Breaking the Silence – „Propaganda für den internationalen Konsum“

4
Eine IDF Fallschirmjäger-Brigade im Gazastreifen bei einem der zahlreichen Hamas Terror-Tunnel. Foto IDF
Lesezeit: 8 Minuten

Der ehemalige AP-Reporter Matti Friedman, der letztes Jahr mit seiner Kritik an der Israelberichterstattung seines früheren Arbeitgebers und anderer Nachrichtenkonzerne Furore machte, hat sich den neuen Bericht von Breaking the Silence angesehen. Dieser sei sensationsheischend und ohne Substanz.

von Stefan Frank

„Breaking the Silence“ heisst auf Deutsch so viel wie: „Das Schweigen brechen“, was schon merkwürdig ist, wo Schweigen doch zu den Fähigkeiten gehört, die bei denjenigen, deren Applaus und Geld die Gruppe erhält, am allerwenigsten ausgeprägt ist. Kürzlich veröffentliche diese Firma wieder einmal einen Bericht, der sich angeblichem israelischem Fehlverhalten widmete, diesmal ging es um die Operation Protective Edge im Sommer 2014 (Audiatur Online berichtete)

Unter denen, die harsche Kritik an Breaking the Silence üben, ist auch jemand, der tatsächlich von sich behaupten kann, schon einmal in einer moralisch wichtigen Angelegenheit das Schweigen seiner Zunft gebrochen zu haben: Matti Friedman. Seit 1995 lebt er in Israel, seit 1997 berichtet er als Journalist über das Land. Von 2006 bis 2011 war er Reporter und Redakteur des Jerusalemer Büros von Associated Press, einer der beiden grössten Nachrichtenagenturen der Welt. Letztes Jahr veröffentlichte er einen bahnbrechenden Essay , in dem er, der Insider, erzählte, wie die Verantwortlichen bei AP – und auch die anderer Nachrichtenagenturen – jede Berichterstattung über den arabisch-israelischen Konflikt so trimmen, dass sie in den vorgegebenen ideologischen Rahmen „Israel bekämpft arme Palästinenser“ passt. (Dazu gehörte beispielsweise, dass AP 2009 entschied, über ein sensationelles Friedensangebot des damaligen israelischen Ministerpräsidenten Ehud Olmert an PA-Präsident Mahmoud Abbas, das von Letzterem abgelehnt wurde, nicht zu berichten.)

Friedman, das ist erwähnenswert, rechnet sich selbst der politischen Linken zu. Doch er gehört nicht zu denjenigen, die von Selbsthass und Nihilismus getrieben sind; er will Israel verbessern, nicht zerstören. Das unterscheidet ihn von linken NGOs wie Breaking the Silence.

Als Friedman am 5. Mai auf seiner Facebookseite einen Kommentar zum neuen BtS-Bericht schrieb, wurde dieser schnell Hunderte Male geteilt. „Breaking the Silence wird als Organisation israelischer Veteranen dargestellt, die versuchen, Israelis zu zeigen, wie der Dienst in den besetzten Gebieten ist, um so eine politische Wirkung innerhalb der israelischen Gesellschaft zu erreichen“, schreibt Friedman. „Das war [Breaking the Silence] vor langer Zeit, und hatte damals eine wichtige Aufgabe. Heute aber ist es etwas anderes. Heute ist es, wie B’Tselem und andere, eine Gruppe, die zum grossen Teil mit europäischem Geld finanziert wird und vor allem dazu dient, internationale Reporter mit den reisserischen Beispielen israelischer Vergehen zu versorgen, nach denen sie lechzen. Sie sprechen nicht zu Israelis, sondern beuten stattdessen die einzigartig redselige und transparente Natur der Israelis aus, um diese zu verleumden.“

Die Geschäftsidee von Breaking the Silence – das als Erklärung für alle, die von dieser Organisation noch nicht gehört haben – besteht im Sammeln anonymer Zitate israelischer Soldaten (vor allem solche, in denen sich Soldaten in einer Weise über die israelische Armee äussern, die Israels Feinde für ihre Kriegspropaganda nutzen können). Friedman hält schon diese Vorgehensweise für falsch:

„Krieg ist schrecklich. Die Leute kommen zurück und sind erschüttert von dem, was sie gesehen und getan haben. Manche Beobachter sind verlässlich, andere nicht. Einige der Vorkommnisse haben sich zweifellos wie beschrieben zugetragen. Andere nicht. Infanteristen, die am Ende der Befehlskette stehen, verstehen oft nicht, was sie sehen, oder die Gründe für das, was sie tun – ich spreche hier aus Erfahrung. Dinge, die für einen Gefreiten, einen Unteroffizier oder Leutnant keinen Sinn ergeben, ergeben manchmal (keineswegs immer) mehr Sinn, wenn man in der Befehlskette ein paar Stufen höher steht. Junge Soldaten verstehen das meist nicht – ganz sicher nicht in dem Augenblick selbst und unmittelbar danach.“

So könne beispielsweise der Befehl, das Feuer zu eröffnen, einem Soldaten als „zu aggressiv“ erscheinen, weil er nicht weiss, wo er sich gerade befindet.

