EU hilft Israel-Boykotteuren

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European Commission Flags Foto von Sébastien Bertrand. Lizenziert unter CC BY 2.0 über Wikimedia Commons. BDS Foto von Takver. Lizenziert unter CC BY-SA 2.0 via Wikimedia Commons.
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Die Verordnung der Europäischen Union, israelische Waren aus den umstrittenen Gebieten fortan besonders zu kennzeichnen, spielt der Boykottbewegung in die Karten. Ihre Folgen werden vor allem in politischer Hinsicht gravierend sein – und in ökonomischer nicht zuletzt die Palästinenser hart treffen.

Wie nicht anders zu erwarten, hat die EU-Kommission unter der Woche beschlossen, dass künftig Erzeugnisse israelischer Firmen, die ihren Standort im Westjordanland, in Ostjerusalem oder auf den Golanhöhen haben, bei der Einfuhr in Mitgliedsländer der Europäischen Union gesondert gekennzeichnet werden müssen. Die Herkunftsangabe darf nun nicht mehr «Israel» lauten. Bezeichnend ist dabei vor allem die offizielle Begründung für diese Entscheidung: Als «Schritt zu mehr Transparenz» wird die Massnahme verkauft, schliesslich hätten Käufer das Recht zu erfahren, ob ein Produkt aus diesen Gebieten oder aus dem israelischen Kernland stammt. «Konsumenten-» respektive «Verbraucherschutz» nennt man so etwas, und das heisst hier: Der Konsument muss geschützt werden vor den hinterlistigen jüdischen Täuschereien und Tricksereien. Sonst greift er am Ende noch arglos nach einer Anti-Aging-Augencreme mit Mineralien aus dem Toten Meer, nach einem Rotwein vom Golan oder nach einer Avocado aus Ariel – und macht sich so zum Komplizen der grausamen zionistischen Besatzungs- und Apartheidpolitik.

Schuld hat der jüdische Staat
In erster Linie hat die Verordnung also politische Gründe. Im privaten Gespräch räumten EU-Diplomaten dann auch ein, «dass Brüssel mit der Etikettierungsrichtlinie Druck auf Jerusalem ausüben wolle», wie Pierre Heumann in der «Basler Zeitung» schreibt. «Es sei die Antwort auf den Ausbau des Siedlungsprojektes und den festgefahrenen Friedensprozess.» Dass es immer noch offizielle palästinensische Politik ist, ganz Israel als illegales Siedlungsprojekt zu betrachten und kategorisch abzulehnen, und dass die Palästinenser auch ansonsten alles tun, um den Friedensprozess vor die Wand zu fahren – Stichworte: Raketen, Bomben, Messerattentate –, das alles hält die EU offenkundig für vernachlässigenswert. Schuld hat für sie ausschliesslich der jüdische Staat. Die neue Verordnung ist deshalb auch ein indirekter Boykottaufruf, sehr zur Zufriedenheit der Palästinensischen Autonomiebehörde, der Hamas und ihrer Schergen von der BDS-Bewegung.

Die politische Bedeutung des Beschlusses reicht aber noch weiter: Dass auch Produkte vom Golan gekennzeichnet werden sollen, bedeutet in der Konsequenz, dass die EU dieses Gebiet am liebsten an Syrien zurückgegeben sähe. Den in Not geratenen Menschenschlächter Bashar al-Assad wird das zweifellos freuen. Und die Kennzeichnung von Erzeugnissen auch aus Siedlungen, die nach jedem bisher veröffentlichten Friedensplan israelisch bleiben würden, spielt den Feinden des jüdischen Staates, die eine «Befreiung ganz Palästinas» fordern – von den Juden nämlich –, voll und ganz in die Karten. «Die Verordnung unterscheidet innerhalb der 1967 eroberten Gebiete zwischen Waren, die dort in ‹israelischen Siedlungen› oder anderswo produziert wurden», sagte der Berliner Rechtsanwalt Nathan Gelbart gegenüber Audiatur Online. «Da in Siedlungen bekanntlich keine Datteln gezüchtet werden, wird bei der Herkunft des Produktes selektiert, ob der das Feld bestellende Dattelbauer Jude oder Araber ist. Ist er Jude, muss der Hinweis ‹israelische Siedlung› angebracht werden, ist er Araber, lautet die Bezeichnung ‹Palästina›.» So nehme die EU vorweg, was erst in Verhandlungen festzulegen wäre.

