UNO, EU, USA: Kommentare zu Morden in Itamar und Duma

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Sitzung des UN-Menschenrechtsrats. Foto UN Photo
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Im Nahen Osten hat es zahlreiche Anschläge auf unschuldige Zivilisten gegeben. Unter ihnen ragen zwei Anschläge heraus, die in der Welt grosse Aufmerksamkeit erhielten und Verurteilungen nach sich zogen.

Am 31. Juli 2015 wurde bei einem Brandanschlag auf ein Haus im Dorf Duma bei Nablus ein 18 Monate altes Baby getötet. Vier Familienangehörige erlitten schwere Brandverletzungen. Im März 2011 wurden nur 20 Kilometer von Duma entfernt, in der israelischen Siedlung Itamar, fünf Mitglieder der jüdischen Familie Fogel in ihren Betten erstochen, darunter drei Kleinkinder. Die UNO hatte in beiden Fällen eine offizielle Verurteilung der Mordtaten veröffentlicht, 2011 und 2015. In beiden Fällen war UNO Generalsekretär Ban Ki Moon federführend.

Ein pro-israelischer Blog „firstone Through“ hat einen Vergleich beider UNO-Erklärungen nach rein formalen Kriterien durchgeführt:

Textlänge: 2011:  220 Worte;    2015:    422 Worte
Erwähnung von Terrorismus: 2011:  3x;    2015:    keine Erwähnung.
Beschuldigung von Tätern: 2011:    (namenlose) „Eindringlinge“,  2015: „Täter eines terroristischen Aktes“, „Siedlergewalt“ , „ Israels illegale Siedlungspolitik“, „heimtückischer Mord“, „terroristisches Verbrechen“, „Mord mit politischem Ziel“, „bösartiger Brandanschlag vermuteter jüdischer Extremisten“.
Erwähnung anderer Terroranschläge: 2011:    keine Erwähnung palästinensischer Anschläge;    2015:  „Fortgesetzte Straflosigkeit bei Siedlergewalt“
Politiker-Kommentare: 2011:  Die UNO begrüsste die „starke Verurteilung von Präsident Mahmoud Abbas und der palästinensischen Führung“ ;   2015: „starke Verurteilungen“ der Israelischen und Palästinensischen Regierungen und politischen Führer.
Ursache für Verbrechen: 2011:    Keine Angabe.    2015: Der „fortlaufende Mangel, effektiv die Straffreiheit wiederholter Akte von Siedlergewalt anzugehen“. Die „Abwesenheit eines politischen Prozesses und Israels illegale Siedlungspolitik“, sowie die „unnötige Praxis, palästinensische Häuser zu zerstören“.
Bilder: 2011 : Eine Wasser trinkende Ziege vor einem kahlen Feld und im fernen Hintergrund auf einem Hügel Bäume der Siedlung Itamar. 2015: Der Sonder-botschafter für den Nahost-Friedensprozess, Nickolay Mladenov, neben Flaggen.

Die EU-Reaktionen
Auch die offizielle Reaktion der EU ist einen Vergleich wert. 2011 hat die EU kein eigenes Dokument veröffentlicht, sondern dem Nahost-Quartett die Verurteilung überlassen. 2015 gab es eine ausführliche Reaktion des Sprechers der EU Kommission.

Länge der Erklärung: 2011: 94 Worte.      2015: 186 Worte
Namen der Opfer: 2011:  Fünfköpfige israelische Familie, darunter drei junge Kinder. 2015: Kleinkind Ali Dawabsha, seine Familie und ein Bruder des getöteten Ali.
Täter: 2011:   Keine Erwähnung. 2015: „Vermutlich extremistische Siedler“.
Motiv: 2011:  „Attacken auf jegliche Zivilisten sind unter allen Umständen völlig inakzeptabel“. 2015: „Kaltblütiges Killen“.
Darstellung: 2011: Gewalttätiger Mord,    2015: „Kaltblütiges Killen“, „tragischer Verlust“, „dramatische Situation in der Region“, „schreckliche Attacke“, „Spirale der Gewalt“, „angespannte Situation am Boden“.
Politiker: 2011: Begrüsst die starke Verurteilung durch Präsident Abbas und die palästinensische Führung. 2015: Keine Erwähnung von Verurteilungen (durch die israelische Führung, Rabbiner und Demonstrationen)
Forderungen: 2011: Die verantwortlichen (Täter) sollen zur Rechenschaft gezogen werden. (Unerwähnt bleibt, wer das tun sollte).  2015: Die israelischen Behörden sollten resolute Massnahmen ergreifen, um die lokale (palästinensische) Bevölkerung zu schützen. Aufruf zu voller Rechenschaft, effektives Durchsetzen der Gesetze und null Toleranz für Siedlergewalt.