„Wenn du alle Informationen darüber hättest – und die hat ein Soldat nie –, würdest du vielleicht verstehen, warum. Ein Ziel, welches aus Gründen beschossen wird, die dir unbekannt sind, kann aus gutem Grund beschossen werden. Oder auch nicht. Du weisst es nicht, und in vielen Fällen (nicht in allen) ist es ein Irrtum zu glauben, du kenntest die Gründe.“ Aus derartigen „Zeugenaussagen“ allgemeine Schlussfolgerungen über die Praktiken des israelischen Militärs zu ziehen, sei „unverantwortlich“, so Friedman.

In einem Artikel für die Zeitschrift “Mosaic” hat Friedman seine Kritik nun systematisch vorgetragen und erweitert. Beim Lesen des Berichts fiel ihm vor allem der Mangel an Substanz auf. Die Frage, die sich jeder stellt, der hört, dass jemand Anklage gegen eine kriegführende Partei erhebt, lautet: Welche Verbrechen hat sie begangen? Ausgerechnet in diesem Punkt hat Breaking the Silence wenig zu bieten. Friedman:

“Wir stossen auf gutes Benehmen, schlechtes Benehmen, und zwei oder drei Fälle, die nach einer strafrechtlichen Ermittlung verlangen. Einer davon, wo ein Soldat erzählt, wie er mit seinem Panzer ohne jeden Grund auf zivile Fahrzeuge und einen Fahrradfahrer schiesst, sollte eine lange Gefängnisstrafe nach sich ziehen – wenn er denn wahr ist. Dieser Vorfall kommt mir nämlich unglaubwürdiger vor als jeder der anderen; nicht, weil ich daran zweifle, dass ein Teenager-Soldat zu gedankenloser Grausamkeit fähig ist, sondern weil es unwahrscheinlich ist, dass ein Panzerschütze mehrere Granaten und Maschinengewehrsalven auf ein leichtes Ziel abfeuern und dieses jedes Mal verfehlen kann, wie er behauptet. Selbst in diesem Fall also wird nicht davon berichtet, dass jemand getötet wurde. Tatsächlich gibt es in dem gesamten Bericht keine Vergewaltigungen, Massaker oder irgendetwas Ähnliches, oder auch nur einen einzigen Fall, bei dem ein Zivilist unter Umständen erschossen wurde, die nicht entweder als berechtigt verteidigt werden können oder als ein legitimer Irrtum auf einem Schlachtfeld, wo selbst eine Grossmutter ein Selbstmordbomber sein könnte (wie es 2006 schon passiert ist).“

Friedmans Fazit: „Die Aktivisten von Breaking the Silence sind keine Journalisten, und ihr Report beabsichtigt nicht zu erklären, sondern zu schockieren. Er ist Propaganda.“ Zeitungen verkaufen ihren Lesern diese Propaganda als Fakten, obwohl erkennbar ist, dass sie nicht einmal journalistischen Mindeststandards genügt.

Friedman kritisiert etwa die dubios zu nennenden anonymen Quellen: „Als Reporter könntest du es dir nicht erlauben, rein anonyme Aussagen zu veröffentlichen, die du gesammelt hast; aber es gehört zu den Eigenheiten des Israel-Journalismus, dass es einem erlaubt ist, anonymes Material zu benutzen, das eine politische NGO für dich zusammengestellt hat.“ Auch am Wissen über Fakten und die korrekten Begriffe hapere es, so Friedman: „Die Begriffe Mörser und Artillerie werden verwechselt (im israelischen Militär sind dies zwei Waffengattungen, die von unterschiedlichen Einheiten benutzt werden), ebenso Zug und Division. Einer der Redakteure glaubt, ein M16-Gewehr sei eine Waffe, die auf einen Panzer montiert wird.“

