Gegen BDS argumentieren – und gewinnen

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Alan Dershowitz in der Oxford Union. Foto Embassy of Israel in London
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Als ich eingeladen wurde, bei der Oxford Union einen befürwortenden Vortrag zum Diskussionsthema „Is BDS Wrong?“ (Ist BDS falsch?) zu halten, hatte ich die sichere Erwartung, bei der Abstimmung der ca. 250 Studenten und Lehrkräfte, die dem ältesten Debattierclub der Welt angehören, zu verlieren.

Von Alan Dershowitz

„Israel verliert in Oxford immer“, lautete die Warnung von Kollegen, die bereits an anderen Debatten teilgenommen hatten, die mit Israel zu tun hatten. In der Hoffnung, die Meinung zumindest einiger Zuhörer zu ändern, entschied ich mich dennoch zur Teilnahme.

Als meinen Gegner schlug ich Omar Barghouti vor, den Mitbegründer und Sprecher der Bewegung „Boycott, Divestment and Sanctions“ (Boykott, Divestment und Sanktionen, BDS), der in Katar geboren wurde und in Israel studiert hat, doch er lehnte eine Debatte mit mir ab. Die Union entschied sich dann für Noura Erekat, eine palästinensisch-amerikanische Anwältin für Menschenrechte, die als vehemente BDS-Befürworterin aufgetreten ist.

Als sie im letzten Moment einen Rückzieher machte, wurde ich langsam misstrauisch: Wurde ich von der BDS-Bewegung boykottiert? Schliesslich hatten BDS-Anhänger zum „angemessenen“ akademischen Boykott von Einzelpersonen aufgerufen, die nach Meinung der Anhänger ihre Sympathie mit Israel zu laut kundtun, und zwar zusätzlich zu einem allgemeinen Boykott aller akademischen Einrichtungen Israels. Nach Gesprächen mit den Organisatoren der Debatte in Oxford glaube ich weiterhin, dass es tatsächlich einen Boykott gegen mich gab.

Die Wahl der Union fiel dann auf Peter Tatchell, einen renommierten und beliebten britischen Menschenrechtsaktivisten, der an über 30 Debatten der Union teilgenommen hat und aus diesen meist als Sieger hervorging. Ich wusste, dass es für mich schwer werden würde. Das wurde mir besonders klar, als das Publikum bei seinen Argumenten lauter applaudierte als bei meinen, und weil viele gestellte Fragen zwar höflich waren, aber doch feindselig gegenüber Israel wirkten.

Tatchells Hauptargument war, dass BDS eine gewaltfreie Form des Protests gegen Israels Besetzungs- und Siedlungspolitik sei, vergleichbar mit der Boykottbewegung gegen die südafrikanische Apartheid, und den Prinzipien von Mahatma Gandhi und Martin Luther King entspreche. Er argumentierte gut verständlich dafür, dass die Taktik des Boykotts im Allgemeinen eine gewaltfreie Alternative zu Krieg und Terrorismus darstelle. Dieses Argument wurde jedoch durch die aktuelle Serie von Messerattacken von Palästinensern gegen Israelis geschwächt, welche von Anführern der BDS-Bewegung wie Barghouti als Widerstand gegen das „jahrzehntealte Besetzungsregime“ gerechtfertigt wurde.

Ich argumentierte, dass BDS keine Alternative zum Krieg sei, sondern eher eine Alternative zu friedlichen Verhandlungen der palästinensischen Führung. Der Grund dafür ist, dass die BDS-Bewegung entschieden gegen eine Zweistaatenlösung ist. Omar Barghouti bestätigte das soweit mit den Worten: „Wir sprechen uns sicher, ganz sicher, gegen einen jüdischen Staat in irgendeinem Teil Palästinas aus.“ Also erschwert die BDS-Bewegung der palästinensischen Führung, schmerzhafte Kompromisse einzugehen, denen beide Seiten zustimmen müssen, wenn es eine Lösung auf dem Verhandlungsweg geben soll.

