ISIS-Angriffe gegen den Westen

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Die Blutige Hand von ISIS im Nahen Osten. Illustration durch M.Ryder
Lesezeit: 4 Minuten

Der Anschlag auf einen Mohammed-Karikaturenwettbewerb in Garland (Texas) am 3. Mai löste viele Diskussionen über die Verbindung der Angreifer zum auch ISIS, ISIL und Daesh genannten Islamischen Staat aus. Wurden sie von ISIS als Akteure genutzt? Sind sie Teil eines neuen Terror-Netzwerks im Westen?

Die Jihadisten von Garland hatten eindeutig einige Verbindungen zu ISIS: Ihr Anführer, Elton Simpson, nutzte Twitter, um Gewaltaufrufe mit Mohammed Abdallahi Hassan (ein 25-jähriger, der auch als Mujahid Miski bekannt ist) auszutauschen; Hassan ist ein ISIS-Anwerber, der in Minneapolis aufwuchs. Am 23. April twitterte Hassan: „Die Brüder des Angriffs auf Charlie Hebdo erledigten ihren Teil. Es ist an der Zeit, dass die Brüder in den USA ihren Teil tun.“ Angehängt war eine Story von Breitbart über den Mohammed-Karikaturenwettbewerb. Das scheint das zu sein, was Simpson auf die Veranstaltung in Garland aufmerksam machte; Simpson retweetete diesen Aufruf und antwortete: „Wann werden sie es endlich lernen. Sie planen die besten gezeichneten [Mohammed-] Bilder in Texas auszusuchen.“ Hassan reizte Simpson dann weiter: „Ein Einzelner ist in der Lage einen ganzen Staat in die Knie zu zwingen.“

Der Tweet, der den Anschlag startete, der zehn Tage später in Garland (Texas) stattfand. Quelle Twitter
Der Tweet, der den Anschlag startete, der zehn Tage später in Garland (Texas) stattfand. Quelle Twitter

Nach dem Anschlag in Garland beanspruchte ISIS die Urheberschaft für sich und nannte die Bewaffneten – Simpson (30) und Nadir Hamid Soofi (34) „zwei Soldaten aus den Soldaten des Kalifats“, deren Tode ihnen „den höchsten Rang im Paradies“ einbringen würde. ISIS‘ Radio Bayan nutzte den Anschlag aus, um die Amerikaner zu warnen, dass „das, was kommt, schlimmer und bitterer werden“ wird, wobei „Soldaten des Islamischen Staats furchtbare Dinge“ tun werden.

Elton Simpsons Treueschwur an den Führer von ISIS: Der Bruder bei mir und ich selbst haben Amirul Mu'minin bay'ah gegeben. Möge Allah uns als Mudschaheddin annehmen. Quelle Twitter
Elton Simpsons Treueschwur an den Führer von ISIS: Der Bruder bei mir und ich selbst haben Amirul Mu’minin bay’ah gegeben. Möge Allah uns als Mudschaheddin annehmen. Quelle Twitter

Doch soweit bekannt nahmen weder Simpson noch Soofi Geld, erhielten auch keine Waffen oder Ausbildung von ISIS; sie diskutierten ihre Pläne nicht mit der Gruppe und holten auch seine Genehmigung zum Vorgehen ein. Auch besuchte keine von beiden Syrien oder den Irak.

Das passt in ein Muster: ISIS plant und lenkt keine Anschläge, sondern nutzt Vorteile seines hohen Bekanntheitsgrades, um Muslime aufzuhetzen und gegen ihre nicht muslimischen Nachbarn zu kehren, wie es bereits in Oklahoma City geschah. Er bietet spirituelle Führung, Zielauswahl und Inspiration; er hat nichts mit Logistik, Kommando und Kontrolle zu tun. Wenn er Verantwortung beansprucht, dann für die Inspiration, nicht für die Organisation.

Daher kann man vermutlich ISIS‘ Angabe, man habe 71 Soldaten in 15 der US-Bundesstaaten ausgebildet, die „bereit sind auf unser Wort hin jedes von uns gewünschte Ziel anzugreifen“, als Prahlerei abtun, erst recht die 23 davon, die sich für „Einsätze wie den von Garland“ als Freiwillige gemeldet haben. Allerdings verfolgen US-Gesetzeshüter tausende Einzelpersonen wie Simpson und Soofi, die mit ISIS kommunizieren und jederzeit in Gewalt ausbrechen könnten. Die Jahre lange Überwachung von Simpson erwies sich am Ende als untauglich. Das Konzept des „einsamen Wolfs“ ist in einer Zeit des globalen Jihad irrelevant geworden, wenn jeder fromme Muslim ein potenzieller „Soldat des Kalifats“ ist.

Anders als Al-Qaida (deren Modell wir kennen), die intensiv mit ihren Akteuren kommuniziert und ihre Schritte detailliert führt, betreibt ISIS nicht in erster Linie im Geschäft der Organisation aufwändiger Pläne für Anschläge auf westliche Ungläubige. Er zielt eher darauf das Territorium im Nahen Osten (wie in Libyen, dem Jemen, Syrien und dem Irak) zu kontrollieren. Er fordert westliche Muslime auf nach Syrien zu kommen; Anschläge im Westen sind nur eine Ersatzfunktion, die in vor allem durch den Schmuggel von Mitgliedern über das Mittelmeer nach Europa gefördert wird.

Gleichwohl ist das ISIS-Modell gefährlicher. Seine Anschläge mögen amateurhaft und weniger tödlich sein als die von Al-Qaida, aber sie können potenziell weit öfter stattfinden. Seine Anschläge sind einfacher zu verhindern, aber schwerer vorauszusehen. Der Ansatz von ISIS ist effektiver, wenn man nicht die Leichen zählt, sondern die politischen Auswirkungen – dass zum Beispiel davon abgeraten wird Mohammed lächerlich zu machen.

Mit anderen Worten: Inspirierende Verbindungen sind Besorgnis erregender als organisatorische. ISIS muss lediglich den Namen eines Ziels in seiner Zeitschrift nennen oder in sozialen Medien Ermutigung twittern und eine mögliche Armee ist verständigt; er muss keine sichere Kommunikation entwickeln, keine Kader ausbilden, Geld über Grenzen schicken, Ziele auswählen und gründlich beobachten, Angriffe befehlen und taktische Anweisungen geben.

Eine Analyse der BBC verfehlt das Ziel, wenn sie behauptet, sollte ISIS „beweisen können, dass er [den Anschlag von Garland] plante und leitete – statt einfach hinterher Ansprüche anzumelden – dann ist das eine bedeutsame Entwicklung“. Stimmt nicht; ISIS ist viel beeindruckender, weil es nicht plant und steuert, sondern einfach redet und schreibt.

In der Tat stellt ISIS, genauso wie das iranische Regime die grösste Gefahr des Nahen Ostens darstellt, die nächste, weiter entwickelte und bedrohlichste Form der islamistischen Gewalt im Westen dar. Werden diese tödlichen Feinde rechtzeitig erkannt werden?

Von Daniel Pipes. Zuerst erschienen in “The Washington Times”. Daniel Pipes (www.DanielPipes.orgist Präsident des Middle East Forum. Übersetzung H. Eiteneier.