Statt der in Aussicht gestellten brisanten Fakten gibt es effekthascherische Überschriften: „Nachdem der Bericht versprochen hat, das Geheimnis der in Gaza getöteten Zivilisten zu lüften – in Form systematischer israelischer Verbrechen –, und nachdem, mit dieser Absicht im Kopf, aus viel längeren Interviews die am stärksten inkriminierenden Passagen ausgewählt wurden, bleibt der Bericht die Einlösung des Versprechens schuldig. Das ist vielleicht der Grund, warum die Aktivistenredakteure von Breaking the Silence die Leser nicht ihr eigenes Urteil fällen lassen wollten, sondern sich statt dessen bemüssigt fühlten, eine hitzige Einleitung voranzustellen, in der sie ankündigen, dass ihr Bericht das wahre Gesicht der Gazaoperation ,blossstelle’ – nämlich die ,verstörende’ und ,beispiellose’ Gewalt, die das israelische Militär gegen Zivilisten eingesetzt haben soll. Das ist wohl auch der Grund, warum über jeder Aussage eine Schlagzeile steht wie: ,Wenn du jemanden in Gaza erschiesst, ist das cool, keine grosse Sache’ oder: ,Die Typen waren schiesswütig, total verrückt’.“

Hart geht Friedman mit Journalisten ins Gericht, die auf solch dünner Faktenbasis moralische Urteile fällen: „Um eine Story zu haben, suggerieren die Journalisten, dass Israels Gefechtsregeln in Gaza ,locker’ gewesen seien, ohne sie mit denen irgendeiner anderen Armee zu vergleichen; gleichfalls wird gesagt, die Zahl der zivilen Opfer sei ,hoch’ gewesen, auch hier wieder ohne sie mit irgendeinem anderen Konflikt zu vergleichen.“ Ein Journalist der „Washington Post“ habe zwar pflichtschuldig bemerkt, dass die Behauptungen von Breaking the Silence „unmöglich zu überprüfen“ seien – und damit ein Lippenbekenntnis zu journalistischen Verhaltenskodizes abgelegt –, sie dann aber doch wie die reine Wahrheit behandelt, so Friedman.

Er glaubt nicht, dass die israelischen Soldaten, die die Kommentare gaben, wussten, mit wem sie es zu tun hatten, und wofür ihre Zitate benutzt werden würden. „Ich kann sie nicht fragen, weil keiner von ihnen namentlich genannt wird. Aber als jemand, der viele Soldaten kennt, die im Krieg waren, als jemand, der selbst als Soldat im Krieg war, der immer noch als Soldat in einer Reserveeinheit dient, und der sowohl als Soldat als auch als Zivilist Kritik an der Armee gehört und geäussert hat, bin ich bereit, darauf zu wetten, dass die Antwort in den meisten Fällen nein lautet: Diese Soldaten haben nicht völlig begriffen, mit wem sie geredet oder bei was sie mitgewirkt haben.“

In der Liste der derzeitigen Geldgeber von Breaking the Silence finden sich die dänisch-lutherische Organisation Dan Church Aid, die französische katholische Gruppe CCFD-Terre Solidaire, die Regierungen Norwegens und der Schweiz und viele ähnliche Entitäten, keine davon israelisch. „Auch das wirft Fragen auf. Finanzieren norwegische Steuerzahler auch eine Organisation, die beispielsweise britische Soldaten dazu animiert, gegenüber der internationalen Presse Vergehen der britischen Armee zu enthüllen? Versucht die Schweiz, Hamassoldaten dazu zu bewegen, über ihre Taten zu reden?“ Die Frage der Finanzierung sei keine Nebensächlichkeit: „Würde die israelische Armee umsetzen, was Breaking the Silence vorzuschlagen scheint – also weniger Feuerkraft einzusetzen und die Soldaten grösseren Gefahren auszusetzen – wäre das Kämpfen für die Hamas leichter und mehr Israelis würden sterben. Nehmen wir an, die Zahl der gefallenen Israelis würde sich verdoppeln und die der Hamas halbieren. Israelis aller politischer Überzeugungen würden übereinstimmend sagen, dass dies ein schlechtes Resultat wäre. Aber ist es ein schlechtes Ergebnis für die Dan Church Aid? Was ist mit der norwegischen Regierung? Das Geld von Breaking the Silence ist ausländisches, nicht israelisches. Auf ihrer umfangreichen englischen Website werden jüdische Soldaten für den internationalen Konsum als ein Schauspiel moralischen Versagens dargestellt, ein Spektakel, das von Norwegern, französischen Katholiken und Deutschen bezahlt wird. Bei dieser Sachlage ist es aus Sicht von Israelis nur vernünftig, sich zu fragen, was genau diese Gruppe ist und auf welcher Seite sie steht.“

D 23594 6 small

Über Stefan Frank

Stefan Frank ist freischaffender Publizist und lebt an der deutschen Nordseeküste. Er schreibt regelmässig über Antisemitismus und andere gesellschaftspolitische Themen, u.a. für die „Achse des Guten“, „Factum“, das Gatestone Institute, die „Jüdische Rundschau“ und „Lizas Welt“. Zwischen 2007 und 2012 veröffentlichte er drei Bücher über die Finanz- und Schuldenkrise, zuletzt "Kreditinferno. Ewige Schuldenkrise und monetäres Chaos."

