10 Dinge, die man über Israels Erdgas wissen sollte

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Ein Luftbild einer israelischen Offshore-Gasplattform. Foto Albatross Luftaufnahmen/Noble Energy /Flash90
Lesezeit: 10 Minuten

Eine Einführung in die Top Ten der Dinge, die man über den Gas-Deal in Israel wissen sollte.

  1. Wo ist das Gas?

Es gibt zwei kleine Gasfelder vor der Küste von Aschkelon, die im Jahre 1999 entdeckt wurden und etwa 45 Milliarden Kubikmeter Erdgas umfassen. Die grossen Gasfelder, Leviathan und Tamar, wurden im Jahre 2009 entdeckt. Sie befinden sich etwa 90 Meilen westlich von Haifa. Tamar verfügt über schätzungsweise 240 Milliarden Kubikmeter Erdgas, Leviathan über 450 Milliarden. Die Produktion begann an den Standorten in der Nähe von Aschkelon im Jahre 2004 und am Standort Tamar im Jahre 2009. Die Rechte an Leviathan werden noch ausgehandelt. Das Gas an den Standorten Leviathan und Tamar befindet sich drei Kilometer unter dem Meeresboden in einem 200 Meter breiten Loch voller Erdgas, das in Zwischenräumen des Felsengrunds aus Sandstein oder in Sandschichten eingeschlossen ist.

  1. Wie soll das Gas aus dem Meer in die Haushalte kommen?

Ein spezieller, auf einer schwimmenden Plattform sitzender Unterwasser-Bohrer drillt ein Bohrloch vom Meeresboden bis in eine Tiefe von drei Kilometern. Aufgrund der Tiefe der Felder ist das Gas unter einem Druck eingeschlossen, der das 400- bis 500-fache des Drucks auf Meereshöhe betragen kann. Dieser Druck bewirkt eine Strömung des Gases ins Bohrloch und empor zu einer über der Meeresoberfläche gelegenen Plattform. Auf der Plattform wird das Gas behandelt, und Verunreinigungen wie Spuren von Öl oder anderen Gasen werden entfernt. Das behandelte Gas wird dann über eine Pipeline nach Aschdod transportiert. Sobald es auf dem Festland eintrifft, kommt ein regierungseigenes Unternehmen namens Israel Natural Gas Lines („Natgaz“ ist sein hebräisches Akronym) ins Spiel, das über ein Netzwerk von 430 Kilometern Erdgasleitungen verfügt, die sich durch das ganze Land schlängeln. Das Vertriebsnetz bringt das Erdgas zu acht Kraftwerken und grossen Energieverbrauchern wie Industriezonen, unter anderem in der Bucht von Haifa, Dead Sea Works, Ramat Chovav und Mishor Rotem. Momentan erreicht das Erdgas Ihr Zuhause deshalb nicht, weil es ungeheuer teuer ist, Gasleitungen durchs ganze Land zu verlegen. Lesen Sie hier mehr über das technische Verfahren.

Eine Luftaufnahme des Ashdod Onshore-Terminals, das den Gas- und Kondensatfluss von Tamar erhält. Foto Noble Energy
Eine Luftaufnahme des Ashdod Onshore-Terminals, das den Gas- und Kondensatfluss von Tamar erhält. Foto Noble Energy
  1. Wenn es nicht in mein Haus kommt, warum sollte es mich kümmern?

Israel erhält derzeit ungefähr 60 Prozent seines Stroms aus Erdgas. Umweltaktivisten unterstützen die Verwendung von Erdgas, vor allem in Kraftwerken, weil Erdgas wesentlich weniger verunreinigt als Erdöl oder Kohle. Das Ministerium für natürliche Infrastrukturen, Energie und Wasser hat festgestellt, dass Erdgas nicht lediglich Umweltverschmutzung und Treibhausgase reduziert, sondern wesentlich effizienter ist und fast 20 Prozent mehr Strom produzieren kann als Kohle oder Erdöl. Der Erdgas-Fund kann Israel ausserdem von Energien unabhängig machen. Amit Mor, der Geschäftsführer des unabhängigen Beratungsunternehmens Eco Energy und Experte auf dem Gebiet, erklärte, dass das Tamar-Feld allein den Grossteil des israelischen Inlandsbedarfs für die nächsten 15 Jahre decken kann. Dies könnte weitreichende Folgen haben und Israel zu einem bedeutenden Gasexporteur sowie das Land von Energien unabhängig machen.