Tausende Palästinenser arbeitslos
Zudem lasse die Verordnung offen, so Gelbart weiter, wie es sich mit gemeinschaftlich betriebenen Produktionsstätten (Joint Ventures) verhält. «Ein weiterer europäisch-bürokratischer Unsinn, der von allen über 200 bestehenden territorialen Konflikten weltweit nur Israel betrifft und damit diskriminiert. Ein Beitrag zum Friedensprozess ist den von der BDS-Bewegung motivierten EU-Bürokraten damit nicht gelungen – genau das Gegenteil ist der Fall.» Wie gross der finanzielle Schaden für die betroffenen Betriebe und die israelische Wirtschaft sein wird, ist noch nicht genau zu taxieren. Fest steht aber schon jetzt: Die Massnahme der EU wird auch und vor allem die Palästinenser hart treffen. Dem palästinensischen Menschenrechtler Bassam Eid zufolge könnten rund 30’000 von ihnen, die derzeit in Siedlungen beschäftigt sind, arbeitslos werden. Sie wären damit «die Ersten, die den Preis für die Etikettierung zahlen müssen». Bereits bei der von antiisraelischen Boykotteuren vehement geforderten Schliessung des Werkes der Firma «SodaStream» in Ma’ale Adumin vor einem Jahr verloren 500 palästinensische Angestellte ihren Arbeitsplatz.

Solche – vollkommen vorhersehbaren – Konsequenzen machen einmal mehr deutlich, dass es weder den Israel-Boykotteuren von der BDS-Bewegung noch der Europäischen Union um das Wohl der Palästinenser geht. Ihr Ziel ist es vielmehr, dem jüdischen Staat zu schaden. Von einem «eindeutigen Prozess zur Delegitimierung Israels» sprach dann auch die israelische Vize-Aussenministerin Tzipi Hotovely. Scharfe Kritik an der EU kam aber nicht nur vonseiten der Regierung, sondern auch aus dem Lager der Opposition. «Just zu einer Zeit, in der Juden wahllos auf Israels Strassen niedergestochen werden, gibt Europa dem Druck der Boykottbewegung nach. Das ist eine antisemitische Entscheidung», sagte Yair Lapid, der Vorsitzende der liberalen Partei Yesh Atid. Itzik Shmuli, Abgeordneter des Zionistischen Lagers, befürchtet, dass die Konsumenten künftig gleich «sämtliche israelischen Produkte meiden». Und Nissim Smolianski von der Partei Jüdisches Heim riet Brüssel ironisch, doch gleich «alle unsere Bürger, die sich im Gebiet der EU aufhalten, zu kennzeichnen».

Die EU-Verordnung werde «die Palästinenser in ihrer hartnäckigen Weigerung zu verhandeln bestärken», hiess es in einer Stellungnahme des israelischen Aussenministeriums. «Sie stärkt die radikalen Elemente, die einen Boykott Israels vorantreiben und uns unser Existenzrecht verweigern.» In der Tat dürfte der politische Schaden, den der Kennzeichnungsbeschluss aus Brüssel anrichtet, weit grösser sein als der ökonomische, denn Erzeugnisse aus den Siedlungen machen weniger als ein Prozent der israelischen Exporte aus. Die Folgen hinsichtlich einer weiteren Dämonisierung, Delegitimierung und Isolierung des jüdischen Staates dagegen werden ungleich gravierender ausfallen.

Über Alex Feuerherdt

Alex Feuerherdt ist freier Autor und lebt in Köln. Er hält Vorträge zu den Themen Antisemitismus, Israel und Nahost und schreibt regelmässig für verschiedene Medien unter anderem für die «Jüdische Allgemeine» und «Mena-Watch». Zudem ist er der Betreiber des Blogs «Lizas Welt». Gemeinsam mit Florian Markl ist er Autor von »Vereinte Nationen gegen Israel«, erschienen bei Hentrich & Hentrich 2018.

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1 Kommentar

  1. Ich habe schon immer israelische Produkte gekauft und werde
    das auch weiterhin tun. Die EU hat einmal mehr bewiesen, dass sie keine
    Organisation ist, die die nächsten hundert Jahre überstehen wird. Es ist
    einfach zu leicht, sie in die falsche Richtung zu locken. Und ein weiteres
    wird deutlich: Die EU tut nicht mal so, als würde sie sich für die
    Wirtschaftskraft Palästinas interessieren. Palästina wird von NGO’s finanziert,
    Israel dagegen hat eine freie Marktwirtschaft. Wie man die treffen kann, weiß
    man im Regulierungs-Brüssel, die NGO-Wirtschaft in Palästina hingegen hat Brüssel erst selbst errichtet. Man wird beim Verlust der Arbeitskräfte einfach ein paar Millionen
    Euro mehr überweisen – und Israel die Schuld daran geben. Zum kotzen!

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