Alle Artikel

4 Kommentare

  1. Was verbirgt sich hinter „dass AP 2009 entschied, über ein sensationelles
    Friedensangebot des damaligen israelischen Ministerpräsidenten Ehud Olmert an
    PA-Präsident Mahmoud Abbas, das von Letzterem abgelehnt wurde, nicht zu
    berichten.)“

    Ich möchte gerne wissen, was damit gemeint ist. Anfang 2009 ist noch Cast
    Lead im Gang und am 10 Februar wird PM Olmert abgewählt. Da soll es ein
    sensationelles Friedensangebot von ihm gegeben haben?

    MfG
    Werner T. Meyer

  2. Von diesem dubiosen Verein habe ich vor ungefähr einem knappen Jahr zum ersten Mal etwas bei haGalil gelesen.

    http://www.hagalil.com/archiv/2014/06/09/10-jahre-breaking-the-silence/comment-page-1/#comment-56527

    Heute würde meine Kritik etwas deutlicher ausfallen, ist dieser Verein doch augenscheinlich überhaupt nicht daran interessiert, irgendwelche möglichen Verfehlungen der IDF zu kritisieren sondern im Gegenteil, diese herbei zu phantasieren. Dies dürfte zwar in den einschlägigen Kreisen auf reges Interesse stoßen, gewichtiger werden die dünnen Geschichten dadurch allerdings nicht.

  3. Vom 4. bis 14. Juni 2015 findet im protestantischen Kulturhaus Helferei in Zürich einer der unverschämtesten Anlässe gegen Israel und gegen das Judentum statt, die ich bis heute erleben musste.

    Die anti-israelische, anti-zionistische und anti-jüdische, gleichwohl israelische NGO „Breaking the Silence“ will mit ihrer verlogenen Demonstration „Das Schweigen brechen“, indem sie lügt. Die Organisation wurde in Israel bereits überführt zu lügen, Tatsachen zu verdrehen und damit Israel und unserer IDF weltweit grossen Schaden zuzufügen. Einige wenige israelische Soldaten verunglimpfen mit ihren Lügen die IDF, Israel und das jüdische Volk.

    Wie zu erwarten war, wird die Ausstellung von der jüdischen Palästinenserlobby in der Schweiz organisiert. Jeder, der Israel, Juden und Zionismus hasst und die islamische BDS-Bewegung unterstützt ist mit dabei: die Handlanger und Mitläufer sind im Flyer aufgelistet.

    Nicht überrascht bin ich über einen der Organisatoren, eine Person, die sich bereits als Hofjude der Medico International als notorischer Verleumder von Israel ausgezeichnet hat. Ein weiterer Mitmacher ist die notorisch anti-israelische NGO „Givat Haviva“, eine Organisation die vom Hass auf Israel und Zionismus lebt. Enttäuscht bin ich, dass die Omanut mit dabei ist. Offenbar nutzt dieser Klub ältlicher jüdischen Personen Geld und Zeit, um Israel zu dämonisieren. Mit Kunst hat das nichts mehr zu tun, sondern mit Unterstützung der Palästinenserlobby. Ich empfehle dringend, an diese NGOs NICHT mehr zu spenden. Sie vergeuden Ihr gutes Geld für Terror gegen Israel. BDS ist Terror.

    An sämtliche Unterstützer dieses infamen Projektes sende ich mein Pfui. An all diejenigen Juden in der Schweiz, die bis heute NICHTS gegen die andauernde Verleumdung und Dämonisierung von Israel und Judentum unternommen haben: schämt Euch.

    Das EDA frage ich, warum wird einer dubiosen Organisation von fehlgeleiteten Israelis und selbsthassenden Juden geglaubt und diese unterstützt? Gegen den Jüdischen Staat Israel, mit dem die Schweiz seit vielen Jahren diplomatische, militärische und wirtschaftliche Beziehungen hat? Ohne vorherige Abklärung des Sachverhalts? Die Schweiz hat doch seinen Nachrichtendienst? Ich schäme mich für die Schweiz.

Kommentarfunktion ist geschlossen.