Sind Sie zufällig ein Künstler und haben den Wunsch, irgendwann in der Zukunft einmal öffentlich aufzutreten? Wenn ja, sollten Sie profundes Wissen über weltpolitische Angelegenheiten mitbringen – und stellen Sie ja sicher, dass Sie die „korrekten“ Ansichten vertreten.
Wenn Sie glauben, die einzige notwendige Voraussetzung sei, in der von Ihnen gewählten Kunstform zu brillieren und zuzusehen, dass Sie genug Publikum anziehen, liegen Sie falsch. Das reicht nicht mehr – ganz sicher nicht, wenn Sie Jude sind.
Dieser Tage erreichte uns die Nachricht, dass ein spanisches Musikfestival den geplanten Auftritt von Matisyahu, einem amerikanischen Reggaemusiker, abgesagt hat. Matisyahu wurde als der „chassidische Reggaestar“ berühmt, wandte sich aber 2011 vom orthodoxen Judaismus ab. Er hat seinen Bart abrasiert und trägt auch keine Kippa mehr, ist aber nach wie vor stolz auf seine jüdische Identität. Nächstes Wochenende, am 22. August, hätte er auf dem Rototom-Sunsplash-Festival in Benicassim, nördlich von Valencia, auftreten sollen.
Zum Schaden all derer, die einfach nur an Musik interessiert sind, erfuhren örtliche Unterstützer der „Boycott, Divestment and Sanctions“-Aktivisten (BDS) von Matisjahus geplantem Auftritt. Sie behaupteten, Matisyahu sei Unterstützer „eines Apartheidstaates, der ethnische Säuberungen praktiziert“ und verlangten vom Festival, den Auftritt abzusagen.
Natürlich ist Matisyahu nicht der erste Jude, gegen den diese Art von Druck ausgeübt wird. In Europa, und mehr und mehr auch in Amerika, muss jeder aus Israel stammende Künstler damit rechnen, im Namen „progressiver“ Werte beschimpft und diffamiert zu werden. In London wurde schon versucht, Auftritte des Jerusalemer Streichquartetts und des Israel Philharmonic Orchestra zu verhindern. Als diese dennoch stattfanden, störten Demonstranten sie mit obszönen Einlagen und Drohungen. Dasselbe widerfuhr israelischen Theatergruppen wie Habima, deren Schauspieler beleidigt und diffamiert wurden, während sie für das Shakespeare’s Globe Theatre auf der Bühne standen und versuchten, „Der Kaufmann von Venedig“ aufzuführen. Offenbar sah keiner der Störer die Ironie, die darin liegt, ausgerechnet während dieses Theaterstücks Juden auf der Bühne zu diffamieren.
Jüdische israelische Künstler haben sich daran gewöhnt, dass sie auf diese Weise ins Visier genommen und diffamiert werden. Doch die Behandlung Matisyahus ist etwas Neues. Denn Matisyahu ist kein Israeli, er ist Amerikaner. Nach der Intervention der BDS-Protestler tat der Leiter des Festivals etwas, von dem er sicherlich annahm, es sei eine ganz und gar vernünftige Forderung: Filippo Giunta bat Matisyahu, eine „unterzeichnete Stellungnahme oder ein Video“ zu erstellen, worin er „auf sehr deutliche Art“ erklären solle, dass er die Gründung eines palästinensischen Staates unterstütze. Dies wurde zur Bedingung eines etwaigen Auftritts gemacht. „Wenn Sie diese Bedingung unterschreiben, können Sie auftreten“, sagte der Festivalleiter dem Künstler.
Verständlicherweise weigerte sich Matisyahu, diesem Ultimatum nachzukommen, woraufhin die Organisatoren des Festivals seinen Auftritt absagten, der einer von einer Reihe von Auftritten Matisyahu in Europa und Amerika hätte sein sollen. (Das spanische Reggae-Festival Rototom Sunsplash hat die Ausladung des jüdischen US-Musikers Matisyahu in der Zwischenzeit zurückgenommen. Anm. d. R.)
