Warum der Jemen wichtig ist

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Arabische Führer haben eine lange Geschichte sich zu treffen, aber nicht zu kooperieren. Von rechts nach links: König Hussein von Jordanien, Gamal Abdel Nasser aus Ägypten, Yassir Arafat von der PLO und Muammar Gaddafi aus Libyen im September 1970. Foto PD
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Der Nahe Osten war vor einigen Tagen Zeuge von etwas radikal Neuem, als das Königreich Saudi-Arabien auf einen Appell des Präsidenten von Jemen reagierte und eine Koalition aus 10 Ländern anführte, und aus der Luft und am Boden im Land eingriff. “Operation entschlossener Sturm” regt zu vielen Überlegungen an:

Saudisch-ägyptische Allianz: Vor einem halben Jahrhundert waren Riyadh und Kairo im Jemen-Krieg aktiv, aber damals unterstützten sie gegnerische Seiten. Einer die Kräfte des Status quo und der andere die Revolutionäre. Dass sie nun Verbündete sind, zeigt auf die Kontinuität in Saudi-Arabien sowie die tief gehenden Veränderungen in Ägypten.

Arabisch Sprechende reissen sich zusammen: Die frühen Jahrzehnte Israels hindurch träumten die Araber davon sich militärisch gegen diesen Staat zu vereinen, aber die Realitäten der internen Kämpfe und Rivalitäten zerschlugen jegliche derartige Hoffnung. Selbst bei den drei Gelegenheiten, als sie ihre Kräfte bündelten (1948/49, 1967, 1973), machten sie das nicht nur mit einander quer laufenden Absichten, sondern auch ineffektiv. Wie auffällig daher, dass sie sich nicht gegen Israel zusammenschliessen, sondern gegen den Iran. Das deutet implizit auf ihr Verständnis hin, dass die Islamische Republik Iran eine echte Bedrohung darstellt, während Antizionismus auf Schwäche hinausläuft.

Der Jemen im Zentrum der Aufmerksamkeit: Der Jemen spielte in der Bibel, beim Aufstieg des Islam und in modernen Zeiten ein periphere Rolle; er hat nie im Focus des Weltinteresses gestanden – bis sich das jetzt plötzlich änderte. Der Jemen ähnelt anderen einst marginalen Ländern – den Koreas, Kuba, den Vietnams, Afghanistan – die aus dem Nichts ins Zentrum des weltweiten Interesses rückten.

Der Kalte Krieg des Nahen Ostens wurde heiss: Die Regime im Iran und in Saudi-Arabien haben etwa ein Jahrzehnt lang einander duellierende Blöcke angeführt. Sie bekämpften einander, wie es einst die USA und die Sowjetunion taten – über konkurrierende Ideologien, Spionage, Hilfsgelder, Handel und verdeckte Aktionen. Am 26. März wurde dieser kalte Krieg heiss; und dabei wird es wahrscheinlich lange bleiben.

Könnte die von den Saudis geführte Koalition gewinnen? Das ist höchst unwahrscheinlich, da es sich um Neulinge handelt, die auf einem unwirtlichen Terrain gegen die kampferprobten Verbündeten des Iran antreten.

Islamisten dominieren: Die Führer der beiden Blöcke haben viel gemeinsam: Beide streben die universale Anwendung des heiligen Rechts des Islam (der Schari’a) an, beide hassen Ungläubige und beide machten aus einem Glauben eine Ideologie. Ihr Streit bestätigt den Islamismus als das einzige Spiel, das im Nahen Osten gespielt wird, was seinen Anhängern den Luxus erlaubt einander zu bekämpfen.

Die Allianz Türkei-Qatar-Muslimbruderschaft ist im Niedergang begriffen: Eine dritte Allianz sunnitischer Revisionisten irgendwo zwischen den schiitischen Revolutionären und den Status-quo-Sunniten ist während der letzten Jahre in vielen Ländern aktiv gewesen – dem Irak, Syrien, Ägypten, Libyen. Doch jetzt – zum Teil Dank der vom brandneuen saudischen König Salman initiierten Diplomatie – nähern sich ihre Mitglieder den sunnitischen Glaubensgenossen an.

Isolierter Iran: Ja, ein aggressives Teheran prahlt zur Zeit damit vier arabische Hauptstädte zu beherrschen (Bagdad, Damaskus, Beirut, Sana’a), aber das ist auch sein Problem: abrupte iranische Gewinne lassen viele in der Region (einschliesslich vorher freundlich gesinnter Staaten wie Pakistan und dem Sudan) den Iran fürchten.

