antisemitischen Äusserungen, die sie auf ihrem Blog machte. Heute ist Gina Dirawi Moderatorin mehrerer Sendungen auf SVT – dem schwedischen öffentlich-rechtlichen Sender – und sie moderierte SVTs Weihnachtssendung 2015. Da Dirawi Muslima ist, gab es hier und da etwas Erstaunen. Sie wird auch den schwedischen Musikwettbewerb Meldoifestivalen moderieren, eine der beliebtesten schwedischen Musikveranstaltungen.
Es ist leider klar, dass Antisemitismus in Schweden nichts ist, das irgendjemandes Karriere schadet. Die schwedischen Medien, wie auch die Regierung, sind nicht sonderlich an Schwedens Problemen mit Antisemitismus interessiert. Als der schwedische Think Tank Perspektiv På Israel im Mai 2015 darlegte, dass der Direktor von Islamic Relief in Schweden auf Facebook antisemitische Einträge verbreitete, war niemand in den schwedischen Medien daran interessiert darüber zu schreiben, trotz der Tatsache, dass Islamic Relief von Sida, unterstützt wird, der für Schwedens offizielle Entwicklungshilfe verantwortlichen schwedischen Regierungsagentur.
Die schwedischen Medien gestatteten nicht einmal, dass Perspektiv På Israel einen Meinungsartikel zum Thema bei ihnen veröffentlicht wurde. Nyheter24, eines der schwedischen Mediengremien, die Perspektiv På Israels Information über den Skandal nicht veröffentlichte, schrieb dem Think tank in einer E-Mail, dass ihre „Leser, gelinde gesagt, nicht an diesem bestimmten Fall interessiert sind“.
Als ein Kolumnist für die Zeitung Samtiden erwähnte ich Islamic Reliefs rassistische Äusserungen in einem Kommentar und die Information wurde ausserdem in The Jewish Press dargelegt. Die schwedischen Medien zeigten kein Interesse, obwohl es deutliche Beweise dafür gab, dass eine Organisation schwedische Steuergelder bekommen, die in sozialen Medien antisemitische Äusserungen veröffentlicht.
Es ist wichtig festzuhalten, dass all diese Vorfälle in einem Land stattfanden, wo der Gebrauch des Wortes „Massenimmigration“ in der Regel kritisiert wird, bloss weil es rassistisch klingt. Nur Antisemitismus wird in Schweden nicht kritisiert. Alle anderen Formen des Rassismus – selbst Dinge, von denen mancher sagt, sie könnten als Rassismus eingeordnet werden – werden kritisiert, und zwar schonungslos.
Obwohl der neue schwedische Antisemitismus seinen Ursprung im arabischen oder islamischen Antisemitismus hat, ist der Gedanke, dass Antisemitismus in Schweden heute in seiner Beschaffenheit nur aus dem Nahen Osten kommt her eine Vereinfachung. Antisemitismus in Schweden ist ein Sammelsurium geworden, das sich aus mehreren Faktoren zusammensetzt, die einander verstärken. Einige davon sind:
- Umfangreiche Immigration aus Ländern, in denen Antisemitismus normal ist.
- Ein starkes pro-palästinensisches Engagement bei schwedischen Politikern, das eine total surreale Diskussion über die israelisch-palästinensisch Debatte zur Folge hat, in der Israel auf ungerechte Weise dämonisiert wird.
- Der Wunsch politischer Parteien in Schweden bei Wahlen die Stimmen der Immigranten zu gewinnen.
- Ein schwedischer Multikulturalismus, der ausländischen Kulturen gegenüber derart unkritisch ist, dass er nicht zwischen Kultur und Rassismus unterscheiden kann.
- Die Angst davor immigrationskritisch zu klingen.
- Wichtige schwedische Institutionen wie die Kirche von Schweden legitimieren Antisemitismus durch Befürwortung des Kairos-Dokuments.
Die Kombination dieser Faktoren schafft eine Situation, in der Antisemitismus zunehmen kann, ohne auf irgendwelchen echten Widerstand oder Kritik zu stossen. Das Folgende ereignete sich in Komvux, einem schwedischen Bildungsprogramm für Erwachsene in der Stadt Helsingborg: Ein Vertretungslehrer verteidigte Fakten zum Holocaust in einer Klasse, nachdem einer der Schüler infrage stellte, dass der Holocaust tatsächlich stattgefunden hatte. Die Schulverwaltung kritisierte den Vertretungslehrer mit den folgenden Argumenten: „Was für uns Geschichte ist, ist für andere keine Geschichte. … Wenn wir andere Schüler haben, die aus anderen Geschichtsbüchern gelernt haben, hat es keinen Sinn Fakten gegen Fakten zu diskutieren.“
Das ist ein Vorfall, der sich im Februar 2015 in einer grossen schwedischen Stadt abspielte. Es hätte sich in jeder schwedischen Stadt abspielen könnten, wo der neue schwedische Antisemitismus zunimmt. Eine schwedische Schule weiss nicht länger, ob die Tatsache, dass der Holocaust tatsächlich stattfand, eine Tatsache ist, die es wert ist geschützt zu werden. Das antisemitische Sammelsurium normalisiert in Schweden den Antisemitismus.
Als Mitte November berichtet wurde, dass die schwedische Aussenministerin Margot Wallström sagte, „Die Juden fahren Kampagnen gegen mich“, wurde das in Schweden keine grosse Nachricht. Es war nicht das erste Mal, dass ein berühmter schwedischer Politiker sich antisemitisch äusserte und damit davon kam; es wird auch nicht das letzte Mal sein.
Kehren wir also zurück zum 9. November 2015 in Umeå und dem Antirassismus-Marsch zum Gedenken an die Kristallnacht, zu dem die Juden nicht eingeladen wurden, sowie zu der muslimischen Weihnachtsmoderatorin, die mehrmals antisemitische Ansichten zum Ausdruck gebracht hat, zudem zu den Schulen, die nicht sicher sind, ob sie sagen sollen, dass der Holocaust tatsächlich stattfand oder nicht und zu einem Land, in dem es allgemein an der Tagesordnung ist Juden nicht einzuladen.
Die Medien berichten das nicht. Die Politiker kümmert es nicht. Und jeder weiss, dass die Antisemiten in Schweden mit allem davon kommen, was sie mögen.
Nima Gholam Ali Pour ist im Vorstand des Bildungsausschusses in der schwedischen Stadt Malmö und Mitglied in mehreren schwedischen Think Tanks, die sich mit dem Nahen Osten beschäftigen. Er ist aktiv in der Pro-Demokratie-Organisation Centia. Via Gatestone Institute. Übersetzung: H. Eiteneier