Zusammen mit anderen Bemühungen zur Delegitimierung und Isolierung Israels, verbreitet BDS auch eine falsche Botschaft in der palästinensischen Öffentlichkeit. Und zwar die, dass wirtschaftlicher und politischer Druck der internationalen Gemeinschaft Israel dazu zwingen könne, allen palästinensischen Forderungen zuzustimmen, ohne jegliche Kompromisse bei territorialen Fragen. Im Gegenzug wird der palästinensischen Führung der Anreiz genommen, auf Premierminister Netanyahus Angebot einzugehen, unverzüglich und ohne Bedingungen mit Verhandlungen zu beginnen.

Dabei sind derartige Gespräche gerade jetzt besonders wichtig, um die grauenhafte Spirale der Gewalt zu durchbrechen, die in den letzten Wochen wieder an Stärke gewonnen hat. Beide Seiten müssen an den Verhandlungstisch zurückkehren und beide müssen zu Zugeständnissen bereit sein. Für die Israelis bedeutet dies den Rückbau von Siedlungen sowie dem Westjordanland grössere Autonomie zu gewähren. Für die Palästinensische Autonomiebehörde bedeutet es nicht nur, auf Gewalt gegen israelische Zivilisten zu verzichten, sondern ebenso, sich von der Hamas und anderen terroristischen Vereinigungen zu distanzieren und die Notwendigkeit eines territorialen Kompromisses durch Landtausch zu akzeptieren.

BDS stellt sich gegen sämtliche Bemühungen um Verhandlungen, bei denen nicht als Grundvoraussetzung eingeräumt wird, dass Israel ein Apartheidstaat ist. Stattdessen weigern sich viele der Anführer, Israels Existenzberechtigung als Nationalstaat für das jüdische Volk anzuerkennen. Dadurch stärken sie Radikale auf beiden Seiten, die keinerlei Wunsch nach einer friedlichen Lösung des Konflikts haben.

Viele liberale Aktivisten wie Tatchell – dessen Einsatz für LGBT-Rechte ich sehr bewundere – haben mit der BDS-Bewegung gemeinsame Sache gemacht, in der Hoffnung, auf Israel den nötigen Druck zur Beendigung der Besetzung auszuüben und den Palästinensern im Westjordanland grössere Selbstbestimmung zu bieten. Sie scheinen zu glauben, dass eine Bewegung, die sich für gewaltfreie Taktiken ausspricht, auch zwangsläufig die beste Möglichkeit darstellt, dauerhaften Frieden zu erreichen. Doch BDS ist radikal gegen die Beilegung des Konflikts durch Verhandlungen und vereint zunehmend Fanatiker aller Richtungen, denen die Redeweise von BDS-Anführern wie Barghouti nur recht ist.

Tatchell und viele BDS-befürwortende Akademiker sind der Ansicht, dass sich Israel sowohl mit der Besetzung des Westjordanlands als auch mit den bewaffneten Einsätzen in Gaza der Verletzung von Menschenrechten schuldig gemacht hat. Im Verlauf der Debatte stellte ich dem Publikum und meinem Gegenspieler folgende Aufgabe: Nennen Sie mir ein einziges Land in der Geschichte der Menschheit, das vergleichbaren Bedrohungen ausgesetzt war wie Israel und das eine bessere Bilanz bei der Einhaltung der Menschenrechte, der Rechtsstaatlichkeit und der Vermeidung ziviler Opfer vorzuweisen hat.

Ich hatte die Zuhörer gebeten, den Namen eines solchen Landes zu rufen. Was folgte, war völlige Stille. Schliesslich rief jemand „Island“ und alle lachten. Wenn das Beste wie das Schlechteste behandelt wird, so wie die BDS-Bewegung Israel die alleinige Schuld gibt, sollte man nicht mit dem Finger auf den Beschuldigten zeigen, sondern auf die Kläger. Letztendlich wurde der „Prozess“ gegen BDS nicht gewonnen, weil die Debattierenden so gut (oder schlecht) Vergleiche ziehen können, sondern weil ich die moralische Schwäche der BDS-Bewegung selbst aufdecken konnte.

Alan Dershowitz ist emeritierter Professor für Recht an der Harvard Law School. Dieser Kommentar erschien ursprünglich in der Online-Version der “The Jerusalem Post.”