Zusammenfassung: Die UNO wie die EU wenden für die jüdischen Opfer von 2011 jeweils nur halb so viele Worte auf, wie für den Tod des palästinensischen Kindes.
Während 2011 die namentlich nicht genannte Fogel-Familie in Itamar von vermeintlichen Unbekannten ermordet worden ist, wurde das palästinensische Baby 2015 nicht nur namentlich mitsamt seiner Familie wähnt. Die Täter waren „mutmasslich jüdische Extremisten“. Die israelische Regierung wird zum Durchgreifen aufgerufen. Das Wort „Terror“ in jeglichen Abwandlungen kommt 2011 nicht vor und wird 2015 allein für Juden verwendet. Auffällig ist auch, dass die UNO wie das Nahostquartett, zu dem EU und die USA gehören, die Verurteilung des palästinensischen Präsidenten zu dem Mord an der „israelischen Familie“ betonen. 2015 haben israelische Spitzenpolitiker, darunter Staatspräsident Reuven Rivlin und Premierminister Benjamin Netanjahu, nicht nur den Anschlag in Duma mit scharfen Worten verurteilt. Sie haben auch die Verletzten in den Hospitälern besucht. Es gab mehrere spontane Demonstrationen auf den Strassen Israels und Rabbiner sind neben Politikern zu dem Haus in Duma gefahren, um ihr Mitgefühl auszusprechen. Ein Onkel des ermordeten Kindes sprach zu den Demonstranten in Tel Aviv. Das alles ist für UNO und EU keine Erwähnung wert.

Es sei hier auch erwähnt, dass weder Abbas noch sein Vorgänger Jassir Arafat jemals jüdisch/israelische Opfer von palästinensischem Terror besucht haben, während sowohl König Hussein von Jordanien wie israelische Politiker durchaus diese Geste gegenüber palästinensischen Opfern gemacht haben.

Ebenso sollte hier erwähnt werden, dass der israelische Geheimdienst die beiden Täter von 2011 im palästinensischen Dorf Awarta verhaftet hat. Sie wurden zu lebenslänglichen Haftstrafen verurteilt. Umgekehrt hat sich die palästinensische Autonomiebehörde in keinem bekannten Fall mit der Verhaftung eines Mörders von Juden hervorgetan. Im Gegenteil. Die Mörder und ihre Angehörigen erhalten fette Renten (von der EU mitfinanziert) und höchste Ehrungen.

Die Formulierungen, die Forderungen nur an die israelische Seite, das Lob für die Verurteilung durch Präsident Abbas 2011, während israelische Reaktionen 2015 ignoriert werden, sprechen allesamt eine klare Sprache. Sie bedürfen keines weiteren Kommentars. UNO wie die EU stellen ihre moralische Autorität und damit auch ihre Fähigkeit, als neutrale Vermittler im Nahen Osten aufzutreten, gehörig in Frage.

Abschliessend noch ein kurzer Blick auf die USA. Zu dem Anschlag auf die Fogelfamilie 2011 liegt keine separate amerikanische Stellungnahme vor. Da haben sich die Amerikaner der Verurteilung des Nahostquartetts angeschlossen. Zu dem Mord an dem palästinensischen Kind 2015 hat das State Departement eine kurze Erklärung mit nur 122 Worten veröffentlicht. Wie UNO und EU reden die USA von einem „heimtückischen Terrorangriff“. Doch im Gegensatz zu UNO und EU loben die USA im zweiten Abschnitt die Anweisungen von Premierminister Netanjahu an die Sicherheitskräfte, mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln die Mörder aufzuspüren, wegen etwas, „was er (Netanjahu) selber als Terrorakt bezeichnet“ hat. Die USA rufen alle Seiten auf, die Ruhe zu wahren und eine Eskalation der Spannungen angesichts dieses „tragischen Vorfalls“ zu wahren.

Über Ulrich W. Sahm

Ulrich W. Sahm, Sohn eines deutschen Diplomaten, belegte nach erfolgtem Hochschulabschluss in ev. Theologie, Judaistik und Linguistik in Deutschland noch ein Studium der Hebräischen Literatur an der Hebräischen Universität in Jerusalem. Seit 1975 ist Ulrich Sahm Nahost-Korrespondent für verschiedene deutschsprachige Medien und berichtet direkt aus Jerusalem.

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