  1. Ist Erdgas gut oder schlecht für die Umwelt?

Umweltschützer bevorzugen grundsätzlich Erdgas gegenüber anderen Energiequellen. „Die Entdeckung von Erdgas ist ein Segen. Wir haben es, daher müssen wir keine Kohle und kein Erdöl verwenden“, sagte Green Course-Aktivist Ely Abramovitch. „Wir unterstützen nicht nur die Verwendung von Erdgas, wir unterstützen ausserdem dessen Verbreitung.“ Abramovitch fügte hinzu, dass Israel in einer idealen Welt letztendlich zu anderen erneuerbaren Energien ausser Erdgas wechseln würde. Allerdings ist er sich bewusst, dass dies viel Zeit brauchen wird. Solarenergie liefert derzeit nur 2 % von Israels Strom, sagte Mor. Zum jetzigen Zeitpunkt würde er es lieber sehen, wenn mehr Fabriken Erdgas statt Kohle verwendeten.

  1. Wenn Umweltschützer Erdgas befürworten, worum geht es dann bei all diesen Protesten?

„Wir wollen die undemokratischen Aktivitäten rund um das Geschäft mit Gas an die Öffentlichkeit bringen“, erklärte dazu Abramovitch. Die Umweltgruppe Green Course ist eine führende Dachorganisation von Umweltorganisationen, die aus Protest am Gas-Deal an Samstagabenden Demonstrationen organisierten.

Im Frühjahr waren Aktivisten erbost, dass die Einzelheiten des Gas-Deals nicht der Öffentlichkeit – oder sogar den Knesset-Mitgliedern selbst – zugänglich gemacht wurden, bis Druck von aussen Netanyahu dazu zwang, am 30. Juni die Konditionen des Geschäfts zu enthüllen. „Die Öffentlichkeit begreift, dass der Gas-Deal für Israel gefährlich ist. Es ermöglicht einen schnellen Export von israelischem Gas und wird uns in Zukunft ohne Gas zurücklassen“, sagte Abramovitch.

Am Samstagabend, des 14. November 2015, versammelten sich mehr als 10.000 Menschen in Tel Aviv, um bei der grössten Demonstration der vergangenen Monate gegen den Gas-Deal zu protestieren. Aktivisten inszenierten ausserdem Demonstrationen in 15 anderen Städten des Landes. Ely Abramovitch von Green Course, lobte die kürzlich ausgestrahlte dreiteilige TV-Dokumentation „Silver Platter” (Silbertablett) dafür, dass sie die komplizierte Frage in den Vordergrund des öffentlichen Bewusstseins gerückt hat. Der Hauptredner auf der Tel Aviv-Demonstration war Prof. Yaron Zelekha, der ehemalige Hauptbuchhalter des Finanzministeriums, der auch im zweiten Teil von Silver Platter auftrat und den Gas-Deal als „organisierten Raub“ bezeichnete.

Tausende Israelis protestierten gegen den Gasdeal im Zentrum von Tel Aviv am 14. November 2015. Foto Tomer Neuberg/Flash90
Tausende Israelis protestierten gegen den Gasdeal im Zentrum von Tel Aviv am 14. November 2015. Foto Tomer Neuberg/Flash90

„In den vergangenen Monaten haben wir der Öffentlichkeit die Methode offenbart, mit welcher die Regierung die grösste nationale Quelle, die je hier entdeckt wurde, ausplündert, nachdem sie diese fast rücksichtslos unter einer Gruppe von Magnaten aufgeteilt hat“, sagte Zelekha laut Globes. „Dies ist ein Monopol, durch das unser eigenes Gas, das sie umsonst erhalten haben, an uns zurückverkauft wird. Sie sagen, es lohnt sich, im Interesse der geostrategischen Lage Israels Zugeständnisse zu machen, aber Netanyahu hat Israel zu dem Land mit den teuersten Wohnungen im Westen gemacht. Das Land, in dem Autos die teuersten des Westens sind. Das Land, in dem Lebensmittel die teuersten im Westen sind, und nun das Land mit dem teuersten Gas im Westen, und es ist unser Gas.“

  1. Worum geht es beim Artikel 52?

Im Dezember entschied der damalige Chef des Kartellamts David Gilo, das Delek-Noble-Konglomerat, das Leviathan erschliesst, würde möglicherweise ein Monopol darstellen, womit er eine lautstarke nationale Debatte bezüglich der Bedingungen für Energieunternehmen auslöste. Nach Artikel 52 des Kartellgesetzes darf ausschliesslich der Wirtschaftsminister die Entscheidung des Chefs des Kartellamts aufheben und einem Monopol eine Sondergenehmigung erteilen, um in Israel tätig zu sein, zum Beispiel wenn dies für Belange im Bereich Sicherheit wesentlich ist. Im vergangenen Jahr hat sich Aryeh Deri (Schas), der bis vor Kurzem Wirtschaftsminister war, geweigert, diese Sondergenehmigung zu erteilen, wobei Netanyahu im Laufe des Sommers versäumte, eine Knesset Abstimmung durchzuführen, um seine „Artikel 52-Vollmacht“, wie diese bekannt ist, an das weitere Kabinett zu übertragen.