Es ist zu hoffen, dass es jedem, der an künstlerische Freiheit glaubt und politische Einschüchterung ablehnt, möglich sein wird, das nächstgelegene Konzert Matisyahus zu besuchen, unabhängig davon, ob er Reggae mag oder nicht. Bei mir persönlich hat die Handlungsweise der Festivalorganisatoren zum ersten Mal überhaupt die Neigung geschaffen, ein solches Konzert zu besuchen.
Vielleicht könnten wir zudem einige andere geostrategische Fragen ersinnen, die von allen anderen Künstlern in Zukunft zu beantworten sind. Spanien hat, wie fast jedes Land der Welt, seine eigenen Grenzkonflikte. Vielleicht sollten spanische Künstler aus den Feldern des Pops und der klassischen Musik von nun an über ihre politischen Einstellungen ausgefragt werden, bevor man ihnen erlaubt, im Ausland aufzutreten? Die ganze Katalonienproblematik z.B. ist in Spanien sehr angespannt und umkämpft, zur Frage der Unabhängigkeit gibt es auf beiden Seiten immer harschere Ansichten. Sollte der Rest der Welt vielleicht von allen aus Spanien stammenden Künstlern verlangen, dass sie eine Erklärung unterzeichnen oder ein Video drehen, woraus hervorgeht, dass sie die katalonische Unabhängigkeit unterstützen, bevor ihnen erlaubt wird, in der Öffentlichkeit aufzutreten? Selbstverständlich könnten wir bald die eine, bald die andere Position unterstützen – und Spaniens Künstler jede unserer Volten nachvollziehen lassen. Vielleicht könnten wir dann entscheiden, dass auch die Bürger anderer Länder sich unseren die spanischen Grenzen betreffenden Launen anzuschliessen und entsprechend zu parieren haben?
Das wäre natürlich dreist, auch dann, wenn es irgendein anderes Land betreffen würde. Es ist immer wieder erhellend, dass nur ein einziges Land, nur eine einzige geopolitische Frage auf diese Weise behandelt wird. Meines Wissens nach wird nirgendwo auf der Welt von türkischen Künstlern verlangt, die illegale Besatzung Nordzyperns zu verurteilen – eine Besatzung, die seit über vier Jahrzehnten andauert und die Hälfte des Territoriums eines EU-Landes betrifft. Eine solche Forderung wäre in Spanien oder einem anderen EU-Land viel eher angemessen. Und ganz sicher ist noch niemals von einem Nichttürken verlangt worden, dass er zu einem Rückzug der türkischen Streitkräfte und türkischen Bürger aus Zypern aufruft, bevor man ihm erlaubt, in der Öffentlichkeit aufzutreten.
Auch Forderungen im Hinblick auf die Westsaharafrage sind noch nie auf diese Art erhoben worden. Beide Angelegenheiten – um nur zwei zu nennen – sind für spanische Bürger viel näher. Das eine Gebiet liegt nur ein paar Kilometer südlich, das andere betrifft ein Land, das wie Spanien EU-Mitglied ist.
Doch von einem Künstler als Vorbedingung eines Auftritts eine solche Handlung oder Erklärung zu verlangen, wäre nicht nur empörend, sondern dies würde auch als absurd betrachtet werden. Wie ist es dann möglich, dass die BDS-Kampagne eine solche Forderung erhebt und dass ein Festival ein Konzert absagt und dies mit der Nichterfüllung dieser grotesken Forderung begründet?
Die Antwort darauf ist der Wahn unserer Zeit. Eine Zeitlang wurden nur israelische Juden zu Ausgestossenen unter den Nationen erklärt, weil es einen ungelösten Grenzkonflikt gibt, in den ihr Land involviert ist. Jetzt können Juden aus allen Ländern der Welt auf dieselbe Art in die Mangel genommen werden. Juden werden ausgesondert – Juden und Juden allein. Dass sie die Juden aussondern, egal an welchem Ort, macht ihre rassistische Motivation mehr als deutlich. Wenn die Organisatoren des Rototom-Sunsplash-Festivals sich an dem rassistischen Wahn beteiligen wollen, dann sind sie es – und nicht die Juden –, die die Welt zu Ausgestossenen erklären muss.
Zusammenfassung eines Originalbeitrags von Douglas Murray via Gatestone Institute. Übersetzung Stefan Frank.