Der arabisch-israelische Konflikt auf dem Abstellgleis: Auch wenn die Obama-Administration und europäische Führungspolitiker von den Palästinensern besessen bleiben und sie als Schlüssel zur Region sehen, haben die regionalen Spieler weit dringendere Prioritäten. Israel berührt sie nicht nur kaum, sondern der jüdische Staat dient als unausgesprochene Hilfe des von den Saudis geführten Blocks. Kennzeichnet diese Veränderung eine langfristige Verschiebung der arabischen Einstellung zu Israel? Wahrscheinlich nicht; wenn die Iran-Krise abklingt, können wir erwarten, dass die Aufmerksamkeit zu den Palästinensern und Israel zurückkehrt, wie das immer der Fall war.

Amerikanische Politik in Auflösung: Im Nahen Osten wurde zurecht gespottet, als Barack Obama und weitere Naive 2009 erwarteten, dass sie durch den Abzug aus dem Irak, mit einem Lächeln gegenüber Teheran und intensiveren Bemühungen bei den arabisch-israelischen Verhandlungen die Region in Ordnung bringen würden, was ein “Umschwenken” nach Ostasien erlaubt hätte. Stattdessen können die an der Spitze der US-Regierung kauernden Stümper nicht mit den schnell ablaufenden, widrigen Ereignissen mithalten, von denen sie viele selbst geschaffen haben (Anarchie in Libyen, Spannungen mit den traditionellen Verbündeten, ein streitsüchtigerer Iran).

Amerikanische Diplomaten treffen sich einmal mehr mit ihren iranischen gegenüber, um bei einer weiteren Meinungsverschiedenheit zu kapitulieren. Foto U.S. Department of State.
Amerikanische Diplomaten treffen sich einmal mehr mit ihren Iranischen Gegenüber, um bei einer weiteren Meinungsverschiedenheit zu kapitulieren. Foto U.S. Department of State.

Auswirkungen eines Handels mit dem Iran: Obwohl Washington bei vielen Positionen in den Verhandlungen mit dem Iran eingeknickt ist und dem Mullah-Regime viele Gefallen getan hat (z.B. ihn oder die mit ihm verbündete Hisbollah nicht als Terroristen zu führen), zog es beim Jemen eine Grenze, die der Anti-Iran-Koalition einige Unterstützung bietet. Wird der Oberste Religionsführer des Iran jetzt die Gespräche verlassen? Höchst unwahrscheinlich, denn der ihm angebotene Deal ist zu gut, um ihn auszuschlagen.

Alles in allem reagiert Salman mit seiner geschickten Diplomatie und seiner Bereitschaft, im Jemen Gewalt anzuwenden, auf die tödliche Kombination aus arabischer Anarchie, iranischer Aggression und Obamas Schwäche auf eine Weise, die die Region auf Jahre hinaus prägen wird.

Zusammenfassung eines Originalbeitrags von Daniel Pipes via www.DanielPipes.org. Pipes ist Präsident des Middle East Forum. Übersetzung H. Eiteneier

1 Kommentar

  1. Ich kenne noch zwei weitere Gründe, warum der Jemen, und zwar der Krieg der Araber untereinander im Jemen, wichtig ist.

    1. Im Jemen hat ein islamischer und arabischer Staat, Ägypten, zum ersten Mal nach dem 2. Weltkrieg, chemische Kampfstoffe gegen eine Zivilbevölkerung eingesetzt (1962). Weitere chemische Kampfstoffe wurden im Krieg Irak-Iran vom Irak eingesetzt 1983), auch gegen Zivilisten und Kurden (1988) und in diesen Tagen von Präsident Assad, der so sein eigenes Volk ermordet (2013-2015).

    Wenn islamische und arabische Staaten so miteinander umgehen, dann wissen wir, wie sie, namentlich der Iran, gegen Israel und Judentum Krieg führen werden.

    2. Wenn der Krieg im Jemen andauert, dann muss Israel mit kampferprobten Truppen arabischer Staaten rechnen.

    Der Krieg im Jemen, wie auch alle anderen Kriege der islamischen und arabischen Staaten untereinander, zeigt der Welt deutlich, dass der Konflikt zwischen Israel und den palästinensischen Arabern NICHT die Mutter aller Konflikte ist. Dies behauptet ja die PA, die mit Geschichtsklitterung, Lügen und Verdrehung von Tatsachen, die Welt, besonders die EU, für dumm verkauft.

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