Gilo ist aufgrund Netanyahus Entscheidung, den aktuellen Deal durchzusetzen, im Mai zurückgetreten , wobei er sagte, dass der Deal nicht genügend Wettbewerb in der Erdgasbranche fördern würde. Öffentlicher Aufschrei und zwischenstaatliche Konflikte zwangen Netanyahu, den Gas-Deal zur Abstimmung in die Knesset zu bringen, was er zu vermeiden gehofft hatte, da er nicht sicher war, ob er eine Mehrheit erreichen würde. Die Knesset verabschiedete den Deal am 7. September durch eine 59 : 51 Abstimmung.

Selbst nach der Knesset-Abstimmung muss der Gas-Deal entweder noch vom Kartellamt genehmigt werden, oder der Wirtschaftsminister muss sich auf Artikel 52 berufen. Aryeh Deri weigerte sich, der erste Minister zu sein, der diese Klausel anwendet, und trat am 1. November in einem weithin erwarteten Schritt zurück .

  1. Was genau besagt der Gas-Deal also?

Gemäss den Bedingungen des Entwurfs wird die Delek Group ihre Beteiligungen am Gasfeld Tamar sowie an den zwei kleineren, bislang noch nicht erschlossenen, etwa 120 Kilometer vor der Küste von Haifa gelegenen Feldern Karish und Tanin innerhalb von sechs Jahren verkaufen, und Noble Energy wird seine Beteiligungen in Tamar innerhalb des gleichen Zeitrahmens schrittweise auf nicht mehr als 25 Prozent reduzieren. Während diesen sechs Jahren werden die Preise für Erdgas reguliert sein. Shaul Amsterdamski, ein Journalist der Wirtschaftszeitung Calcalist, erklärte, dass der derzeitige Deal sich auf die Frage des Duopols zwischen Noble und Delek konzentriert, nicht auf bestimmte Prozentsätze der durchs Gas erzielten Einnahmen. „Die Frage, wer was aus dem Gas erhält, wurde bereits 2011 vom Scheshinski-Komitee geklärt, wodurch diese Frage nicht mehr relevant ist“, sagte er.

  1. Was hat Bill Clinton damit zu tun?

Laut einigen Quellen (wobei das Unternehmen leugnet, dass dies der Fall war) hatte Bill Clinton in der Vergangenheit direkt bei Netanyahu Lobbyarbeit für Noble Energy betrieben. Als die Grösse von Leviathan zur Überraschung aller, im Jahre 2009 bekanntgegeben wurde, meinte der ehemalige Finanzminister Yuval Steinitz, das Land müsste einige der Steuervergünstigungen sowie andere Konditionen des Explorations-Vertrags neu verhandeln. Zuvor war Israel gezwungen, Unternehmen, die Offshore-Erdgas erschliessen wollten, attraktive Steuererleichterungen zu gewähren, da eine Erschliessung ungeheuer kostspielig und die Aussicht auf Erfolg unklar war.

Doch Leviathan war grösser als jeder glaubte. „Wir hatten definitiv kein Regelwerk, das für das Ausmass der Entdeckung geeignet war“, erklärte Professor Shimon Feinstein, Professor für Geologie an der Ben-Gurion-Universität des Negev, im August. „Wir sind in diese sehr peinliche Situation geraten, bei der wir einen Pachtvertrag zur Exploration mit bestimmten Bedingungen abgeschlossen haben, und aufgrund der grossen Entdeckung, die jenseits unserer Vorstellungskraft war, haben wir entschieden: ,Oh, wir haben einen Fehler gemacht‘, und wir ändern die Spielregeln, nachdem das Spiel vorbei war.“

Bill Clinton hatte Netanyahu beschuldigt, exakt dies getan zu haben. Laut dem Wall Street Journal sagte ein Berater von Clinton, dass dieser den Streitpunkt in einem privaten Treffen mit Netanyahu Juli 2010 in New York aufgeworfen hat. „Ihr Land kann nicht einfach ein US-Geschäft rückwirkend besteuern, nur weil es Lust dazu hat“, sagte Clinton laut Berater zu Netanyahu. Als Clinton am 31. Oktober 2015 anlässlich des 20. Jahrestages der Ermordung von Jitzchak Rabin auf dem Rabin-Platz sprach, hat ihn ein Teil der Menge wegen seiner Lobbyarbeit für Noble Energy ausgebuht.

Ein Sprecher von Noble Energy bestritt, dass Clinton je ein bezahlter Lobbyist für Noble war.

  1. Was hat es mit dem Offshore-Erdgas Ägyptens auf sich?

Im August gab ein italienisches Unternehmen, das die Küste von Ägypten erschliesst, die Entdeckung eines „superriesigen“-Erdgasfelds bekannt, eines der grössten, das jemals im Mittelmeer gefunden wurde und laut Amit Mor von Eco Energy bis zu 2500 Milliarden Kubikmeter gross sein könnte (zum Vergleich: Die Offshore-Felder Israels umfassen rund 1000 Milliarden Kubikmeter). Dies ist ein Segen für die unter Druck stehende Wirtschaft Ägyptens, aber problematisch für Israel, das gehofft hatte, Erdgas nach Ägypten zu exportieren.

Der Binnenmarkt für Erdgas in Israel und den palästinensischen Gebieten, die von der israelischen Infrastruktur abhängig sind, beträgt ungefähr 8 Milliarden Kubikmeter pro Jahr. Dies könnte sich auf 12 Milliarden Kubikmeter pro Jahr erhöhen, da mehr Unternehmen und Fabriken direkt mit Gas verknüpft sind, erklärte Mor. „Erschliesser und Partner benötigen einen Exportmarkt“, sagte er. Israel und die Westbank alleine sind „zu klein, um eine Multi-Milliarden-Dollar-Erschliessung wirtschaftlich zu rechtfertigen“, fügte Mor hinzu. Er schätzt, dass eine Erschliessung des Leviathan-Feldes ca. 6 bis 7 Milliarden $ kosten wird, aber Unternehmen werden dieses Geld erst investieren, wenn ihnen ein stabiler Exportmarkt zugesichert wird. Während es manche Gespräche über eine gemeinsame, italienisch-ägyptisch-israelische Vereinbarung gegeben hat, wäre eine weitere Möglichkeit, sich an die Türkei zu wenden. Mor wies darauf hin, dass ein Abkommen mit der Türkei wirtschaftlich zwar äusserst sinnvoll sei, aber aufgrund der angespannten Beziehungen zwischen Israel und der Türkei in den letzten paar Jahren auf politische Hürden stösst.

Leitungsrohre und Hochdruckleitungen die das unter Druck stehende Gas auf dem Meeresboden befördern, werden vor der Verlegung ins Meer verschweisst. Foto Noble Energy
Leitungsrohre und Hochdruckleitungen die das unter Druck stehende Gas auf dem Meeresboden befördern, werden vor der Verlegung ins Meer verschweisst. Foto Noble Energy
  1. Was ist mit den Sicherheitsproblemen in Bezug aufs Offshore-Gas?

Das grösste Sicherheitsproblem im Augenblick ist, dass es eine einzige Pipeline gibt, die vom Gasfeld Tamar zur israelischen Küste führt. „Wenn es ein technisches Problem gibt oder eine Rakete der Hisbollah oder Hamas, werden sämtliche Israelis und Palästinenser im Dunkeln sitzen“, sagte Mor. „Für die nationale Sicherheit ist es entscheidend, eine weitere Pipeline zu bauen, sodass wir in Zukunft mehr Felder erschliessen können.“ Mor möchte letztendlich vier separate Pipelines von den Feldern Tamar und Leviathan verlaufen sehen, obwohl andere meinen, drei könnten ausreichend sein. Die Unternehmen, die Leviathan erschliessen, wären für die Verlegung zusätzlicher Pipelines verantwortlich.

Amsterdamski, der Journalist von Calcalist, erklärte, die Streitfrage zur einzigen Pipeline ist das Hauptproblem, das Israel angehen muss. „Es ist wirtschaftlich gesehen ein Problem, weil es ein Monopol bedeutet, und ausserdem gibt es ein Problem, wenn etwas passiert“, sagte er.

Gekürzte und überarbeitete Version von „10 things to know about Israel’s natural gas“. The Times of Israel, 29.11.2015.